Die Frequenzvergabe für 5G steht an. Telekommunikationsanbieter sollten sich neben der Lizenzfrage auch mit der optimalen Vermarktungsstrategie auseinandersetzen. Alternative Preismodelle werden benötigt. Ein Expertenkommentar von Dr. Ekkehard Stadie, Senior Partner und Global Head of Telecommunications, und Dr. Kajetan Zwirglmaier, Partner, beide bei der globalen Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners.
Glasfaser und 5G sind die beiden Schlüsseltechnologien für eine digital vernetzte Industrie und digitales Leben. Für Telekommunikationsanbieter drängt insbesondere bei 5G die Zeit. Die Frequenzvergabe steht an. Die Politik steckt allerdings momentan in einer Zwickmühle: Entweder sie schützt die Interessen der drei bestehenden Netzbetreiber oder sie intensiviert den Wettbewerb durch die Zulassung neuer Anbieter, die keine 4G-Infrastruktur besitzen, und auf die Vorleistung der etablierten Anbieter angewiesen sind. Die Politik ist hier gefordert, eine weitsichtige Entscheidung zur Frequenzvergabe zu treffen. Sie hat sich aber durch die Fokussierung auf ein Modell selbst in ein Dilemma gebracht. Momentan scheint es so, dass aufgrund des engen Zeithorizonts nur noch Parameter variiert werden können. Aus der Beobachterrolle fragt man sich, warum nicht andere Vergabemodelle diskutiert wurden. Was spricht z.B. gegen ein kooperatives Investitionsmodell? Dahinter steckt Folgendes:
Ko-Investitionsmodell als faire Lösung
In einem Ko-Investitionsmodell investieren alle Unternehmen, die an der Vermarktung von 5G-Diensten an Geschäfts- und Privatkunden interessiert sind, in eine gemeinsame private Netzgesellschaft. Diese Netzgesellschaft baut ein gemeinsames Netz, ähnlich den Übertragungsnetzen für Strom – nennen wir es 5G-Deutschlandnetz. Unternehmen, die bereits ein 4G-Netz betreiben, nutzen dieses weiter. Deren Kunden können aber in das 5G-Deutschlandnetz „roamen“.
Für die Nutzung des 5G-Deutschlandnetzes sollte es möglich sein, eine für vergleichbare Infrastrukturinvestitionen (Straßen, Flughäfen, Stromtrassen) übliche einstellige Kapitalrendite zu erwirtschaften. D.h., die Gesellschafter, die gleichzeitig Kunden sind, zahlen marktübliche Preise für die 5G-Netzdienstleistung. Hier sollte zwingend eine Preisdifferenzierung vorgenommen werden. Denkbar sind z.B. niedrigere Zahlen pro Einheit, wenn mehr Kapazität abgenommen wird, mehr Kapital zur Verfügung gestellt wurde oder bereits vorab in ein 4G-Netz investiert wurde. Eine solche Lösung wäre fairer für Incumbents und Neueinsteiger, sie würde die volkswirtschaftlich notwendige Kapitalinvestition um ca. 50 Prozent reduzieren und v.a. eine schnellere und flächendeckendere Versorgung sicherstellen. Sie würde helfen, ein Industrie-Kernland und Powerhouse wie Deutschland im wahrsten Sinne des Wortes auf die digitale Autobahn zu bringen. Das ist die notwendige Voraussetzung, um über Dienste wie autonom fliegende Flugtaxis und andere Zukunftsvisionen nachzudenken. Ohne Infrastruktur kein Nutzen der Digitalisierung.
Richtige Vermarktung und Monetarisierung von 5G
Neben der Frage der Lizenzvergabe und des Infrastrukturaufbaus ist eine erfolgreiche Vermarktung von 5G für den Standort Deutschland sowie die Telekommunikationsanbieter überlebenswichtig. Monetarisierungsfehler aus der Vergangenheit, z.B. bei der Einführung von 4G, würden der zukünftigen Investitionstätigkeit der Telekommunikationsanbieter und damit langfristig auch dem Standort Deutschland schaden. Unsere Hochrechnungen kommen zu dem Schluss, dass die Erlöse für ein genutztes Gigabyte im 5G-Netz zwischen dem Zwei- bis Vierfachen der Erlöse pro Gigabyte im 4G-Netz liegen müssten, damit die EBIT-Marge konstant bleibt. Dabei sind bereits die geschätzten Investitionskosten von ca. 20 Milliarden Euro für eine 90-prozentige Abdeckung der Haushalte, ein Anstieg der Datennutzung von 50 Prozent im Vergleich zu 4G sowie eine weiterhin kontinuierliche Zunahme der Datennutzung bei gleichzeitig sinkenden 4G-Preisen pro Gigabyte berücksichtigt.
5G als Premiumservice
Vergleicht man dies mit den heutigen 4G-Preisen, wird klar, dass 5G als eigenständiger Premiumservice vermarktet werden muss. Dafür sprechen folgende Argumente: Im Consumer-Bereich wird es zunächst nur wenige Anwendungen geben, die technisch exklusiv 5G benötigen. Ein Privatkunde, der bewusst 5G kauft, handelt aus psychologisch anderen Kaufmotiven, wie z.B. dem Status, und ist damit vergleichbar zu Käufern von Premium- und Statusprodukten im Auto- und Fashion-Bereich. Beispiele hierfür sind der Kauf einer Prada-Handtasche, eines Montblanc-Schreibgerätes oder aber auch der kontinuierliche Wechsel auf das jeweils neueste iPhone. Kunden mit diesen Motiven haben auch höhere Zahlungsbereitschaften für 5G-Produkte mit den beschriebenen höheren Gestehungskosten. Im Geschäftskundenbereich verhält es sich differenzierter: Für die reine Kommunikation wird 5G nur in Ausnahmefällen zwingend nötig sein. Existenziell wichtig ist 5G für bestimmte Anwendungen, wie Maschinensteuerung, Telemedizin oder auch autonomes Fahren. Bei letzten beiden nicht nur technisch, sondern auch psychologisch. Entscheidend für eine erfolgreiche Vermarktung von 5G sind damit aus unserer Sicht vier Elemente:
- Schon jetzt: Entwicklung einer konsistenten Produkt- und Preisstrategie für die wichtigste Innovation der nächsten zehn Jahre.
- Etablierung alternativer oder gegebenenfalls nach Segmenten differenzierter Preismodelle und Abschied vom seit 20 Jahren etablierten Preis/MB-Modell.
- Innovationen in der Vermarktung und der Monetarisierung: Vermittlung des Mehrwerts von 5G.
- Entwicklung neuer Vertriebsansätze und Unterstützung des Vertriebs durch entsprechende Angebots- und Pricing-Instrumente.
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