Internet der Dinge – verschiedene Visionen, unterschiedliche Wahrheiten

Wenn eines Tages ein wirklich IT-orientiertes Internet der Dinge realisiert wird, dann wird es unser Leben vollständig auf den Kopf stellen und unsere Technologie-Entscheidungen nachhaltig beeinflussen.

Wir alle haben eine gewisse Vorstellung vom Internet der Dinge (Internet of Things; IoT), aber der Name hat uns in die Irre geführt. Das Internet der Dinge sollten eigentlich besser als das „Netzwerk der Dinge“ (Network of Things) bezeichnet werden. Viele unserer Probleme mit IoT haben ihre Ursachen in dem Unterschied zwischen den beiden Bezeichnungen.

Die meisten Hersteller nehmen den Begriff „Internet der Dinge“ wörtlich und platzieren die von ihnen entwickelten „Dinge“ direkt im Internet. Für Cisco gehört IoT schon immer als fester Bestandteil zum Internet. Auch die Netzbetreiber verorten IoT in ihren Netzen. Aus diesem Grund passen die Unternehmen IoT dynamisch an ihre eigenen Geschäftsziele an und unterlassen alles, was ihr Geschäftsmodelle in Gefahr bringen könnte.

Die IoT-Befürworter gehen davon aus, dass Milliarden von „Dingen“ miteinander vernetzt werden. Die Realität lautet jedoch: Wir befinden uns bereits Mitten in diesem Prozess. Praktisch jede Fabrik, jedes Büro und in vielen Wohnungen werden bereits Sensoren installiert, um die „Dinge“ zu kontrollieren. Ein einfacher Bewegungsmelder ist heute bereits für weniger als 40 Euro erhältlich. Die Betriebskosten für diese Geräte betragen pro Jahr den Preis, der für den Betrieb der notwendigen Batterien bezahlt werden muss. Sensoren zur Kontrolle von Fenster und Türen sind sogar noch billiger und arbeiten sogar drahtlos. Und das Beste an dieser Technologie ist, dass man bisher noch nichts über Hacking- oder Denial-of-Service-Angriffe auf diese Geräte gehört hat. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Keine Angriffe gleich große Sicherheit!

Verbindet man diese Sensoren mit den Mobilfunknetzen (beispielsweise per LTE) oder mit dem Internet, dann erhöht sich der Stückpreis und die Betriebskosten deutlich. Ein Sensor mit integriertem LTE-Funkmodul benötigt sicherlich eine andere Stromversorgung als ein paar Haushaltsbatterien. Darüber hinaus werden diese „Dinge“ über das Mobilfunknetz mit dem Internet verbunden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss sich der Betreiber über die Themen „Sicherheit“ und „Privatsphäre“ seine Gedanken machen. Ein Sensor, der direkt über das Internet adressierbar ist, kann von Hackern angegriffen werden. Will man die gesetzlichen Bestimmungen einhalten und ein gewisses Maß an Sicherheit für den Betrieb der eigenen IoT-Geräte gewährleisten, dann muss die Software der Sensor bereits einige Sicherheitsfunktionen enthalten. Dies erhöht natürlich die Beschaffungs- wie auch die Betriebskosten dieser Geräte.

Ein weiteres Problem der Sensoren lautet: Kontext und Authentizität. Angenommen, man möchte wissen, welche Überraschungen die vor einem liegende Fahrstrecke bietet, dann fragt man einfach die vorausfahrenden Sensoren ab. Es können beispielsweise ein Dutzend Sensoren vor dem eigenen Auto auf dem betreffenden Verkehrsweg „arbeiten“. Hier entsteht die Frage, wie kann mein intelligentes Auto wissen, welche der vielen IoT-Komponenten übermittelt die notwendige Information? Wie erkennt mein Fahrzeug einen falschen Sensor, welcher mich in die Irre führen soll? Welcher Art sind die übermittelten Datenformate und wie sind diese zu interpretieren? Diese Probleme entstehen nicht nur bei einzelnen IoT-Komponenten, sondern müssen für die Zusammenarbeit von Milliarden dieser Geräte gelöst werden.

