10 Statements von Experten zu Nachhaltigkeit im Datacenter

Rechenzentren bilden das Rückgrat der digitalen Gesellschaft. Meist als notwendiges Element für die Bereitstellung von Services beliebiger Art betrachtet, haben sie sich zu einem Energieverbraucher erster Kategorie entwickelt. Ihr Strombedarf beträgt einschlägigen Studien zufolge rund 3 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in der EU. Tendenz stark steigend. Grund genug, sich über die Nachhaltigkeit der Datacenter Gedanken zu machen. Diese Aufforderung ist offensichtlich bei Planern, Ausrüstern und Betreibern angekommen. Aber wie das so ist, wenn viele Beteiligte an einem Ziel arbeiten: Es gibt nicht den einen Knopf, an dem gedreht werden kann.

Eines ist klar: Rechenzentren haben ein hohen Energiebedarf, und der wird weiter wachsen analog zu den Anforderungen an die digitale Gesellschaft. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass erhebliche Einsparungspotenziale existieren, die gehoben werden können. „Der erste Schritt besteht darin, Colocation-Rechenzenten zu nutzen, die sich entsprechende Ziele für Klimaneutralität gesetzt haben, um eigene ineffiziente Infrastrukturen zu ersetzen“, erklärt Jens-Peter Feidner, Managing Director bei Equinix in Deutschland. „Viele Menschen in einem Bus verbrauchen nunmal deutlich weniger Energie als ein Einzelner in einem Auto.“

 

So weit, so klar. Während also die Verlagerung von IT-Anwendungen und Computing-Leistungen ehedem eine Frage der Wirtschaftlichkeit darstellte, rücken nunmehr Aspekte der Nachhaltigkeit auch für den Auftraggeber in den Vordergrund, zumal er am Ende für die Ecobilanz verantwortlich zeichnet.

 

Technische Aufgaben lösen

Nun ist es so, dass Datacenter bisher lediglich als notwendiger Teil der Wertschöpfung von Unternehmen betrachtet wurden, als notwendiges Übel. Diese Sichtweise zu verändern, ist das Credo von Fridjof Chwoyka, Senior Consultant bei Data Center Excellence. „Ziel muss es sein, Rechenzentren eine wertschöpfende Funktion zuzuweisen.“

 

 

Dazu sind allerdings zunächst profane technische Aufgaben zu lösen. Wenn etwas beeinflusst werden soll, dann muss es zunächst einmal gemessen und richtig, transparent und im Zusammenhang bewertet werden. Im Rechenzentrum ist es erforderlich, optimale Betriebsbedingungen für alle Systeme zu schaffen. Dazu sind eine Vielzahl von Parametern zu berücksichtigen. „Moderne Lösungen ermöglichen es, alle relevanten Messdaten in einem System zu erfassen, in dreidimensionalen Heat-Maps intuitiv darzustellen und zu alalysieren. Damit entsteht eine Lösung, die gleichzeitig Nachhaltigkeit im Rechenzentrum schafft und das Bedienpersonal entlastet“, erklärt Jan Sanders, Chief Sales Officer bei Kentix.

 

 

Man sollte meinen, dass insbesondere Rechenzentren Vorreiter in Bezug auf die Digitalisierung bilden. Das ist offensichtlich weit gefehlt. „Datacenter sind heute weder vollkommen digitalisiert, automatisiert oder vernetzt. Auch im Bereich der Datacenter ist eine digitale Transformation erforderlich. Entsprechende Lösungen stehen allerdings bereit, um Silos aufzubrechen und Virtualisierung zu integrieren“, erläutert Bertrand Delatte, Head of Data Center Solutions bei Siemens. „Das ist der einzige Weg, um Rechenzentren nachhaltig zu gestalten.“

 

 

Wie sehen aber neue Wege aus, um der Misere zu entkommen? Datacenter benötigen nun einmal eine hochverfügbare Stromversorgung sowie einen hochverfügbaren Glasfaseranschluss. Was liegt also näher, als ein Rechenzentrum dort zu installieren, wo beides zur Verfügung steht? Wolfram Rinner, Geschäftsführer von Gasline, sieht eine Alternative in dem Betrieb von dezentralen Edge-Rechenzentren: „Gerade jetzt ist die Stromversorung ein kritisches Thema geworden. Wir müssen alternative Stromquellen wie Photovoltaik, Windräder oder Biomasse deutlich mehr nutzen. Dazu bieten sich heute Edge-Rechenzentren an. Diese können dort eingerichtet werden, wo Energie und Konnektivität zur Verfügung steht.“

