Mit fortschreitender Digitalisierung der Wirtschaft wird auch der Bedarf an Rechenzentren immer größer – und der Energiehunger von Servern und Netzwerktechnik. Wer jedoch bei der Nachhaltigkeit von Datacentern lediglich auf Stromquellen und Abwärme schaut, greift zu kurz. Denn es gibt noch sehr viel mehr Ansatzpunkte für einen kleineren CO2-Fußabdruck.
Wenn das Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz im Herbst beschlossen wird, ist eines klar: Auch Rechenzentrumsbetreiber müssen sich an der klimafreundlichen Transformation der Wirtschaft beteiligen. Zwar gibt es bereits auf europäischer und nationaler Ebene Zielvorgaben für das Jahr 2030, das nun geplante Gesetz soll jedoch konkrete Maßnahmen anstoßen, um diese Ziele zu erreichen. Neben Gebäude-Erstellung und Energieversorgung sind spätestens dann auch die Lieferanten für die Rechenzentrums-Infrastruktur gefordert, sich an dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zu beteiligen. Sie müssen dafür sorgen, dass ihre Produkte weniger Ressourcen verbrauchen, der CO2-Fußabdruck kleiner wird und die RZ-Betreiber in ihren Bemühungen unterstützt werden.
Mehr als grüner Strom
Der Gesetzgeber blickt dabei in erster Linie auf den Energieverbrauch und die Weiterverwendung der damit verbundenen Abwärme. Laut einer Studie des IT-Verbandes Bitkom stieg zwar die Effizienz der Rechenzentren von 2010 bis 2020 um 21 Prozent, der Strombedarf erhöhte sich trotzdem im gleichen Zeitraum um mehr als 50 Prozent auf 16 Mrd. kWh. Die Treibhausgasemissionen sanken nach einem Hoch im Jahr 2018 von 7,22 Mio. t CO2 dank verstärktem Einsatz von regenerativer Energie auf 6,09 Mio. t CO2. Es gibt zudem bereits zahlreiche Initiativen zur Abwärmenutzung seitens der RZ-Betreiber, die dazu bereits schon in regem Austausch mit den Kommunen stehen.
80 Prozent der Treibhausemissionen entfallen auf den Stromverbrauch im laufenden Betrieb. Daher ist dieser ein besonders großer Hebel, um den CO2-Footprint zu verbessern. Die restlichen 20 Prozent sind es jedoch ebenso wert, bereits heute ins Auge gefasst zu werden. Nicht nur weil das Ziel der Transformation ein Netto-Null-Szenario ist. Sondern auch, weil sich Nachhaltigkeitsbestrebungen mit weiteren strategischen Zielen gut in Einklang bringen lassen und nicht zuletzt sogar zu Kostensenkungen beitragen können, wie im Folgenden an einigen Beispielen gezeigt wird.
ESG als Wettbewerbsfaktor
Nachhaltigere Unternehmen haben sich in verschiedenen Studien [z.B. hier: https://www.der-bank-blog.de/nachhaltigkeit-return-investment/studien/37695056/] als resilienter gegenüber Krisen erwiesen, bei ähnlichen oder sogar besseren Gewinnmargen – zumindest, wenn das Thema wirklich gelebt wird und nicht nur als grünes Feigenblatt dient.
Wobei ESG mehr abdeckt als nur Klima- bzw. Umweltschutz. Neben Environment (E) sind darin auch Social (S) und Government (G) enthalten, also die Einhaltung gewisser sozialer Standards und gesetzlicher Vorgaben, wie dem Verbot von Kinderarbeit, dem Befolgen von Sanktionen oder auch keine Bestechung zu verüben.
Gerade für Zulieferer der Rechenzentren sind unter anderem folgende Punkte von besonderer Bedeutung:
RoHS und REACH: Die EU-Richtlinie 2011/65/EU steht für die Beschränkung gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (Restriction of Certain Hazardous Substances, kurz RoHS). Zu den Gefahrstoffen gehören beispielsweise Quecksilber, Blei, sechswertiges Chrom und Cadmium, ebenso Weichmacher sowie bromhaltige Flammschutzmittel. RoHS soll dazu beitragen, den Eintrag von solchen Stoffen in die Umwelt zu verringern, aber auch die Exposition gegenüber Menschen bei Produktion, Benutzung und Entsorgung zu vermindern. In engem Zusammenhang damit steht die EU-Verordnung Nr. 1907/2006, die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien regelt (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals, kurz: REACH). REACH betrifft anders als RoHS nicht nur E&E-Produkte, sondern auch den Einsatz während des Herstellungsprozesses, wie etwa in Lacken und Lösungsmitteln, sowie die Verwendung beispielsweise in Gehäusen und Beschichtungen.
Hersteller, Händler und Importeure sind dafür verantwortlich, RoHS und REACH einzuhalten und gegenüber Behörden und Kunden nachzuweisen. Ein Beitrag zur Reduzierung von Gefahrstoffen ist beispielsweise die Umstellung bei Steckverbindern auf Ecobrass, eine hochqualitative Messinglegierung, die kein giftiges Blei mehr enthält, eine andere Möglichkeit, Ressourcen zu schonen, ist der Einsatz von recyceltem Aluminium.
Konfliktmineralien: Nach dem Dodd-Frank-Act (Absatz 1502) sind alle börsennotierten Unternehmen in den USA sowie deren Zulieferer verpflichtet, die Herkunft bestimmter Rohstoffe, die als Konfliktmineralien eingestuft sind, aus ihren Produkten nachzuweisen. In der EU wurde dies mit der Verordnung 2017/821 in lokales Recht übernommen. Insbesondere sind mit Konfliktmineralien Zinn, Wolfram, Tantal und Gold gemeint, nach ihren englischen Bezeichnungen (Tin, Tungsten, Tantalum & Gold) auch als „3TG“ bezeichnet. Ihr Abbau sorgt in vielen Regionen für Menschenrechtsverletzungen und kriegerische Auseinandersetzungen. Daher ist der Einsatz nur erlaubt, wenn entlang der Lieferkette die Herkunft aus Regionen sichergestellt wird, in denen die Erze und Stoffe verantwortungsvoll gewonnen und verarbeitet werden.
Code of Conduct: Jenseits der gesetzlichen Vorgaben können auch freiwillige Selbstverpflichtungen und Vereinbarungen innerhalb des Unternehmens ein Beitrag dazu sein, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung zu stärken. Als schriftlich fixierte Leitlinien geben sie Management und Mitarbeitenden eine Orientierung bei eigenen Entscheidungen, was die Verbindlichkeit und Umsetzungswahrscheinlichkeit erhöht. Ebenso demonstrieren sie die Ausrichtung auch gegenüber Kunden und Partnern – wo der Anteil derjenigen wächst, die auf ethisches und soziales Verhalten achten.
Weniger Plastik – besserer Brandschutz:
Kabel und Netzknoten können mit ihren Kunststoffummantelungen und -gehäusen im Brandfall den Flammen zusätzliche Nahrung bieten. Zwar ist mit der EU-Bauproduktenverordnung 305/2011 bereits seit zehn Jahren eine Vorschrift in Kraft, die spezifiziert, wie eine sichere Datenverkabelung genau aussehen und was sie leisten sollte, sowie die Brandschutzeigenschaften von Produkten beschreibt. Auch setzen zahlreiche Hersteller bereits flammwidrige Kunststoffe für ihre Gehäuse ein. Dennoch stellt die Masse der Kunststoffe, die in einem Rechenzentrum verbaut sind, eine erhöhte Gefahr dar.
Um diesem Risiko entgegenzuwirken, gibt es zwei mögliche Strategien – die sich auf Quantität und Qualität beziehen. Zum einen kann über den Einsatz leistungsfähigerer Komponenten die Anzahl von Racks und Kabeln reduziert werden, sodass die schiere Masse der Kunststoffkomponenten reduziert wird. Dies hat noch weitere positive Effekte, mehr dazu weiter unten. Zum anderen gilt es auch darauf zu achten, wie Kunststoff in den jeweiligen Komponenten vermieden werden kann.
Schnellere Netze dämmen Energieverluste ein
Mit steigenden Anforderungen wächst auch die Infrastruktur im Rechenzentrum. Häufig werden einfach weitere Komponenten hinzugefügt, um Bandbreite und Rechenkapazitäten zu erhöhen. Diese Art des „organischen Wachstums“ sollte jedoch von Zeit zu Zeit kritisch hinterfragt werden. Denn nicht nur das Brandrisiko wird dadurch erhöht, sondern auch der Energieverbrauch.
Diesen Punkt sollte man mit ins Auge fassen, wenn es darum geht, wann ein Technologiewechsel sinnvoll ist. Konkret lässt sich das im Vergleich von optischen Transceivern mit 100-GBit/s- und 400-GBit/s-Bandbreite demonstrieren. Ein moderner 400-GBit/s-Transceiver hat laut Datenblatt eine Energieaufnahme von 8 W. Die 100-GBit/s-Version begnügt sich zwar mit 4,5 W, um jedoch eine Bandbreite von 400 GBit/s zu erzielen, sind vier Leitungen nötig, so dass die Energieaufnahme 4×4,5 W und damit 18 W beträgt – der 400-GBit/s-Transceiver spart also knapp 56 Prozent Energie. Nicht zu vergessen: die hier eingesparte Energie bedeutet darüber hinaus, dass weniger Abwärme entsteht und damit die Klimatisierung ebenfalls effizienter erfolgt. Inzwischen geht die Technik bereits über 400 GBit/snzu 800-GBit/s und 1,6 TBit/s – damit sind gegenüber den noch verbreiteten 100-GBit/s- und 200-GBit/s-Transceivern weitergehende Einsparungen möglich, die die CO2-Bilanz verbessern.
