„Don’t be in the change – be the change!”

Die Corona-Pandemie hat den wohl größten Wandel der Arbeitskultur der letzten 50 Jahre mit sich gebracht: Wo bis Anfang 2020 noch klassisches „Nine to Five“ im Büro und Akten in Papierform vorherrschten, regiert nun hybrides Arbeiten in Vertrauensarbeitszeit und digitales Dokumentenmanagement – eine Studie* des Project Management Institutes (PMI) zeigte dabei bereits 2021, dass es deutschen Arbeitnehmenden bei ihrem Beruf besonders wichtig ist, dass sie ihre Arbeitszeiten flexibel planen können (39% der Frauen und 23% der Männer) und dass ihnen dabei entsprechendes Vertrauen des Arbeitgebers entgegengebracht wird (49% der Frauen und 34% der Männer).

Unabhängig von der Branche oder dem Bereich müssen Entscheider dabei in der neuen, hybriden Arbeitswelt jeden Tag dazu bereit sein, sämtliche Abläufe zu hinterfragen und gegebenenfalls auch neu zu denken – selbst wenn diese auf den ersten Blick zu funktionieren scheinen. Alle Arbeitsabläufe müssen angesichts der aktuell komplett unberechenbaren Lage – vor allem aufgrund der nach wie vor anhaltenden Pandemie sowie der angespannten Lage in der Ukraine – maximal flexibel und resilient gestaltet werden. Da hilft es nicht, an Altbewährtem festzuhalten. Denn mittlerweile herrscht gerade in der Wirtschaft ein regelrechter „Unternehmensdarwinismus“: Nur die Angepasstesten überleben, wer nicht schnell genug agiert und reagiert, verliert. Es überrascht daher nicht, dass PMIs „Pulse of the Profession Report 2021“ ergab, dass besonders dynamische Unternehmen in dieser angespannten Situation florieren. Im Vergleich zu traditionellen Unternehmen haben diese ein hohes Maß an organisatorischer Agilität (48% vs. 27%) und eine bessere Produktivität (71% vs. 53%) – all dies trägt zum Erfolg von Projekten und somit des Unternehmens bei. Agile Arbeitsweisen verheißen zudem eine qualitative Verbesserung bei der Zusammenarbeit und bei Projekten selbst. Einen Methodik-Baukasten liefert hierfür Disciplined-Agile, das Teams dabei hilft, die für die aktuelle Situation beste Vorgehensweise für agiles Arbeiten auszuwählen.

 

Ohne Projektmanagement geht nichts

Eine entscheidende Rolle kommt dabei Projektmanagement-Experten zu. Durch die veränderten Arbeitsbedingungen der letzten 2,5 Jahre wurden viele ArbeitnehmerInnen bereits zu unbewussten Projektmanagern – eine Fähigkeit, die immer gefragter wird. Denn laut dem Talent-Gap-Report vom Project Management Institute (PMI) werden bis 2030 25 Millionen neue Talente mit Projektmanagement-Fähigkeiten benötigt. Die Aus- und Weiterbildung von Arbeitnehmer in diesem Bereich wird daher entscheidend sein, um diese Lücke zu schließen. Gleichzeitig leben und arbeiten wir in einer von Projekten getriebenen Welt – agiles Arbeiten, Problemlösungsansätze und Projektmanagement-Fähigkeiten sind dabei Schlüsselmerkmale des Erfolgs geworden.

Der Erfolg der Business-Transformation hängt dabei mehr denn je davon ab, wie erfolgreich Mitarbeiter Projekte führen und durchführen können. Denn es gilt mit ihrer Expertise, bildlich gesprochen mehrere Bälle in der Luft zu halten und abteilungsübergreifend zu arbeiten – dies ist entscheidend dafür, den fortlaufenden Changemanagement-Prozesse federführend umzusetzen. Denn jeder effektive Changemanagement-Prozess bindet sämtliche beteiligten Mitarbeiter auf allen Ebenen ein und sorgt dafür, dass alle vom Wandel betroffenen Menschen innerhalb der Organisation diesen verstehen und wissen, wie ihre tägliche Arbeit davon betroffen ist. Gleichzeitig stellt er sicher, dass die Mitarbeitenden auch wirklich die notwendigen Fähigkeiten besitzen, um den Wandel mitzugehen. Erfahrungsgemäß ist die Reaktionen auf signifikante Veränderungen bei Menschen erstmals nicht positiv, sondern oftmals ablehnend – Führungskräfte und projektverantwortliche müssen sich dessen bewusst sein. Denn typischerweise verändert sich diese Haltung im Verlauf und ein verbessertes, verändertes Verhalten wird erreicht. Weitere Schwerpunkte sind die Berücksichtigung potenzieller Widerstände, das Verhalten der Führungskräfte sowie die Kommunikation des Changes und die Festigung der Infrastruktur.

 

Projektmanager als Motor des Wandels

Die Rolle der Projektmanager innerhalb entsprechender Change-Initiativen ist dabei vergleichsweise einfach erklärt, aber dennoch extrem komplex. So verantworten sie das Projektziel und kümmern sich mit Hilfe koordinierter Prozesse, umfassender Erfahrung und bewährter Werkzeuge darum, dass sie zum gewünschten Ergebnis geführt werden. Das ist entscheidend dafür, dass ein Change-Prozess auch wirklich nachhaltig ist. Denn nur wenn die Bereitschaft zur Veränderung auch wirklich von innen heraus getragen und durch entsprechendes Projektmanagement unterstützt wird, gelingt ein echter Wandel.  Veränderungen führen in den seltensten Fällen zu einer direkten Steigerung der Leistungsfähigkeit, tatsächlich ist oft unmittelbar nach der Umsetzung erstmal ein Leistungsabfall festzustellen. Auch hier bedarf es einer gewissen Zeit, damit die Veränderungen ihre positive Wirkung entfalten können – Projektmanager müssen also in der Lage sein, auch diese Phase erfolgreich durchzusteuern.

Projektmanager von heute befinden sich in einer herausfordernden, aber beneidenswerten Position, die ihnen die Möglichkeit zum persönlichen Wachstum sowie Chancen zur Weiterentwicklung bietet. Unternehmen, die sich im Umbruch befinden, suchen händeringend nach Talenten, die in der Lage sind, Komplexität zu bewältigen und vielschichtige Transformationsprozesse in überschaubare Teile zu zerlegen. Projektmanager müssen jedoch auch darauf vorbereitet sein, mehr Verantwortung zu übernehmen und neue Arbeitsweisen wie agiles Arbeiten in die Projektvorhaben zu integrieren. Und sie müssen schnell drei Schlüsseldimensionen des Transformationsprozesses beherrschen: neue Geschäftslogik, Kundenorientierung und neue Technologien.

Kurz gesagt, es reicht nicht mehr aus, wenn Projektmanager die klassischen Themen wie Planung und Terminierung beherrschen. In einer Zeit, in der die Technologie viele wiederkehrende, wiederholbare Arbeitsaspekte automatisiert hat, werden Projektexperten wahrscheinlich viel mehr Zeit auf die Arbeitsbereiche verwenden, in denen Menschen immer noch einen Vorteil gegenüber Maschinen haben, wie das Erkennen und Reagieren auf die Bedürfnisse von Kunden und Teammitgliedern in einer verteilten Umgebung und das Vorantreiben der Realisierung von Geschäftswerten.

Ein Beispiel dafür, wie das in der Praxis aussehen kann, ist ein großer deutscher IT-Dienstleister, der seinen ganzheitlichen Beratungsansatz vollständig auf das sogenannte „Wicked Problem Solving“ (WPS) als Beratungsgrundlage umstellen wird, um zukünftig noch besser auf wechselnde Anforderungen der Kundschaft eingehen zu können. Bei WPS handelt es sich um eine universelle Methode zur Problemlösung, entwickelt von PMI (Project Management Institute). Diese lässt sich nahtlos in unterschiedlichste Arbeitsweisen und Projektmanagementansätze integrieren.

