White-Box-Switches sorgen für Einsparungen, stellen beim Management und beim Support aber auch neue Hürden auf

Trotz der deutlichen Kostenvorteile haben White-Box-Switches, die mit unabhängigen Netzwerkbetriebssystemen (NOS) ausgestattet sind, im Netzwerkmarkt nur eine begrenzte Akzeptanz erfahren. Dies liegt am Fehlen eines klaren Marktführers, an erheblichen Herausforderungen bei der Implementierung und an Bedenken bezüglich Service und Support. Statt die Vorteile von White-Box-Switches zu nutzen, werden weiterhin die traditionellen, markengebundenen Ethernet-Switches eingesetzt.

Seit der Markteinführung von White-Box-Switches herrscht ein großes Unverständnis im Markt über diese Geräte und deren Einsatzgebiete. Ein typisches Missverständnis ist in der genutzten Software zu verorten, die die Nutzer einsetzen wollen. „Wir wollen uns die Box X besorgen und darauf die Software Y laden“. Dabei ist nicht klar, ob es sich bei Y um ein etabliertes Network-Operating-System (NOS) handelt oder um Fragmente einer Open-Source-Routing-Software. Die Bandbreite reicht vom Disaggregated-Network-Operating-System- (DANOS-)Projekt bis hin zu Stratum (einem Open-Source-Switch-Betriebssystem für Software-Defined-Networks. Bei manchen Lösungen handelt es sich auch um keine richtige NOS-Lösung – sondern nur um eine Zusatzsoftware wie beispielsweise ONIE. ONIE ist eine Open-Compute-Project-Open-Source-Initiative von Cumulus Networks, die eine offene „Installationsumgebung“ für Bare-Metal-Netzwerk-Switches definiert. Installiert man ONIE allein auf einem Switch erhält man eine Box, die nur über ihren Lüftern Lärm macht, aber keine Paketverarbeitung bereitstellt.

Kein Wunder, denn bei all dem Gerede über offene Netzwerkhardware, Open-Source-NOS und Disaggregation fällt es nicht immer einfach, eine Verbindung zu White-Box-Servern herzustellen. White-Box-Server gehören heute zu den klassischen Rechnerkomponenten. Mann beschafft sich eine solche Hardwareplattform und seine Lieblings-Linux-Distribution und installiert anschließend alle notwendigen Anwendungen darauf – und schon kann es losgehen.

 

Probleme der White-Box-Switches

Bei den White-Box-Switches gibt es ein Problem: die White-Box-Switches funktionieren nicht so einfach wie White-Box-Server! Um zu verstehen warum, müssen wir verstehen – was ist ein White-Box-Switch ist.

Die White-Box-Switches entkoppeln die physische Hardware eines Netzwerk-Switches von der Software-Komponente. Diese wird als Netzwerk-Betriebssystem (Network-Operating-System, kurz NOS) bezeichnet. Das White-Box-Switching ist deshalb auch als Open-Networking bekannt. Die Idee dahinter ist, dass sich Unternehmen einen Switch nach Wahl kaufen und auf diesem das bevorzugte NOS einsetzen. Die Administratoren ist diese Flexibilität bereits von den Servern her bekannt. Bei den Netzwerken haben es die Hersteller bislang geschafft, ihre Software eng mit der eigenen Hardware zu koppeln. Die enge Verzahnung der Netzwerkkomponenten mit der Software eines Herstellers führte zu einer Kundenbindung und erlaubte den Herstellern eine Berechnung höherer Preise. Meist ist die Bedienung, die Konfiguration und das Management an spezielle Eingaben und die Syntax eines Herstellers gebunden. Bisher hat es der Netzwerkmarkt noch nicht geschafft, die Netzwerkkonfiguration zu einer allgemeinen und plattformunabhängigen Aufgabe zu machen. Diese Kundenbindung wurde meist durch extrem teure, herstellerspezifische Zertifizierungsprogramme zementiert. Viele IT-Abteilungen störten sich an dieser Abhängigkeit und hatten das Gefühl, dass ihnen für die gelieferte Hardware zu viel Geld berechnet wird. Bei genauerer Betrachtung des Netzwerksmarkts sticht die Tatsache ins Auge, dass viele Netzwerk-Switche auf der gleichen Hardware aufbauen. Die meisten Anbieter im Netzwerkbereich haben inzwischen das Design der von ihnen verbauten Chips und in vielen Fällen auch die gesamte Produktion an Dritte ausgelagert. Inzwischen findet man die bekannten Netzwerk-Chipsätze Trident II, Trident II Plus und Tomahawk sowohl in den Produkten der bekannten Hersteller als auch in White-Box-Switches. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Performance der jeweiligen Produkte exakt gleich ist. Natürlich stellt sich der Administrator die Frage, warum er mehr Geld für ein Produkt eines bekannten Herstellers ausgeben soll, wenn die internen Komponenten identisch zu denen von Konkurrenzprodukten sind?

