„No Risk, no Fun“ hat ausgedient

Sie verbreitet sich diese Woche wie ein Lauffeuer: Die Nachricht, dass die in Schieflage geratene Too-big-to-fail-Bank Credit Suisse gerettet ist – ausgerechnet durch die Rivalin UBS und das Eingreifen des Schweizer Staats. Ein unkontrollierter Absturz scheint damit vorerst abgewendet. Problem also gebannt? Nicht ganz. Am Tag nach der spektakulären Rettungsaktion zeigten sich Anlegende verunsichert, die Börsenkurse brachen ein und kurzzeitig tauchte sogar das Schreckgespenst einer neuen Bankenkrise auf. Kein Wunder: Schließlich machen die Abzockermentalität in der Führungsetage der Credit Suisse, Skandale um Geldwäsche, mögliche Korruptionsfälle und Missmanagement seit Jahren Schlagzeilen. Insbesondere im Zusammenhang mit Risikogeschäften rund um das Pleite gegangene britisch-australische Finanzinstitut Greensill Capital warf die Schweizer Finanzaufsicht dem Traditionshaus noch im Februar 2023 schlechtes Risikomanagement vor. Einige Analysen und Kommentare gingen sogar so weit und werteten es als Komplettversagen einer Bank, die nicht lernen will. Und das, obwohl der damalige Konzernchef Thomas Gottstein im Sommer vergangenen Jahres einen Kulturwandel ausrief und neue Leute für Risikomanagement und Compliance ins Boot holte.

Für Sandra Deichsel, Strategy Lead für Deutschland beim Project Management Institute (PMI) steht jedoch fest: Tabula rasa allein führt in Sachen Risikomanagement nicht zum Ziel. Im Gegenteil: In einer immer komplexer werdenden VUCA-Welt braucht es ganzheitliche Ansätze, die über den technischen oder den operativen Bereich hinausgehen und Bedrohungen von Prozessen, Leistungen oder Menschen einbeziehen.

„Eine Null-Risiko-Organisation oder ein Null-Risiko-Projekt wird es niemals geben. Das wäre auch nicht wünschenswert. Schließlich kann ein Risiko im Sinne eines ungewissen Ereignisses oder eines unsicheren Zustandes, auch positive Auswirkungen haben. Es geht vielmehr darum, potenziell negative Folgen von Überraschungsmomenten zu reduzieren. Das bedeutet proaktiv zu sein, sodass Teams auch dann vorankommen, sollte der schlimmste Fall eintreten. Dabei gilt es Prozesse zu verbessern, Lücken in Bewertungen aufzuzeigen und das gesamte Spektrum an Bedrohungen beispielsweise unter Einbeziehung der Kundschaft und anderen geschäftlichen Kontakten zu bewerten. Keine Frage: In Zeiten des Wandels globale Megatrends und unzählige Szenarien im In- und Ausland zu antizipieren, zu analysieren und zu bewerten, ist keine leichte Aufgabe. Zudem existieren Risiken, die schwer vorhersehbar sind. So wurde die Rückkehr zu einer „neuen Normalität“ nach COVID-19 durch den Ausbruch des Kriegs in der Ukraine unterbrochen und brachte eine Reihe neuer Krisen beispielsweise in der Lebensmittel- und Energieversorgung mit sich. Es gibt aber immer Möglichkeiten, auch solche Risiken zu minimieren. Hierzu ist es notwendig, bestehende Bemühungen zur Risikominderung durch eine unvoreingenommene Untersuchung der Datenlage sowie kreative Was-wäre-wenn-Analysen, Mind-Mapping oder Entscheidungsbäume zu vertiefen. Um sich bewusst zu machen, welche kaskadenartigen Auswirkungen potenziell unbekannte Risiken mit sich bringen, helfen außerdem KI und technische Hilfsmittel, um wiederholbare Modelle zu erstellen. Ziel sollte es dabei sein, ein Risikoregister als lebendiges Dokument anzulegen, das für alle Beteiligten leicht verständlich ist, Risiko mit Agilität vereint und alle ernst nehmen.  Denn eines steht absolut fest: Die nächste Krise wird kommen und nur wer solche Notfallpläne in der Schulblade hat, kann potenzielle Probleme erkennen, Erwartungen formulieren und falls erforderlich Alternativen finden, die unerwünschte Auswirkung abmildern, damit ein staatlicher Bail-out oder die Fusion mit der Konkurrenz nicht notwendig werden.“

Zur Person:

Sandra Deichsel, Strategy Lead für Deutschland beim Project Management Institute (PMI)

Sandra Deichsel ist Strategy Lead für Deutschland beim Project Management Institute (PMI). PMI ist der weltweit führende Berufsverband für Projektmanger:innen und vereint eine wachsende globale Gemeinschaft aus Millionen von Projektexpert:innen und Changemakern. Durch ihre langjährige Erfahrung als Projekt- und Programmmanagerin sowie Dozentin in diversen inner- und außereuropäischen Ländern weiß Sandra Deichsel, wie wichtig das projektbasierte Arbeiten im Team für Unternehmen und Organisationen ist. Hierbei steht für sie besonders die kontinuierliche Weiterentwicklung von Mitarbeitenden nach aktuellen Lehr- und Wissensstandards im Vordergrund.

 

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