Die digitale Transformation muss gemanagt werden

the-eleventh-hour-1156776_1920Es gibt momentan sehr viele Studien, die sich mit dem Thema Industrie 4.0 auseinandersetzen – dabei wird auch viel Widersprüchliches präsentiert. Einige Experten gehen davon aus, dass die Industrie auf einem guten Weg ist, andere wiederum malen hier eher ein negatives Bild. Doch wie hilfreich sind diese generellen Aussagen tatsächlich für den einzelnen Unternehmer? Ist es nicht vielleicht effizienter, positive Beispiele aus der Praxis zum Vorbild zu nehmen? Diese gibt es zur Genüge – „bei meinen Recherchen bin ich auf etliche Unternehmen gestoßen, die bereits gestartet sind und mit intelligenten Ansätzen ‚Industrie 4.0’ umsetzen“.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Industrie 4.0 im Mittelstand praktisch gestalten“ von Ulla Coester, Diplom-Kauffrau (FH).

Change-Management 4.0

Change-Management ist kein neues Thema. Bereits vor über 80 Jahren wurden Untersuchungen mit dem Ziel durchgeführt, die Wandlungs- und Leistungsfähigkeit von Organisationen zu erforschen. Heute ist die Notwendigkeit von Change-Management allgemein akzeptiert und ergibt sich daraus, dass Mitarbeiter kontinuierlich in einem Spannungsfeld von Veränderungsbedarf, -bereitschaft und -fähigkeit stehen. Im Gegensatz zu den daraus resultierenden Anforderungen zeigt die Erfahrung jedoch, dass Mitarbeiter einem Umbruch im Geschäftsbetrieb erst einmal eher skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen. Motiviert durch ein Sicherheitsbedürfnis und die Suche nach Ruhe und Stabilität (Maslow), vertraut der Einzelne darauf, dass sich ein Kollege damit auseinandersetzt und hofft gleichzeitig insgeheim, dass er letztendlich davon nicht tangiert wird. Es gibt zwar jene Mitarbeiter, die eine Veränderung als persönliche Chance für ihre Weiterentwicklung im Unternehmen sehen und dieser positiv begegnen (early adopter/Missionare). Doch das muss für Unternehmen nicht unmittelbar von Vorteil sein, weil dies wiederum bei den Veränderungsunwilligen – aus Angst überholt zu werden – Widerstände hervorruft.

Nach Ansicht von Klaus Doppler, einem der führenden Organisationsberater, lassen sich zwei relevante Treiber für Veränderungen ausmachen: Lust und Angst. Erstere kann motivieren, wenn die Veränderung des Status Quo in der Wahrnehmung des Mitarbeiters einen positiven Effekt für die tägliche Arbeit hat. Aber auch Angst ist geeignet, Mitarbeiter zu mehr Leistung anzuspornen. Hierbei differenziert Doppler: in eine latente Angst, die keiner konkreten Bedrohung entspringt und jene, die aufgrund reeller Situationen entsteht, etwa Arbeitsplatzverlust bedingt durch eine innerbetriebliche Umstrukturierung.

Zukünftig: Change-Management im Zeichen der Digitalisierung

Bedingt durch die digitale Transformation hat die Veränderungsgeschwindigkeit in den vergangenen Jahren rasant zugenommen. Aufgrund dessen stehen die Unternehmen vor neuen Herausforderungen: einerseits die technischen Möglichkeiten adäquat zu nutzen und anderseits dem daraus resultierenden veränderten Kundenverhalten – sowohl B2B als auch B2C – gerecht zu werden.

Konkret bedeutet dies zum Beispiel, dass Kunden für ihre Recherche zu Produkten und Dienstleistungen auf unterschiedliche Informationsquellen und -medien zurückgreifen und zudem für die weiterführende Interaktion unterschiedliche Kommunikationskanäle nutzen. Dieses heterogene Käuferverhalten stellt die hier Verantwortlichen vor eine schwierige Aufgabe – sie müssen unmittelbar einen einheitlichen Informationsstand aller Mitarbeiter sicherzustellen, damit jeder Kunde ohne Zeitverzug korrekt betreut wird. Damit einhergehen kann daneben auch, dass interne Prozesse angepasst werden müssen und sich daraus Veränderungen im Hinblick auf Zuständigkeiten ergeben. Für Mitarbeiter bedeutet dies ganz konkret, die Einarbeitung in ein neues Aufgabengebiet, den Verlust der gewohnten Arbeitsumgebung sowie möglicherweise – als Resultat fehlender Fachkompetenz – sogar weniger Führungsverantwortung.

Neben der technologischen sowie organisatorischen Umstrukturierung bedarf es nach Ansicht von Robert Asal, Manager Consulting bei der Maihiro GmbH, auch eines Umdenkungsprozesses bezüglich der Kunden. Denn diese könnten über soziale Medien jederzeit ihre Meinung kundtun und erhielten darüber „viel mehr ‚Marktmacht’ gegenüber den Unternehmen“. Von daher gewinne der Service zunehmend an Bedeutung. Auch unter diesem Aspekt sieht Asal einen großen Bedarf bezüglich Change-Management. Sein Fazit hier: Die Mitarbeiter müssen sich an diese Veränderungen stärker denn je anpassen und somit bestätigt sich Heraklits Aussage, dass die einzige Konstante im Universum die stete Veränderung sein.

In der Praxis: Wie kann Change-Management konkret unterstützen

Die Ausgangslage: Um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, müssen Unternehmen zum Teil eine komplett neue Marken- und Preisstrategie entwickeln und sich demzufolge auch anders im Markt positionieren. Im Rahmen der Neu-Ausrichtung wird es oftmals notwendig, die Abläufe innerhalb der Organisation, zum Beispiel im Einkauf oder in der Produktion anzupassen.

Die Notwendigkeit: Für die erfolgreiche Umsetzung einer Neu-Positionierung ist es zwingend notwendig, dass Veränderungen von der gesamten Belegschaft mitgetragen werden. Konsequenterweise muss in diesem Kontext das oberste Ziel des Managements lauten, allen Mitarbeiter die Notwendigkeit des Wandels zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit transparent zu machen. Zu diesem Zwecke sind, nach Ansicht von Robert Asal, Workshops als probates Mittel gut geeignet. Positive Erfahrungen hat er beispielsweise mit der Workshop-Reihe „Zukunftswerkstatt“ gemacht. Diese ist so konzipiert, dass heterogene Mitarbeitergruppen – von der Verwaltung über Produktion und Vertrieb bis hin zum Marketing – im Kontext dieser Fragestellung zusammen arbeiten können, am besten jeweils in anderthalbtägigen Workshops. Allerdings, so empfiehlt Asal, „sollte die Teilnahme an dem Workshop freiwillig sein“.

Neben Präsentationen und Elementen zum Teambuildung sollte es im Rahmen eines Workshops den Mitarbeiter auch möglich sein, in Break-out-Sessions ihre ganz persönlichen Fragen zu stellen sowie zu bearbeiten. Im konkreten Fall, so Asal standen dabei Fragestellungen im Vordergrund wie etwa „Welche Chancen sehen wir in der Veränderung?“, „Welche Risiken sehen wir?“, „Was brauchen wir, um gut arbeiten zu können?“ oder „Welchen Beitrag können wir leisten, um die Neupositionierung erfolgreich zu bewältigen?“. Zum Abschluss der Workshop-Reihe, die insgesamt über sechs Monate lief, wurden auf Basis der Gruppenergebnisse mit allen beteiligten Mitarbeitern im Plenum konkrete Maßnahmen erarbeitet. Das Fazit aus solch einer Workshop-Reihe ist, dass einerseits die Unternehmensleitung die Bedürfnisse ihrer Belegschaft besser kennt und entsprechend darauf eingehen kann sowie andererseits die Angestellten sich gut Informiert fühlen.

Tipp: Wie kann Change-Management sinnvoll in den Transformationsprozess integriert werden?

Wichtig ist laut Robert Asal, Change-Management als kontinuierlichen Prozess anzusehen, aber „selbstverständlich in einer angemessenen Intensität, ohne dass dadurch der allgemeine Betriebsablauf behindert wird“. Die Notwendigkeit des Change-Management sieht er als logische Konsequenz zur omnipräsenten Veränderungsgeschwindigkeit die aus der digitalen Transformation resultiert. Um die Mitarbeiter bei den erforderlichen Veränderungsprozessen adäquat zu unterstützen sind Workshops die beste Methode, da die Kommunikation zielgerichtet erfolgen kann – so lässt sich unter anderem der konkreten Nutzen vermitteln sowie beispielsweise klären, was nach der Veränderung anders ist und welche Vorteile dem Mitarbeiter daraus entstehen.

Ebenso erhält die Geschäftsleitung darüber eine unmittelbare Rückmeldung, ob die referierten Inhalte auch „richtig angekommen sind“. Diese direkte Rückkoppelung ist ein wichtiger Bestandteil innerhalb des Prozesses, weil so Unklarheiten bezüglich neuer Sachverhalte erkannt und dann sofort beseitigt werden können. „Diese Vorgehensweise ist hervorragend dazu geeignet, die Unsicherheit der Kollegen auszuräumen und dadurch letztendlich dem Entstehen von ‚Flurfunk’ vorzubeugen“, so das Resümee von Robert Asal.

Ulla Coester, Autorin und freie Journalistin
Ulla Coester, Autorin und freie Journalistin

Das vollständige E-Book kann unter folgender Adresse heruntergeladen werden: http://xethix.com/wp-content/uploads/2010/04/eBook-Industrie-40-im-Mittelstand-praktisch-gestalten3.pdf