Auf Basis von White-Box-Switches haben die Unternehmen die Möglichkeit, das Network-Operating-System nach Belieben zu tauschen, ohne neue Hardware kaufen zu müssen. Außerdem lassen sich auf den gleichen Geräten die Funktionalität auf den Layern 2 und 3 individuell aktivieren.

Die White-Box-Lösungen werden inzwischen bereits weltweit erfolgreich in den Rechenzentren der von Cloud-Anbietern wie Google, Facebook und Microsoft eingesetzt. Auf den oben erwähnten Broadcom-Chips bieten inzwischen die folgenden Hersteller White-Box-Netzwerkhardware an: Accton, DELL, Celestica, Edgecore, Foxconn, Lanner und Quanta. Zu den Anbietern von Netzwerkbetriebssystemen für White-Box-Hardware gehören Arrcus, Kaloom, Cumulus, Big Switch, Pica 8, Pluribus und Snaproute. Zu den Open-Source-NOS-Optionen gehören FBOSS (von Facebook und OCP) und Sonic (von Microsoft).

 

Vorteile von White-Box-Switches

Der wesentliche Vorteil von White-Box-Switches sind die geringeren Anschaffungskosten. Diese können bis zu 50 Prozent niedriger sein als die von Arista, Cisco, Extreme Networks, HPE oder Juniper angebotenen Marken-Switches und Router.  Weitere Vorteile sind die offenen Application-Programming-Interfaces (APIs) der Network-Operating-Systeme, die eine individuelle Anpassung von Switch-Implementierungen für die ausgewählte Gruppe von Kunden ermöglichen, die an dieser Funktion interessiert sind. Im Vergleich zu den Marken-Switches bietet die die White-Box-Vernetzung weitere  Vorteile:

  • Einfache Bereitstellung.
  • Verbessertes Netzwerkmanagement.
  • Optimierte Automatisierung.
  • Offene APIs und Links zu gängigen DevOps-Tools, die eine individuelle Anpassung der Geräte an die Erfordernisse ermöglichen.

Auch die klassische Unternehmens-IT kann von den zusätzlichen NOS-Funktionen profitieren, wenn White-Box-Lösungen und traditionelle Ethernet-Switches mit ihren sehr unterschiedlichen Managementschnittstellen kombiniert werden.

 

Einsatzgebiete und Anwendungsfälle von White-Box-Switches

Die Unternehmens-IT sollten den Einsatz von White-Box-Switches anhand ihrer spezifischen Anwendungsfälle beurteilen. Dabei sollten die Auswirkungen auf die IT-Mitarbeiter bei der Bereitstellung von Services, dem Support und des Monitorings der Systeme berücksichtigt werden.

