„Viele Dinge haben heute noch keine digitale Stimme“

Bill Burns, Chief Executive Officer bei Zebra Technologies

Bill Burns,  neuer Chief Executive Officer bei Zebra Technologies, im Interview zu seiner Vision für Zebra:  Zebra Technologies ist mit seinen rund 10.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von gut 5 Milliarden Euro ein breit aufgestellter Anbieter von Hard- und Softwarelösungen für die automatische Identifizierung und Erfassung von Daten. Zu den Produkten des Unternehmens gehören mobile Computer, Barcode-Scanner, Lesegeräte für Radiofrequenz-Identifikationsgeräte, Spezialdrucker für Barcode-Etikettierung und Personenidentifikation, Echtzeit-Ortungssysteme sowie Software-Dienstprogramme und Anwendungen. Das Unternehmen ist zudem in den Segmenten Asset-Intelligence und -Tracking sowie Enterprise-Visibility und -Mobility tätig. Zum 1. März 2023 hat Zebra Bill Burns zum neuen CEO ernannt, der bereits seit 2018 als Chief Procuct & Solutions Officer im Unternehmen tätig war. Zuvor war Burns langjähriger CEO von Spirent Communications. In einem Interview erläutert Burns seine Zukunftsvision für Zebra.

 

Bill, Sie sind seit etwa sieben Jahren bei Zebra und nun zum neuen CEO aufgestiegen. Vielleicht möchten Sie uns zunächst ein wenig über Zebra und Ihre Vision für das Unternehmen erzählen?

Bill Burns: Die Vision von Zebra dreht sich um das gesamte Thema der Enterprise-Asset-Intelligence. Stellen Sie sich vor, dass alle Systeme und Mitarbeiter an der Frontlinie des Geschäftes sichtbar miteinander verbunden sind und optimal genutzt werden. Dazu bietet Zebra ein Produktportfolio an robusten mobilen Geräten, Scannern, Industriedruckern, RFID-Technologie-Software für Einzelhandelsmitarbeiter, maschinellem Sehen und industrieller Scanning-Robotik zur Automatisierung des Lagers. Darüber hinaus statten wir die Mitarbeiter an der Frontlinie im Einzelhandel, im Gesundheitswesen oder in der Transportlogistik mit Technologie aus, damit sie in der Lage sind, im Unternehmen sichtbar zu sein und die jeweils beste Maßnahme zu ergreifen. Wir verknüpfen also diese beiden Dinge miteinander, um so effektiv und effizient wie möglich zu sein. Im Vordergrund steht die Digitalisierung und Automatisierung der Kundenumgebungen, um den Dingen eine digitale Stimme zu geben. Heute sind etwa 86 % der Fortune-500-Unternehmen weltweit unsere Kunden. Und wir bedienen alle Arten von Branchen.

 

Welche Ziele möchten Sie in den nächsten Jahren erreichen? Was werden ihre Schwerpunkte sein?

Bill Burns: Es ist zunächst wichtig, dass wir unseren Kunden auf der ganzen Welt zuhören, vor allem, weil die gesamte Elektronikbranche in den letzten Jahren mit Lieferkettenproblemen zu kämpfen hatte. Schließlich haben wir ein gesamtes Makroumfeld um uns herum, und unser Werteversprechen gilt in guten wie in schlechten Zeiten. Kunden und Partner sind also mein erster Schwerpunkt.

Der zweite ist die Umsetzung unserer übergeordneten Strategie. Sie umfasst unser Kernportfolio wie  robuste mobile Geräte mit Scannern, die im Einzelhandel und im Transportwesen, in der Logistik, in der Fertigung und im Gesundheitswesen eingesetzt werden. Denken Sie zudem an unsere angrenzenden Bereiche, etwa Dinge wie bioptisches Scannen, also Flachbettscannen in einem Supermarkt oder RFID-Technologie, die jetzt in der gesamten Lieferkette eingesetzt wird, um mehr Transparenz zu erhalten. Denken Sie an unser Zulieferergeschäft, in dem wir unseren Kunden intelligente, temperatur- und feuchtigkeitsmessende Verbrauchsmaterialien anbieten, und dann an die neuen angrenzenden Bereiche, in die wir investiert haben, wie z. B. maschinelles Sehen und stationäres industrielles Scannen in der Fertigung, denken Sie an Roboter, die mit Menschen zusammenarbeiten, um Aufträge in Lagern zu kommissionieren oder Waren zu bewegen. Das ist unser Portfolio für autonome Roboter durch die Übernahme von Fetch.

Und der letzte Bereich betrifft die Einzelhandelssoftware, die Nutzung der mobilen Geräte in den Händen der Mitarbeiter und die Möglichkeit, Aufgabenmanagement-, Workforce-Management- und Kollaborationssoftware einzusetzen. Wir setzen also unsere Strategie der Kernbereiche und dieser neuen Expansionsbereiche um. Und zu guter Letzt geht es um Talent und Kultur. Denn niemand von uns ist erfolgreich, wenn wir keine Teams haben. Wir stellen weiterhin die besten und klügsten Talente auf der ganzen Welt ein, sowohl aus der Innovationsperspektive als auch zur Unterstützung der Kunden.

 

Gibt es weitere neue Märkte, in denen sich Zebra künftig stärker engagieren wird?

Bill Burns: Ja, da ist zum Beispiel der Sektor öffentliche Sicherheit und Behörden, in dem wir heute einen geringeren Marktanteil haben, in dem aber unser Portfolio gut funktioniert. Ich würde sagen, dass das Gesundheitswesen ein weiterer Bereich ist, in dem elektronische Krankenakten heute als Aufzeichnungssysteme eingesetzt werden und nun die Eingabe von Daten in diese Systeme und die Idee der Verfolgung und Rückverfolgung von gesammelten Informationen eine Chance für Zebra darstellt. Das ist derzeit unser kleinster vertikaler Markt, aber es ist der am schnellsten wachsende. In bestimmten Märkten sehen wir die Möglichkeit einer geografischen Expansion, aber es geht auch um eine Vertiefung und Erweiterung unseres derzeitigen Kundenstamms. Unsere Hauptgeschäftsfelder sind also, wie ich bereits erwähnt habe, Einzelhandel und E-Commerce, an zweiter Stelle steht die Transportlogistik, an dritter das Gesundheitswesen, und dann bilden die öffentliche Sicherheit sowie Behörden einen weiteren Bereich, auf den wir uns konzentriert werden. Unsere Hauptgeschäftsfelder sind also, wie ich bereits erwähnt habe, Einzelhandel und E-Commerce, Produktion, Transport und Logistik, das Gesundheitswesen sowie der öffentliche Sektor.

 

Derzeit entsteht eine neue Welle an Herausforderungen im Hinblick auf IoT, KI, die Analyse und die Verarbeitung von Daten…

Bill Burns: …und so weiter. Ja, ich denke, dass viele Dinge heute noch keine digitale Stimme haben.  Wir haben noch einen langen Weg vor uns, um unsere Umwelt zu digitalisieren. Ein wesentlicher Teil davon dreht sich um die Analyse. Bei der KI geht es letztendlich auch um maschinelles Lernen. Denn der einfachste Weg, KI zu nutzen, besteht darin, das Training der Umgebung zu automatisieren und zu aktualisieren. Man muss zuerst die Basisdaten haben und in der Lage sein, einen Barcode zu lesen, einen RFID-Tag zu scannen und herauszufinden, wo sich der Arbeiter in der Umgebung befindet. Denken Sie dabei an die Zusammenarbeit von Arbeitern und Robotern bei der Kommissionierung von Bestellungen in einem E-Commerce-Lager. Man muss wissen, wo sich der Arbeiter befindet, man muss wissen, wo sich der Roboter befindet, und man muss den nächste Auftrag kennen, der kommissioniert werden muss. Das gilt es zusammenbringen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

Es gibt viele Möglichkeiten, die Digitalisierung der Umwelt auf automatisierte Weise fortzusetzen. RFID ist ein gutes Beispiel dafür. Wir sehen, dass die Zahl der Tags von 35 Milliarden auf 80 Milliarden steigt, die mit der RFID-Technologie verwendet werden, um in den nächsten Jahren die digitale Stimme zu nutzen. Dann geht es um die Erkennung, die Analyse und die Nutzung von KI bei der Analyse. Aber es gibt noch einen weiteren Punkt gibt, den ich kurz ansprechen möchte, nämlich die Idee, die Analysen mit der Ausführung zu verknüpfen. Da gibt es noch viel zu tun.

