Tipps zum Umgang mit Engpässen bei der Netzwerkausrüstung

Die Lieferzeiten der Hersteller aus dem Netzwerkbereich werden immer länger, und die Geduld der Kunden wird auf eine harte Probe gestellt. Aber es gibt etwas Licht am Ende des Tunnels und Möglichkeiten, wie man mit der beispiellosen Unterbrechung der Lieferkette umgehen kann.

In praktisch allen Netzwerkkategorien und Gerätetypen haben die Lieferengpässe inzwischen ein Rekordniveau erreicht. Die längsten Lieferzeiten haben inzwischen die größeren und komplexeren Geräte wie Rechenzentrums- und Core/Distribution-Switches sowie große WAN-Edge-Geräte, einschließlich Router und SD-WAN-Geräte.

Die Hauptursache für die Verknappung ist in der hohen Nachfrage nach Chips, die in praktisch allen Arten von Netzwerkgeräten verbaut werden, zu suchen. Der Mangel an diesen kritischen Komponenten, der durch die COVID-Pandemie und die sprunghaft gestiegene Nachfrage nach Netzwerkausrüstung verursacht wurde, zwingt Unternehmen weltweit dazu, ihre Pläne für die Aufrüstung und Erweiterung von Netzwerken zurückzuschrauben. Alle Arten von Netzwerkkomponenten sind davon betroffen: Campus, Rechenzentrum, LAN, Routing und Wireless.

Das Marktforschungsunternehmen Gartner meldete Mitte Januar, dass sich die Chipknappheit in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 abschwächen wird, wobei der weltweite Umsatz mit Halbleitern im Jahr 2022 voraussichtlich um 9,4 Prozent auf 638,6 Milliarden US-Dollar steigen wird.

Das ist natürlich eine gute Nachricht. Für die meisten Kunden von Netzwerkkomponenten erscheint die Wartezeit jedoch unendlich lang. Unter den derzeitigen Bedingungen müssen sich Unternehmen auf längere Vorlaufzeiten, höhere Preise und strengere Vertragsbedingungen im Handel einstellen.

Von der derzeitigen Chip-Knappheit ist zwar ein breites Spektrum an Kunden betroffen, doch besonders hart trifft dies Unternehmen, die neue Netzwerkstandorte aufbauen, sowie Organisationen, die die Wartung und Erneuerung von Geräten aufgeschoben haben, ein Just-in-Time-Liefermodell anwenden oder noch nicht auf ein Cloud-natives Modell umgestellt haben. Die Software hat den Unternehmen zwar die Möglichkeit gegeben, die Dienste, die in im Netzwerk laufen, mit einem hohen Maß an Flexibilität neu zu konfigurieren, aber wenn man physisch neue oder mehr Ports benötigt, ist man inzwischen sehr in der Klemme.

KMUs und Unternehmen, die kleinere Bestellungen aufgeben, müssen eher mit längeren Vorlaufzeiten rechnen als Großunternehmen. Die Hersteller verfolgen nicht unbedingt einem First-in-First-out-Modell für Aufträge, sondern konzentrieren sich eher auf die Erfüllung größerer Aufträge für strategischere Kunden.

 

Strategien gegen den Chip-Mangel

Natürlich gibt es nicht den einen besten Weg, wie ein Unternehmen mit Engpässen bei der Netzwerkausrüstung umgehen kann. Bei Vorlaufzeiten von 40 bis 60 Wochen für Komponenten muss jedes Unternehmen einen individuellen Weg zur Bewältigung des Mangels finden, oder vielleicht sogar mehrere Methoden, die funktionieren. Hierzu gehören:

  • Ändern der Netzplanung: Es gibt viele Möglichkeiten, ein Netz aufzubauen. Wenn Teile für den ursprünglichen Planungsentwurf nicht verfügbar sind, kann vielleicht ein anderer Ansatz unter Verwendung von Geräten, die sofort vorrätig sind, zu einem ähnlichen Ergebnis führen.
  • Verschieben der Realisierung: Während einige Um- bzw. Ausbauten im Netzwerk von grundlegender Bedeutung sind, wie beispielsweise die im Kern des Rechenzentrums, können andere getrost verschoben werden. In Situationen, in denen Kompromisse bei der Leistung oder den Funktionen inakzeptabel sind, kann ein Aufschub die einzige Option sein, so unangenehm das auch sein mag.
  • Nutzung von Sekundärmärkten: Einige Hersteller bieten entweder direkt oder über Partner generalüberholte Geräte an.
  • Erhöhen der genutzten Port-Dichte: Jeder Netzwerktechniker weiß, dass es in seinem Netzwerk ungenutzte Ports und nicht ausgelastete Verbindungen gibt. Diese ungenutzten Ressourcen weisen in der Regel eine Größenordnung von 10 bis 25 Prozent auf. Diese Schätze sollten in den derzeitigen Notzeiten gehoben werden.
  • Nutzen der Clouds: Öffentliche Cloud-Dienste können potenziell zumindest ein Minimum an brauchbaren Funktionen für neue oder wachsende Arbeitslasten bieten. Besser noch: Bis Netzwerkkomponenten wieder leicht verfügbar sind, macht es möglicherweise keinen Sinn mehr, mit die Onoremise-Lösungen auszubauen.
  • Wechsel des Anbieters. Es heißt zwar: „Never change a running system“ aber in Notzeiten ist ein Anbieterwechsel eine mögliche Lösung. Nicht alle Anbieter sind gleichermaßen von der Chip-Knappheit betroffen, so dass es sinnvoll sein kann, eine andere Lieferquelle zu suchen. Ein solcher Anbieterwechsel hat jedoch Auswirkungen auf die Kompatibilität, die Komplexität und den Support.
  • Whitebox-Alternativen. In den letzten Jahren hat das Interesse an Whitebox-Netzwerken zugenommen. Durch die Verwendung eines Linux-basierten Netzwerkbetriebssystems wird beispielsweise die Abhängigkeit zwischen Netzwerkfunktion und Hardwareanbieter aufgehoben. Dies ermöglicht es, die physische Hardware von einer Vielzahl von OEMs zu erwerben, und das zu wesentlich niedrigeren Kosten. Niedrigere Kosten gehen jedoch mit einer größeren technischen Verantwortung einher. Man muss sicherstellen, dass die IT-Mannschaft auf die neuen Herausforderungen vorbereitet ist und bereit ist, sich mit neuen Systemen auseinanderzusetzen.
  • Erhöhen der Ausgaben: Das Gesetz von Angebot und Nachfrage ist immer noch im Markt lebendig. Unternehmen, die bereit sind, transaktionsbezogen oder strategisch mehr Geld zu investieren, können davon ausgehen, dass diese mit dem Rückstand bei der Ausrüstung anders umgehen werden als diejenigen, die den Status quo vom vergangenen Jahr beibehalten.

 

Zukunftsaussichten

Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur

Der Bau von Fabrikationsanlagen dauert Jahre. Die von Intel angekündigten Neubauten von Fabriken werden voraussichtlich 2025 in Betrieb gehen. Daher ist keine schnelle Lösung in Sicht. Aus diesem Grund wird es auch weiterhin zu Lieferengpässen kommen. Kurz- bis mittelfristig – in sechs bis 24 Monaten – dürfte es keine nennenswerten Änderungen bei den Lieferzeiten für Geräte geben. Erst wenn sich die Chipversorgung im Laufe der Zeit verbessert und die Probleme in der Lieferkette gelöst werden, kann allmählich mit einer Reduzierung der langen Lieferzeiten gerechnet werden.

Von Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur