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Donald Trump streicht die bestehenden Vorgaben zur Kontrolle von künstlicher Intelligenz in den USA und kündigt ein 500 Milliarden Investment in die Technologie an. Damit gerät Europa weiter in Gefahr: Die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit ist ernsthaft beeinträchtigt, führende KI-Denker wandern ab und Europa wird seine Technologiesouveränität nicht mehr sicherstellen können. Ein Statement von KI-Experte Carsten Kraus.
„Kurz nach seiner Vereidigung als US-Präsident hebt Donald Trump das Dekret seines Vorgängers zu Gefahren durch KI-Systeme auf. Nach dem Dekret sollen KI-Entwicklungen, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit, Wirtschaft oder öffentliche Gesundheit darstellen können, Sicherheitstests unterzogen werden müssen. Zusätzlich kündigt er mit Project Stargate ein 500 Milliarden Dollar Investment in KI an. Die Streichung des Dekrets und die Investitionen können eine ernsthafte Verschärfung der Situation für Europa bedeuten:
Die europäische Wirtschaft ist gefährdeter denn je
Mit der Streichung des Dekrets gerät Europa noch weiter in Gefahr, wirtschaftlich abgehängt zu werden. Künstliche Intelligenz ist nicht einfach nur eine weitere Innovation, sondern die wichtigste zentrale Querschnittstechnologie, die sämtliche Branchen transformieren und weitreichende geopolitische Auswirkungen haben wird. Dank massiver staatlicher Investments in KI in China und einer bisher lockeren Regulierung in den USA war Europa in punkto KI ohnehin schon abgehängt – nun ist die Lage noch problematischer: In Europa sorgt die Einführung des AI-Acts der Europäischen Union zwar für eine Vorreiterrolle im Bereich KI-Regulierung – hat aber durch die drohenden hohen Strafen bei Nichteinhaltung auch eine maximal abschreckende Wirkung auf europäische Unternehmen. Wer KI aus Angst vor Strafen nicht nutzt, verpasst Effizienzgewinne von zirka 20 Prozent. So wird kein europäisches Unternehmen Weltmarktführer bleiben können – vor allem wenn die USA nun noch unregulierter und mit mehr finanzieller Unterstützung an KI forschen und diese anwenden können.
Fachkräfte wandern in die USA ab – Weniger Innovation aus Europa
Mit der Streichung des Dekrets werden die USA für Unternehmen und führende KI-Köpfe noch attraktiver: Ich habe schon oft darüber gesprochen, dass Startups, Wissenschaftler und hochqualifizierte Fachkräfte Europa verlassen, um in den USA bessere Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten zu finden. Mit der aktuellen Entscheidung wird dieser Trend weiter an Dynamik gewinnen.
Europa braucht eigene KI mit europäischen Werten
Large-Language-Models wie ChatGPT spiegeln stets die Werte und politischen Vorstellungen ihres Entstehungsumfeldes (Trainingsdaten) wieder – deshalb müssen Modelle in Europa auch aus Europa kommen und mit entsprechenden Daten trainiert sein. Wer in Zukunft über technologische Souveränität verfügen möchte, muss eigene KI-Lösungen entwickeln oder vorantreiben, Europa muss dringend mehr eigene Ansätze entwickeln. Eine komplett neue Software ist nicht zwingend erforderlich, auch Open-Source-Lösungen können genutzt werden. Entscheidend ist jedoch ein vollständig eigenständiges Training – von Grund auf. Studien von Anthropic zeigen, dass fortgeschrittene Modelle ihre Hidden-Agendas verbergen können. Dieses Risiko müssen wir durch eigene Trainingsansätze – die unsere Werte widerspiegeln, minimieren.
Damit Europa im globalen KI-Wettrennen sowie wirtschaftlich auch weiterhin eine Chance auf eine führende Position hat, gilt es jetzt die Weichen zu stellen. Anreize für Startups zu schaffen, die an eigenen Modellen und Technologien forschen – in Europa. Investitionen in technologische Infrastruktur sind dabei ebenso essenziell wie finanzielle Anreize und ein starkes Innovationsökosystem, beispielsweise durch einen gemeinsamen Pool an verlässlichen Daten aus Europa. Gleichzeitig helfen eine klügere Ausgestaltung des AI-Acts sowie eine umfassende Aufklärung über die Inhalte dabei, Angst vor Strafen zu verhindern – damit europäische Unternehmen befähigt sind, die Potenziale von KI gewinnbringend zu nutzen. Damit Europa seinen Wohlstand und seine wirtschaftliche Position auf Dauer sichern kann, müssen jetzt Maßnahmen getroffen werden.