Mehr IT in weniger Raum
Ebenso wie bei der Verkabelung mehr Bandbreite über weniger Kabel möglich sind, bieten auch kompaktere Rack- und Servergehäuse Einsparmöglichkeiten. Je mehr IT- und Netzwerk-Infrastruktur im vorhandenen Gebäude untergebracht werden kann, umso effizienter ist das Rechenzentrum in Bezug auf die benötigte Bausubstanz, deren Erstellung als „CO2-Rucksack“ in die Ökobilanz eingeht. Lassen sich Neu- oder Erweiterungsbauten vermeiden, sind damit neben der positiven Umwelteffekte auch erhebliche Kosteneinsparungen verbunden.
Intelligenter verpacken und liefern
Neben den Maßnahmen im laufenden Betrieb verdient auch die Anlieferung von neuen Komponenten gebührende Aufmerksamkeit. Häufig fallen aufgrund von Liefer- und Versandverpackungen erhebliche Mengen von Papier und Karton, Styropor und Kunststofffolien an, die mit erheblichem Ressourceneinsatz produziert wurden und am Ende aufwändig entsorgt werden müssen. Hier bietet sich ein enormes Einsparungspotenzial.
Einige Firmen haben bereits damit begonnen, ihre Verpackungen auf das Minimum zu reduzieren und problematische Materialien zu vermeiden. Statt erdölbasierter Plastikverpackungen können beispielsweise Folien aus biobasierten und biologisch abbaubaren Polymeren verwendet werden. Das Fraunhofer Institut für angewandte Polymerforschung (IAP) am Technikum Schwarzheide hat in einem gemeinsamen Projekt mit Rosenberger OSI eine solche Alternative für die Verpackung von Patchkabeln entwickelt. Zugleich wurde auch der Einsatz von Papierbeuteln erwogen. Doch im Vergleich zeigte sich, dass deren Herstellung viermal mehr Energie benötigen würde. Zudem schützen die biobasierten Kunststoffe die empfindlichen Lichtwellenleiter besser vor Verschmutzung, sind leichter und widerstandsfähiger.
Neben intelligenterer Verpackungsmaschinen, die unterschiedliche Produktformate erkennen und die Folienmenge anpassen, lässt sich auch durch eine optimierte Wandstärke der biobasierten Folie eine weitere Materialeinsparung von 40 Prozent realisieren. Klebelabels sind unnötig, wenn die Biopolymerverpackung direkt bedruckt wird. Wenn Messprotokolle und Installationsanleitungen von Patchkabeln nicht mehr auf Papier ausgedruckt, sondern digital zur Verfügung gestellt werden, kommt das auch den Prozessen der Kunden entgegen.
Nachweisbare Anstrengungen
Dies sind nur einige aktuelle Beispiele für mehr Nachhaltigkeit im Rechenzentrum. Erhöhte Energie-Effizienz, die Vermeidung von Energieaufwänden nicht nur im eigenen Betrieb, sondern auch in der Lieferkette, generell ein schonender Umgang mit Ressourcen, der nicht nur reduzierten Verbrauch, sondern beispielsweise auch Verschmutzung der Umwelt einschließt, sind Elemente einer nachhaltigen Betriebsführung. Nicht selten erweist sich eine solche Strategie mittel- bis langfristig sogar als kostensparend.
Dabei muss klar sein: Eine nachhaltige Unternehmensführung bedeutet, kontinuierlich Verbesserungsprozesse zu verfolgen. Weder lassen sich alle Maßnahmen in einem Schritt umsetzen, noch kann Nachhaltigkeit wie ein Projekt irgendwann als abgeschlossen betrachtet werden. Sinnvoll ist es daher, ein Umweltmanagement einzuführen, das für eine kontinuierliche Optimierung sorgt. Mit DIN EN ISO 14001 liegt eine Norm vor, die entsprechende Anforderungen für eine erfolgreiche Umsetzung definiert und anhand derer ein Nachweis möglich ist.
In seinem Bemühen, die Nachhaltigkeit im eigenen Unternehmen und entlang der Lieferkette weiter zu verbessern, nutzt Rosenberger OSI unter anderem das Angebot von Ecovadis. Der Dienstleister erstellt zum einen ein Profil des Unternehmens, in dem der aktuelle Stand abgebildet und per Benchmark mit ähnlich aufgestellten Betrieben verglichen wird. Zudem hilft der Anbieter dabei, ESG-Risiken und Compliance zu erkennen und zu managen sowie die gesteckten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Fazit
Eine Nachhaltigkeitsstrategie, die nicht mehr ist als nur ein grünes Marketing-Feigenblatt, wird dabei auf Dauer nicht zum Erfolg führen, denn sie verschenkt wichtige Optimierungspotenziale. Mit dem richtigen Partner an der Seite lassen sich die Möglichkeiten in vielen Facetten nutzen und in jeder Phase des Lifecycles Kosten sparen, Effizienz verbessern und zum Klimaschutz beitragen.
Von Dr. Gerald Berg, Prozessverantwortlicher Sales & Marketing bei Rosenberger OSI