Bei Controllern wird alles noch um mehrere Faktoren schlimmer. Stellt man ein Steuerelement (beispielsweise eine Ampel oder eine Heizungssteuerung) direkt online ins Internet, dann besteht das realistische Risiko, dass jemand die Kontrolle über diese Geräte ungefragt übernimmt. Auch wenn das Steuergerät nur eine verschlüsselte Steuernachricht annimmt, können die IoT-Komponenten immer noch durch Datenmüll überschwemmt und somit ihrer Funktion beraubt werden. Ein solcher Fall resultiert im Stillstand des Systems, quasi eingefrorener Leitung oder dem totalen Verlust des Geräts.

Jeder halbwegs intelligente IT-Planer betrachtet das „Netzwerk der Dinge“ auf andere Weise. Diese Person würde zuerst fragen, welche Sensordaten das betreffende Unternehmen bereits sammelt. Die Daten würden zusammen mit entsprechenden Zeitstempeln in einen großen Datenspeicher gespeichert. Hier würden die gesammelten Daten einer Analyse unterzogen und die entsprechenden Ergebnisse weiterverarbeitet werden. Jeder halbwegs intelligente IT-Planer würde das Internet der Dinge nicht als über das Internet verbundene Sensoren und Steuerungen verstehen, sondern das Gesamtgebilde, als ein Set von Big-Data-Anwendungen behandeln, welche über das Internet in Verbindung stehen.

Kontextverständnis erforderlich

In der realen IoT-Welt sollten vertrauenswürdige Geräte ihre Sensordaten in eine Datenbank einbringen. In dieser Datenbank wird die Sicherheitspolitik durchgesetzt und der Zugriff auf diese Daten geregelt. Bei diesem Lösungsansatz werden die Sicherheitsrichtlinien und Datenschutzbestimmungen in der Datenbank und nicht in den Sensoren durchgesetzt. Aus diesem Grund müssen wir auch unsere Sicherheitskonzepte nicht ändern und benötigen keine teuren Software-Kontrollen auf der Sensorebene. Auf die Controller kann über Cloud-APIs in Kombination mit Richtlinienfiltern zugegriffen werden. Dadurch werden die Sicherheitsrisiken auf einmal überschaubare und wir müssen uns nicht mehr mit Nebenschauplätzen beschäftigen, sondern können uns auf die wirklichen Herausforderungen und Möglichkeiten der IoT-Welt konzentrieren.

Der richtige Einsatz des Internet der Dinge würde uns einen Weg zum besseren Verständnis unseres Lebens und der Arbeit eröffnen. Wir würden problemlos erfahren, wo sich die Dinge befinden die wir suchen, was in unserem geographischen Umfeld gerade passiert und wenn wir unsere Definition von den „Dingen“ ein bisschen erweitern, könnten wir auch den sozialen Kontext bestimmter Dinge besser verstehen. Würde man alle verfügbaren IoT-Kontextinformationen miteinander kombinieren, könnte man wahrscheinlich auch die klassische Siri Frage „Was ist das?“ souverän beantworten. Denkt man das Konzept über die bisherigen Denkgrenzen hinaus, dann ist auch ein T-Shirt, ein Fußballclub, ein spezielles Abendessen oder ein Musical ein „Ding“. Verfügen wir über die notwendigen Eigenschaften dieser Dinge, könnten wir das Shopping für immer verändern. Stellen wir uns vor, wir gingen durch die virtuelle Hauptstraße unserer Stadt und wären auf der Suche nach einem Geschäft oder einer bestimmten Ware. Unser virtuelles Selbst findet über die Interaktion mit den Dingen heraus, was wir wollen und wo wir es finden werden. Anschließend brauchten wir nur noch in der Realität den gefundenen Antworten folgen.

Auch die Arbeit ändert sich dadurch. Über das Internet der Dinge finden sich bereits Käufer und Verkäufer unterschiedlichster Produktbereiche. Zukünftig wird auch eine engere Integration einer Software-gesteuerten Diagnose mit der menschlichen Interaktion möglich werden. Die Menschen können zu einer bestimmten Stelle geführt und anhand bestimmter virtueller Bilder die ihnen zugedachten Aufgaben übernehmen.

Auch die Zusammenarbeit der Menschen miteinander wird sich ändern. Der Erfolg von Online-Meeting-Software wie beispielsweise „WebEx“, „GoToMeeting“ oder“ Lynx“ zeigt, dass wir auch in virtuellen Räumen prima zusammenarbeiten und miteinander bestimmte Aufgaben gemeinsam erfüllen können. Durch IoT mit seiner fast vollständige Sicht auf die Welt, entstehen in Zukunft noch viel mehr Bereiche der kontextbezogenen Zusammenarbeit. (mh)