 

Sie wissen, dass es überall wachsende Besorgnis hinsichtlich der Datenerfassung und die Nutzung der Daten durch Unternehmen gibt. Was denken Sie also darüber?

Bill Burns: Wenn wir mit unseren Kunden arbeiten, sind deren Daten wirklich deren Daten. Wir verkaufen sie nicht weiter und wir greifen zum Beispiel für KI-Analysen auf externe Informationen aus der Umgebung zurück, also Wettervorhersagen, soziale Medien oder Trends, die wir etwa zum Zwecke der Planungsprognose für den Erwerb von Waren in einer Einzelhandelsumgebung anwenden.

 

Überall dort, wo Daten erfasst werden, stellt sich heute die Frage nach Cyber-Bedrohungen. Wie gehen Sie bei dem hohen Grad an Exposition, den Ihre Produkte haben, mit der Cybersicherheit um?

Bill Burns: Das ist eine wichtige Frage, die wir auf eine besondere Weise gelöst haben. Wir legen eine Sicherheitsschicht über unsere Geräte. Wir nennen das Mobility-DNA, oder Print-DNA, Scan-DNA. Dabei handelt es sich um eine Softwareschicht, die letztendlich die Sicherheit erhöht und unseren Kunden laufend Patches zur Verfügung stellt, die Dinge wie die Benutzerfreundlichkeit in der Umgebung, die Einrichtung spezieller Tastaturen und die Möglichkeit, sich bei WiFi anzumelden und die WiFi-Nutzung bei unseren Kunden zu verbessern, ermöglichen. Es handelt sich also um ein ganzes Softwarepaket, das es unseren Geräten ermöglicht, sich leichter in die Unternehmensumgebung einzufügen, viel einfacher als ein konventionelles mobiles Endgerät, weil wir die Sicherheit und die Kontrollen für die Unternehmens-IT überlagern. Und wir verlängern die Lebensdauer dieser Geräte viel länger als die eines Privatgeräts, um Patches und andere Sicherheitsmaßnahmen bereitstellen zu können. Wir legen also eine Softwareschicht auf alle unsere Geräte, um sicherzustellen, dass sie in der Umgebung sicher sind, und um letztendlich auch die Benutzerfreundlichkeit zu erhöhen. Zebra hat in der Vergangenheit bereits eine Reihe namhafter Unternehmen akquiriert. Dazu gehören Brands wie Motorola Solutions Enterprise Business, Reflexive Business, Adaptive Vision, Fetch Robotics, Antuit.ai und Matrox Imaging.

 

Welche Bedeutung haben derartige Investitionen für Ihr Unternehmen?

Bill Burns: Ja,das ist richtig. Aus der Venture-Perspektive betrachten wir die Kapitalallokation aus drei Perspektiven. Zum einen durch organische Investitionen, wie man es sich bei einem Technologieunternehmen vorstellen kann, sowie durch weitere Innovationen. Wir nutzen Venture-Capital sehr gerne, um Märkte zu verstehen, in die wir zunächst nicht bereit sind, entweder direkt durch organische Investitionen zu investieren oder Unternehmen durch M&A zu erwerben. In der Regel tätigen wir Venture-Investitionen, um zunächst zu lernen und festzustellen, ob diese Branche oder dieser Bereich aus technologischer Sicht für uns in Frage kommt. Im einem entsprechenden Fall haben wir zum Beispiel Fetch Robotics übernommen. Hier arbeiten tatsächlich schon Roboter und Menschen zusammen.

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