Die White-Box-Switches Komponenten lassen sich in folgenden Bereichen einsetzen:

  • Rechenzentren: Heute werden White-Box-Switches hauptsächlich bei der Vernetzung von Rechenzentren genutzt. Hier profitieren die Unternehmen von den niedrigeren Kosten der Geräte, insbesondere wenn im Rechenzentrum die Geschwindigkeit und Kapazität der Netzwerke von 10 GBit/s auf 100 GBit/s und mehr erhöht werden soll.
  • Campus: Typischerweise  sind in den Unternehmen im Campus-Bereich die höchsten Investitionen notwendig. Hauptsächlich wird in diesen Bereich in Ethernet-Switches und Ethernet-Routern investiert. White-Box-Switches bieten insbesondere bei der Erschließung neuer Produktionsstandorte oder neuer Büroumgebungen erhebliche Leistungssteigerungen und gleichzeitig geringere. Im Moment werden die White-Boxen-Lösungen in Campus-Bereichen nur begrenzt genutzt. Die Marktanalysten prognostizieren für den Campus-Bereich allerdings starke Wachstumschancen.
  • Niederlassungen: Auf die Niederlassung entfallen naturgemäß die kleinsten Teile der IT-Ausgaben. Der Mangel an geschultem IT-Personal schränkt die Einführung moderner IT-Technologie in der Filiale ein. Aus diesem Grund findet man bis heute keine Anbieter für White-Box-Lösungen für diesen Einsatzbereich. Zukünftig werden die White-Box-Switches sicher als Teil einer umfassenderen SD-Branchenlösung auch dort eingesetzt .

Management, Support und Integration

Die Bereitstellung von White-Box-Switches in Projekten, die auf der grünen Wiese entstehen, ist relativ einfach. Jedes NOS hat seine eigene Verwaltungsoberfläche, die sich in vielen Fällen deutlich vom traditionellen CLI-Management von Marken-Switches unterscheidet. Aus diesem Grund sollten die IT-Abteilungen in den Unternehmen die Verwaltungs- und Automatisierungsfunktionen für die eventuell einzusetzenden NOS-Lösung sorgfältig prüfen. Die Herausforderungen für Unternehmen, die unterschiedliche Switches mit jeweils einem eigenen Betriebssystem verwalten, werden zukünftig zunehmen. So kann beispielsweise die Einführung von White-Box-Switches in einer Umgebung mit klassischen Cisco-Switches durch die Nutzung von zwei sehr unterschiedlichen Betriebsumgebungen ziemlich komplex werden. In einem solchen Fall sollte man das Projekt klein anfangen und mit ausführlichen Tests die entsprechende Einsatzreife festgestellt werden. In einer Testumgebung lassen sich die geplanten Switches, die Hardware und Leistungsmerkmale der Software genau unter die Lupe nehmen. Das gilt auch für die Prozesse beim Provisioning, den Möglichkeiten für das Management und die Integration in die existierende Netzwerke. Erst nach Abschluss dieser Tests sollten wenige Switches in die produktive Umgebung integriert werden. Am besten fängt man mit einer solchen Migration in Bereichen an, in denen das Risiko sehr gering ist. Man sollte auch nicht vergessen, dass die White-Box-Switches in die Sicherheitssysteme integriert werden müssen.

In vielen Unternehmen wird bei der ersten Implementierung und Integration von White-Box-Switches auf erfahrene Vertriebspartner zugegriffen. Diese bieten neben dem Know-how der Lösungen auch einen rund um die Uhr Service und Support, welcher entscheidend für einen ununterbrochenen Betrieb ist.

 

Fazit

Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur

Die Vernetzung mit White-Box-Switches sorgt für mehr Offenheit beim Aufbau der Netzwerke. Diese Komponenten bieten nicht nur eine Kostenreduzierung im CAPEX-, sondern auch im OPEX-Bereich. Mit White-Box-Switches wird die Verwaltung der Netzwerke vereinfacht und die Abhängigkeit von einem Lösungsanbieter reduziert. Ein Versuch lohnt sich sicher!

Von Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur