Netzwerke die nur „OK“ sind, sind nicht in Ordnung

Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur

Der Mensch ist ein analoges Wesen. Das Analoge – also alles, was sich nicht in Nullen und Einsen zerlegen und als Binärcode darstellen, speichern und weiterverarbeiten lässt – gilt längst als gestrig, veraltet und überholt. Aus diesem Grund sollte ein „nur OK“ für den Netzbetrieb nicht akzeptabel sein.

Denkt man über die Probleme nach, mit  denen Unternehmen – insbesondere IT-Teams – heute zu kämpfen haben, dann ist es unverständlich, dass OK inzwischen Standard ist, an dem sich etwas im Unternehmen messen lässt. OK-Erwartungen führen zu mittelmäßigen Ergebnissen. Da die heutigen IT-Umgebungen und -Infrastrukturen jedoch immer komplexer und schwieriger zu verwalten sind, haben viele IT-Experten eine geradezu OK-Mentalität entwickelt, bei der ein Tag, an dem das Netzwerk einfach am Laufen gehalten wird, für gut befunden wird.

Als IT-Leiter ist das Letzte, was man von seinem IT-Team hören will, dass die eingesetzte Methodik für das Management kritischer Bereiche des Netzwerks in Ordnung (OK) ist. Aber genau das ist heute in vielen Unternehmen der Fall. Netzwerke sind heute geschäftskritisch; nur ein Ausfall kann sich erheblich auf das Geschäftsergebnis auswirken. Bereits 2014 berichtete Gartner, dass die durchschnittlichen Kosten für Netzwerkausfallzeiten bei etwa 5.000 US-Dollar pro Minute lagen. Seitdem sind die Kosten stark angestiegen und somit auch die Kosten für Ausfallzeiten nach oben geschnellt.

OK-Fehlerbehebung?

Die Netzwerker müssen mit dem Zeit- und Kostendruck der Unternehmen umgehen und die Netzwerke immer funktionsfähig halten. Durchschnittlich verbringt ein Netzwerker drei Viertel seiner Zeit damit die aktuellen Probleme zu lösen. Laut einer Untersuchung von Enterprise Management Associates (EMA) widmet sich ein Netzwerker etwa 35 Prozent eines Arbeitstages der Bekämpfung von Problemen oder der reaktiven Fehlerbehebung. Aus diesem Grund verbleibt nur ein geringer Teil des Arbeitstags für die Verwirklichung strategischer Projekte übrig.

Der hohe Anteil an der Arbeitszeit, der zur Behebung von Netzwerkproblemen benötigt wird, ist darauf zurückzuführen, dass es sich bei diesen Tätigkeiten um sehr manuelle Prozesse handelt. Der Troubleshooter hüpft zwischen den unterschiedlichen Befehlszeilen und Schnittstellen herum und nutzt gleichzeitig unterschiedliche Tools und Konsolen. Schlimmer noch, oft sind Netzwerkprobleme nicht einfach zu reproduzieren, so dass es fast unmöglich ist, die Ursache eines Netzwerkausfalls zu finden. Die Lösung für diese Art der „OK“-Fehlerbehebung besteht darin, dass die Netzwerker endlich in die Lage versetzt werden, eine Echtzeit-Transparenz und eine Automatisierung bei der Fehlerbehebung einzurichten. Dadurch werden die manuellen Arbeitsprozesse optimiert und die durchschnittlichen Reparaturzeiten (MTTR) reduziert.

OK-Toolkits?

Wie das Beispiel zur Fehlerbehebung zeigt, sind traditionelle Fehlerbehebungsmethoden im Bereich der Netzwerke mit zunehmendem Wachstum und zunehmender Komplexität nicht mehr in OK.

Darüber hinaus erschwert die Fülle neuer Trends und Technologien wie beispielsweise softwaredefinierte Netze (SDN), DevOps und Intent-based Networking die heutigen Netzwerke noch weiter. Infolgedessen beschaffen viele Unternehmen eine ganze Reihe von Netzwerkmanagement- und Troubleshooting-Tools und versuchen damit den täglichen IT-Betrieb zu bewältigen. Tatsächlich belegt die EMA-Studie (Network Management Megatrends 2018: Exploring NetSecOps Convergence, Network Automation, and Cloud Networking), dass 27 Prozent der Unternehmen mehr als 10 unterschiedliche Tools einsetzen. Das ist unglaublich teuer und ineffizient – oder, mit anderen Worten, einfach OK.

Zu viele Tools, die sich oft in ihren Funktionen und den bereitgestellten Informationen überschneiden, erschweren die Handhabung und sind in der Praxis oft verwirrend. Es gilt auch hier die Erkenntnis: Mehr Tools erfordern mehr Schulung und Fachwissen. IT-Verantwortliche, die das Beste aus ihren Technologieinvestitionen herausholen wollen, sollten die Netzautomatisierung auf alle manuellen Prozesse anwenden und eine vollständige Netzwerktransparenz anstreben. Die Automatisierung ermöglicht heute die flexible Anpassung der Troubleshooting- und Analysefunktionen an die vorhandenen Netzwerk, die IT-Tools und das Know-how des IT-Teams.

OK-Zusammenarbeit

Ein weiteres Problem, das wir aus Gewohnheit akzeptiert haben, ist die mangelnde Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen IT-Teams. Stößt sich der Benutzer an einer langsamen Anwendung, dann lautet die typische erste Antwort: „Es muss am Netzwerk liegen!“ Ob Anwendungs-, Rechner- oder Sicherheitsteams, es wird immer zuerst auf das Netzwerk als Ursache getippt. Dies ist eine direkte Folge von den Scheuklappen und der fehlenden Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen IT-Disziplinen und dokumentieren das Fehlen von Prozessen und Systemen, die die Zusammenarbeit fördern.

Künstliche Intelligenz?

Ist der Schlüssel zu einer goldenen Zukunft die künstliche Intelligenz? Sagen wir einmal so: Man entkommt ihr nicht, auch wenn man sich jedem Nachsinnen über diese Fragestellungen verweigert. Aber noch leistet jedes Spatzenhirn mehr als künstliche Intelligenz, jeder Schalterbeamte ist flexibler als ein Fahrkartenautomat, jede App ist nur ein Puzzlestein der eigenen Bequemlichkeit. Und Roboter sind, wenn wir nicht in die Fabrikhallen hineinsehen oder selbstfahrende Staubsauger als solche bezeichnen wollen, meist nur exotische Ausstellungsstücke und putzige Showattraktionen.

Momentan verbessert nur die Automatisierung die übergreifende Zusammenarbeit zwischen den IT-Teams, indem sie eine gemeinsame Sichtbarkeit zur Verbesserung der Fehlerbehebung und der Sicherheit bereitstellt. Darüber hinaus können die Best-Practices zwischen den Teams geteilt werden. Dadurch gewinnen alle an den IT-Prozessen beteiligten Parteien und wachsen über das reine „OK“ hinaus.

Fazit

Da Unternehmen zunehmend auf das korrekte Funktionieren ihrer Technologien angewiesen sind und diese von Tag zu Tag komplexer werden, ist die Automatisierung eher eine Notwendigkeit als ein Spielzeug. Durch die Automatisierung wird sichergestellt, dass das Netzwerk besser als OK  funktioniert, die MTTR reduziert, die Zusammenarbeit zwischen den Teams fördert und das Beste aus den vorhandenen Technologieinvestitionen herausgeholt wird.