Dialog mit der KI – Nachahmung, Übertragung, oder Verständigung?

Der Hype um Text-KIs wie ChatGPT ist groß und die Auswirkungen gerade auf unser künftiges Arbeitsleben scheinen immens zu sein. Doch nüchtern betrachtet wird künstliche Intelligenz auf lange Zeit nicht die zwischenmenschliche Verständigung ablösen können.

Seit dem Launch am 30. November vergangenen Jahres elektrisiert und polarisiert ChatGPT die Menschen. Da gibt es zum einen das Lager derjenigen, die vor Euphorie fast überlaufen und die neuen künstlichen Intelligenzen in den Himmel loben, die Bilder oder Texte in Sekundenbruchteilen erzeugen. Und demgegenüber stehen diejenigen, die in Anbetracht dieser Schöpfungen regelrecht Angst verbreiten und befürchten, dass ganze Berufsfelder wie Journalistinnen, Programmierer, Call-Center-Mitarbeitende, oder auch Übersetzer in naher Zukunft überflüssig und arbeitslos werden könnten.

 

„Fragen wir die KI selbst: Wie gefährlich ist ChatGPT?“

Was stimmt denn nun? Wie gefährlich ist ChatGPT? „Fragen wir das Programm selbst, erhalten wir diese gut vorbereitete Antwort: Nein, ich bin keine Bedrohung für irgendjemanden. Als künstliche Intelligenz habe ich keine physische Existenz und bin nicht in der Lage, jemandem körperlichen Schaden zuzufügen. Mein Ziel ist es, Menschen zu helfen und sie zu unterstützen, indem ich auf ihre Fragen antworte und ihnen bei Problemlösungen helfe.“

Also ist Angst fehl am Platze?. Doch so hilfreich sie sich auch anbietet, ist die KI uns in der Problemlösung überlegen? Trotz der beeindruckenden Fähigkeiten der KI-Systeme sind Menschen diesen Tools immer noch in vielerlei Hinsicht voraus. In einem Gastbeitrag für die renommierte Schweizer Handelszeitung schrieb Manuel Nappo, Director Institute for Digital Business an der Hochschule für Wirtschaft Zürich: „Wir besitzen exklusive Eigenschaften wie unkorrelierte Kreativität, spontane Empathie und die magische Fähigkeit der Neugier. Diese Fähigkeiten erlauben uns beispielsweise in persönlichen Beziehungen nachzufragen, daraus Mehrwert zu schaffen, und sie geben uns Zugang zu exklusiven Informationen, die für AI unerreichbar sind. Wir betreiben Insider-Trading von Wissen, und genau hier liegt unser großer Vorteil gegenüber AI.“

 

Geht es um feinfühlige Verständigung, sind menschliche Profis gefragt

Gerade, wenn es auf Feinheiten in der zwischenmenschlichen Verständigung ankommt, jedes Wort potenziell auf die Goldwaage gelegt wird, wie bei schwierigen diplomatischen Prozessen oder bei Geschäftsverhandlungen zwischen Menschen unterschiedlicher kultureller Prägung, stößt eine Übersetzung von der ‚maschinellen Stange‘ schnell an ihre Grenzen. Taktgefühl, Rücksichtnahme, diplomatisches Geschick auch beim Wählen der richtigen Worte, um das Gesagte bestmöglich an den Empfangenden in anderer Sprache zu bringen, sind eine Kunst, die schwerlich von Maschinen zu erlernen sein wird.

Die erfahrene Dolmetscherin sowie Kommunikationsexpertin Nina Cisneros Arcos bestätigt: „Für richtige Verständigung zählt weitaus mehr als nur eine gute Nachahmung menschlichen Schriftverkehrs.“

Nina Cisneros Arcos: Expertin für zwischenmenschliche Verständigung.  ninacisneros.de

Die Konferenzdolmetscherin und Unternehmerin hat das Startup Orelon im brandenburgischen Wildau, nahe Berlin, gegründet. Orelon ist spezialisiert auf das Dolmetschen und die kommunikative Barrierefreiheit, wie zum Beispiel die Live-Untertitelung und Gebärdensprache auf Konferenzen, Events und Bildungsveranstaltungen. Zu den Auftraggebern gehören mittlerweile neben dem Deutschen Bundestag, dem Auswärtige Amt und dem Goethe-Institut etwa auch Außenhandelskammern in Lateinamerika oder Nordafrika.

Der mit Aufträgen verbundene Aufwand kann dabei erheblich sein. Die von Orelon angebotene Kombination von Konferenz- und Schriftdolmetschen ist in Deutschland nahezu einzigartig. In der Regel werden dafür vier Dolmetschende mit zweifacher Konferenztechnik benötigt – sie bieten diesen Service mit nur zwei Expertinnen und Experten sowie einer Kabine an. Anhand der Komplexität und Auftraggeber lässt sich bereits ablesen, dass die Übertragung von menschlicher Verständigung mehr ist als reine Wort-für-Wort Eingabe und Wiedergabe.

 

Angst vor Arbeitslosigkeit ist unbegründet

Angst, dass künftig bald gar kein Mensch in der Kabine sitzt und eine KI den Job übernimmt, hat Nina Cisneros Arcos daher nicht: „Das notwendige Feingefühl, gerade beim Übersetzen kniffliger Passagen, in denen viel Emotionalität mitschwingt“, spricht sie der KI ab. Und dann bleibt noch die Frage um die nicht-verbalen Elemente, ein Interface, von dem die KI noch keinen Gebrauch machen kann. Und wie schätzt die künstliche Intelligenz selbst ihr Potenzial ein? Wirst du Dolmetscher arbeitslos machen, ChatGPT? Die überraschend differenzierte Antwort folgt prompt und dürfte den Profis von Orelon zumindest noch eine lange Zeit recht geben:

„Als künstliche Intelligenz bin ich ein Werkzeug, das Menschen nutzen können, um verschiedene Aufgaben zu erledigen, einschließlich Übersetzungen. Während ich in der Lage bin, Texte und Sprachen in Echtzeit zu übersetzen, kann ich die Arbeit von professionellen Dolmetschern nicht vollständig ersetzen. Es gibt viele Bereiche, in denen menschliche Übersetzer weiterhin unersetzlich bleiben, wie beispielsweise bei der Lokalisierung von Inhalten oder der Übertragung von Nuancen und kulturellen Aspekten von einer Sprache in eine andere.“

Jedoch kann die KI als Übersetzungstool in vielen Situationen nützlich sein, besonders wenn es darum geht, schnell große Mengen an Texten grob in eine andere Sprache zu übertragen oder schnelle Übersetzungen in alltäglichen Situationen durchzuführen. Letztendlich wird sich die Technologie weiterentwickeln und sich an die Bedürfnisse der Nutzer anpassen, während gleichzeitig menschliche Expertise und kulturelle Sensibilität in vielen Übersetzungsbereichen unverzichtbar bleiben. Doch wie steht es um Verständigung?

„Als künstliche Intelligenz bin ich in der Lage, menschliche Sprache zu verstehen und darauf zu reagieren, basierend auf meinem Trainingsdatensatz und meinem Modell. Ich bin jedoch nicht in der Lage, menschliche Emotionen und Empfindungen im gleichen Umfang wie ein menschlicher Gesprächspartner zu verstehen.“.