Dieser unternehmensweite Change-Prozess ist nur möglich, weil alle Mitarbeitenden des Unternehmens sowie die Führungsebene an einem Strang ziehen und bereit sind, ihre bewährten Arbeitsweisen neu zu denken. Denn Mitarbeiter sind keine Roboter, denen man einfach ein Software-Update verpasst. Sie möchten mit einbezogen, wertgeschätzt und vor allem ernst genommen werden. Berücksichtigen Change-Verantwortliche das während des Prozesses, kann dies sogar dazu führen, dass die Mitarbeiter-Bindung stärker wird, da die Mitarbeitenden sich im besten Fall dadurch, dass sie das Gefühl haben, ernst genommen zu werden, noch stärker mit ihrer Organisation verbunden fühlen. Wird ein Wandel hingegen von der Geschäftsführung oktroyiert, kann dieser Effekt sogar ins Gegenteil umschlagen und zu extremer Unzufriedenheit innerhalb der Belegschaft führen.

 

Change als Teil von Projektmanagement

Es ist sehr wahrscheinlich, dass künftige Projektleiter einen größeren Teil ihrer Zeit für Aufgaben wie die folgenden aufwenden werden:

  • Bewältigung der Komplexität des Change-Prozesses.
  • Erkennen und Überwinden von Widerständen gegen Veränderungen.
  • Erkennen und Mitgestalten von Organisationsverhalten und -gestaltung.
  • Anwendung von „Systems Thinking“, um den breiteren strategischen Kontext des Projekts zu fördern.

Dabei liegt die größte Herausforderung bei unternehmensweiten Change-Prozessen selten darin, die richtige Technologie zu finden, sondern vielmehr darin, die Unterstützung und Akzeptanz der Mitarbeiter zu gewinnen. Effektive Transformationsverantwortliche beherrschen die Kunst, mit dem Widerstand gegen die Veränderung etablierter und sogar liebgewonnener Routinen, Denkweisen und Arbeitsweisen umzugehen.

Der Begriff des „New Normal“ ist dabei längst überholt, es gilt nun „Never Normal“ – ein ständiges Hinterfragen des Status quo. Dazu müssen jedoch sämtliche Entscheider innerhalb eines Unternehmens oder einer Behörde, unabhängig von ihrem Level, dazu bereit sein, diesen auch tatsächlich tagtäglich neu zu gestalten.

Denn gerade die digitale Transformation lässt sich nicht in Silos bewerkstelligen, sondern erfordert einen funktionsübergreifenden Ansatz, der sich horizontal über mehrere Abteilungen und Funktionen erstreckt. Unter Umständen müssen daher ganze Geschäftsprozesse horizontal umgestaltet werden, um die Zusammenarbeit zwischen Teams zu fördern, die – hält man sich strikt ans Organigramm – vielleicht nie zusammenarbeiten würden.

 

Mitarbeiter zu Change-Agents

Funktioniert dieser ganzheitliche Ansatz – unternehmensübergreifend, die Belegschaft mit einbeziehend und agil – ermöglicht er auch eine maximale Transparenz. Dies führt wiederum dazu, dass Mitarbeitende stets das Gefühl haben, durchgängig am Change-Prozess beteiligt zu sein. So werden diese dann wiederum selbst zu Change-Agents, denn sie bekommen durch die durchgehende Beteiligung am Prozess vermittelt, dass es etwas ist, das sie selbst mittragen, was sie in der Folge dann auch tun – quasi die „self-fulfilling prophecy“ des Wandels.

Bodo Giegel, Business Head DACH, Project Management Institute

Wir sehen auch, dass laut der Umfrage „Make Reality Global Survey 2020“ ganze 81 Prozent der sogenannten „Changemaker“ – also Menschen, die Veränderungen anstreben – gerne bereit sind, neue Fähigkeiten zu erlernen, um ihre Projekte zu verwirklichen. Dabei besteht der Wunsch zur Veränderung und etwas zu bewirken, und zwar in allen Bereichen, in denen sich etwas verändern lässt. Projektmanagement sollte dabei also auch immer das Ziel haben, den Menschen die Hilfsmittel – und ein bisschen Inspiration – bereitzustellen, damit sie die ersten Schritte machen können.

*Vom Marktforschungsinstitut Savanta durchgeführte repräsentative Studie im Zeitraum Juli bis August 2021

Von Bodo Giegel, Business Head DACH, Project Management Institute

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