Kundenerfahrung ist kein greifbarer Parameter

Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur
Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur

Kundenerfahrung ist kein greifbarer Parameter, den man in einer Metrik erfassen kann. Aber was soll man dann messen?

Der Begriff der „Kundenerfahrung“ gehört derzeit zu den heißesten Begriffen des Marketings. Inzwischen wird dieser Begriff auch in den Führungsetagen der Unternehmen genutzt und kommt bei allen Gespräche über die Vermarktung oder die Produktentwicklung auf den Tisch.

Aber was ist Kundenerfahrung, wirklich? Das Wirtschaftswiki der FH-Aachen definiert diesen Begriff wie folgt:

  • Bei der engeren Betrachtung umfasst dieser Begriff sämtliche Erfahrungen, Erlebnisse und Informationen, die ein Kunde mit der Marke, dem Unternehmen, seinen Repräsentanten, seiner Kommunikation und seinen Angeboten gesammelt hat. Darauf basierend lassen sich Kundengruppen oder Kundensegmente definieren. Diese bilden die Basis für ein jeweils spezifisch angepasstes Marketing-Mix.
  • Im weiteren Sinne gehen alle Lebenserfahrungen eines Kunden mit in die Betrachtung ein. Personen mit unterschiedlichem Erfahrungshintergrund müssen im Sinne einer Kundensegmentierung mit einem, diesem entsprechenden Marketing-Mix angesprochen werden. Hier umfasst eine Segmentierung eine größere Breite an Kriterien.

Mit Metriken lässt sich oft die Welt oder ein Zustand erklären. Daher wird der Begriff der „Kundenerfahrung“ von vielen Unternehmen auch genutzt um den vage zu bedienenden Markt zu definieren. Aus diesem Grund wird der Begriff der „Kundenerfahrung“ auch synonym für den Begriff „Kundenservice“ genutzt. Diese Uminterpretation des Begriffs ist jedoch gleichermaßen falsch.

Der Begriff der „Kundenerfahrung“ ist für mich wieder nur ein weiterer Trick, um irgendwelche diffusen Markenerfolge zu definieren. Dies ist jedoch nicht neu, denn die IT-Industrie hat mit dem Propagieren komischer bzw. falscher Begrifflichkeiten sehr viel Erfahrung.

Stehen die Kunden wirklich im Mittelpunkt des Interesses? Kümmern sich die Unternehmen wirklich altruistisch um ihre Kunden? Ich glaube nicht an dieses Märchen. Bringen wir es doch auf den Punkt: Die Unternehmen wollen in erster Linie ihre Geschäfte machen und nach Möglichkeit diese Geschäfte mit hohen Gewinnen abschließen. Was die Unternehmen wirklich interessieren, sind die Ergebnisse – und das ist keine schlechte Sache.

Wenn wir die Marketing- und Werbebotschaften der Unternehmen beiseite schieben, dann sind für die Unternehmen folgende Aspekte wirklich wichtig:

  • Profitabel bleiben,
  • die Kunden glücklich machen, dass diese mehr und öfter kaufen,
  • für neue Kunden attraktiv werden, damit das Geschäft weiter wächst.

Somit ist der Begriff der „Kundenerfahrung“ nur ein Synonym für weiteren Profit. Wenn ein Unternehmen seine Kunden schlecht bedient, dann reduziert sich der Gewinn. Also geht es auch darum, wo man Kunden verliert? Wo man Geld verschwendet? Was führt zu Verlusten bzw. sinkenden Gewinne?

Wie misst man die Gewinne?

Wenn man sich für Umsätze, Gewinne und Profitabilität interessiert, sollte man sich auch ansehen, wo man seine Kunden verliert. Aus diesem Grund muss man mit seinen Kunden im Dialog stehen und regelmäßig Feedback einholen. Nur durch eine direkte Kommunikation mit den Kunden können Probleme identifiziert und behoben werden.

Funktioniert das Produkt?

Wenn das Produkt oder eine Produktlinie ein Problem aufweist oder gegenüber den Konkurrenten gewisse Nachteile hat, dann hat das Unternehmen ein großes Problem. Die betreffenden Produkte müssen schnellstmöglich verbessert werden. Aus diesem Grund sollte man seine Kunden und seine Zielmärkte kennen. Durch die Nutzung von Analytics-Werkzeugen lässt sich die Zufriedenheit der Kunden ermitteln und schnell herauszufinden wo potenzielle Probleme entstehen. Die Wahrnehmung der eigenen Produkte bzw. der eigenen Marken muss ständig kontrolliert werden. Es gilt der Grundsatz: Ein bereits überzeugter Kunde ist ein preiswerter Kunde. Jeder verlorene Kunde kann nur mit viel Aufwand (und Geld) zurückgewonnen werden.

Wo werden Geschäfte gemacht?

Die Kunden lieben die Bequemlichkeit. Niemand möchte für seinen Einkauf eine lange Strecken fahren, jeder will in der Nähe seines Wohnorts einkaufen. Dabei spielt es keine Rolle, ob man dem B2B- oder dem B2C-Marktsegment angehört. Die Bequemlichkeit ist immer König! Können Kunden bei Bedarf einen Ansprechpartner per Telefon erreichen? Wie wäre es zusätzlich mit den Kontaktmöglichkeiten über E-Mail, Twitter oder einem Pop-up-Chat? Online-Kunden machen ihre Geschäfte digital mit den Unternehmen und erfordern daher eine „unmittelbarer Nähe“. Erhält der Kunde auf seinen bevorzugten Kanälen keine direkte Aufmerksamkeit wird er nicht mehr auf diese Angebote zurückgreifen.

Eine Studie von Accenture (https://www.accenture.com/t20161212T200058__w__/us-en/_acnmedia/Accenture/Conversion-Assets/DotCom/Documents/Global/PDF/Dualpub_24/Accenture-Strategy-GCPR-Fast-Fickle.pdf) hat festgestellt, dass 73 Prozent der Verbraucher frustriert sind, wenn ihnen die Unternehmen keine bequemen Interaktionsmethoden bereitstellen. Diese Frustration resultiert in verloren gegangenen Geschäften bzw. Gewinnen. Aus diesem Grund gewinnen Omnikanal-Plattformen weiterhin an Popularität. Dies bedeutet jedoch auch, dass alle Unternehmen weitere Türen für ihre Kunden öffnen müssen, über die sie ihre Kunden ihre Angebote erreichen können.

Wie lange müssen die Kunden warten?

Haben Sie bereits einmal ein Produktangebot angesehen und gedacht: „Nein, taugt nichts!“ Menschen werden schnell ungeduldig und wenn es zu lange dauert bis das reale Bedürfnis des Kundens erfüllt wird, sucht dieser sich einen anderen Anbieter. Auch Ineffizienz kostet Umsatz. Je schneller man einen Kunden bedient, desto schneller kann man den nächsten Kunden bedienen. Wartezeiten sind in allen Geschäftsprozessen (Verkauf und Service inklusive) unangenehm. Wenn ein Kunde ein Unternehmen anruft und mehr als 10 Minuten in Warteschlangen verbringt, dann hat das angerufene Unternehmen einen ineffizienten Prozess und verliert Kunden an Wettbewerber, die schneller antworten können.

In einer Studie von Five9 (http://www.five9.com/media_library/variation/66/customer-experience.pdf) nannten 38 Prozent der Befragten lange Haltezeiten als Ursache für die Wut und Frustration der Kunden auf den Kundenservice. Aus diesem Grund sollten die Unternehmen ihre Wartezeiten genau messen und nach Wegen suchen, um die Prozesse zu beschleunigen.

Ist der Einkauf ein bequemer Prozess?

Manchmal sind Unternehmen ihre eigenen schlimmsten Feinde. Der Einkauf bei ihnen ist schwierig oder wird sogar verhindert. Lange Prozessketten sind oftmals nicht das einzige Problem. Solche Unternehmen sind meist auf der ganzen Linie ineffizient. Eine weitere Variation des Zeitdiebstahls sind beispielsweise endlose Verzeichnisse, über die der Kunde angeblich den richtigen Ansprechpartner finden kann. In solchen Fällen sollte sich ein Unternehmen ein modernes ACD-System beschaffen, um seine Kunden automatisch an den besten verfügbaren Agenten weiterzuleiten. Auch hilft ein einheitliches Customer-Relations-Management (CRM). Verfügen die Vertriebsmitarbeiter über die richtigen Informationen, um vom Kunden verlangten die Waren korrekt zu vermarkten? Mit den richtigen Werkzeugen können die Mitarbeiter die Kundenbedürfnisse besser erkennen und die richtigen Antworten liefern.

In der bereits erwähnten Five9-Studie wurde von 48 Prozent der Befragten berichtet, dass sie keine reale Person an das Telefon bekommen konnten, einfach abgehängt (44 Prozent) oder die von ihnen gestellten Fragen (40 Prozent) nicht beantwortet wurden. Alles gewichtige Gründe, um mit einem Unternehmen frustriert zu sein.

Fazit

Mehr über den Kunden zu erfahren basiert auf dem Konzept der Empathie, welches in vielen Unternehmen immer noch die Grundlage für den  Gewinn verantwortlich zeichnet. Aber im Zeitalter der Software, der Algorithmen und Metriken hat man diese Erkenntnis verdrängt. Es ist daher ziemlich sinnfrei den vagen Jargon des „modernen“ Marketings zu nutzen, um die Marktchancen eines Unternehmens/eines Produkts zu definieren. Messen Sie Ihren Erfolg nicht an fadenscheinigen Kriterien, sondern ganz real am Umsatz und am Gewinn. Wenn ein Unternehmen mehr Geld verdienen will, finden sich immer Wege, um die Kosten zu senken, die Effizienz zu verbessern und ein von den Kunden gefordertes Produkt zu liefern. Der Erfolg beginnt damit, dass ein Unternehmen die Kanäle für die Kundeninteraktion optimiert und hierfür die aktuellste Technik nutzt. Wer die Kundeninteraktionen vereinfacht, wird mittelfristig den Erfolg einstreichen.