 

 

Anwendungen einbeziehen

Das sieht Holger Nickel, Geschäftsführer von Aixpertsoft, ähnlich: „Die Diskrepanz zwischen der Abforderung von immer mehr Rechenleistung bei gleichzeitig sinkender Energieverfügbarkeit wird noch mindestens eine Dekade anhalten.“ Auch für ihn bilden dezentrale geclusterte Strukturen inklusive Mini-Rechenzentren, Container-Rechenzentren oder Rechenzentren in Windrädern oder Einfamilienhäusern einen gangbaren Weg im Zusammenspiel allerdings mit entsprechenden Management-Tools: „Datacenter-Infrastructure-Management-Lösungen ermöglichen es, Analysen in Bestandsanlagen zu fahren und Aussagen darüber zu treffen, wo Optimierungspotenziale liegen, die bis zu 30 Prozent Effizienzsteigerungen ermöglichen.“

 

 

Die physikalische Infrastruktur ist aber nur das eine, was es zu berücksichtigen gibt. Das andere sind die Anwendungen, die auf dieser Basis abgewickelt werden.  Softwareentwickler setzen Rechenleistung und Speicherplatz als unendlich gegeben voraus. „Es gilt“, so Felix Berndt, Business Development Manager bei Paessler, „Transparenz zu schaffen, nicht nur hinsichtlich der eingesetzten Geräte, sondern auch bezüglich der Anwendungen. Gibt es hier übermäßige Redundanzen oder Backups, die vielleicht gar nicht nötig sind?“ Auch diese Aufgabe lässt sich mittlerweile mit geeigneten Werkzeugen bewerkstelligen.

 

 

Es gibt offensichtlich viele Wege und praktische Initiativen, um die Nachhaltigkeit von Rechenzentren zu verbessern, Step-bei-Step. Nur scheint dies in Anbetracht der definierten Ziele eher lahm. Einig sind sich die Protagonisten hinsichtlich der Forderung nach einer engeren Kooperation der verschiedenen Innovationsträger. Maik Stolpe von Siemens fordert deshalb die „Zusammenarbeit von Herstellern, Kunden und Planern“, um die digitale Transformation im Rechenzentrum zu bewerkstelligen.

 

 

Zusammenarbeit ist unerlässlich

Bernd Rüfer, Leiter Segment Datacenter bei WISAG geht mehr ins Detail: „Nötig ist das Zusammenspiel zwischen Architekten und dem Baubereich, Herstellern von Anlagen, Bauingenieuren und Planungsfirmen mit innovativen Ansätzen, IT-Fachleuten und Herstellern von IT-Equipment und natürlich den Ausführenden, die letztlich alle Komponenten zu einem Gesamtsystem zusammenführen und später auch den Service leisten.“

 

 

Aber reicht dies aus? Christian Gansen, Field Marketing Manager bei Vertiv, geht mit seiner Idee darüber hinaus: „Es muss jedoch noch viel mehr getan werden. Organisationen und Regierungen müssen zusammenarbeiten, um den Übergang zu neuen Energiequellen zu beschleunigen und zu optimieren, Recycling und Abfallmanagement zu verbessern und den Wasserverbrauch zu eliminieren.“

 

Zertifizierungsintitiativen wie Blauer Engel oder DIN 50600 sind erste Anstrengungen, das Thema Datacenter-Nachhaltigkeit in den Blickpunkt zu rücken. Es ist allerdings die Aufgabe der Industrie, dies in die Praxis umzusetzen. Die Bekleidung von Fassaden mit Pflanzen mag exotisch erscheinen, führt aber zu durchaus messbaren Ergebnissen. Die Dezentralisierung der Rechenleistung entsprechend der Verfügbarkeit von Energie und Konnektivität sowie die sinnvolle Nutzung der Abwärme in Verbindung mit der Optimierung der Anwendungen bergen bisher ungenutzte Potenziale. „Innovative Ideen“, so Bernd Rüffler, „müssen diskutiert und vorangetrieben werden. Die Losung lautet daher: findet euch.“

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