Palaver mit ITK-Consulting über die Probleme der VoIP-Qualität

Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur
Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur

Eigentlich sollte man meinen, dass durch die Digitalisierung der Sprachkommunikation die Probleme bei der Sprachübermittlung der Vergangenheit angehören. Die neue VoIP-Qualität sollte eigentlich nicht mehr durch Latenz, Jitter und Paketverlust beeinträchtigt werden. Aber ebenso wie sich die Netzwerkinfrastrukturen und Verkehre ändern, kann sich auch die Sprachqualität durch diese Änderungen in Mitleidenschaft gezogen werden. Durch die Realisierung von Cloud-basierten UC- und der Cloud-Telefonie wird es notwendig, die Netzwerküberwachung neu zu überdenken.

Netzpalaver sprach mit Mathias Hein in seiner Eigenschaft als Consultant vom Beratungshaus IKT-Consulting LG aus Wien über  die immer noch unzureichende Qualität von VoIP und dessen Ursachen.

Netzpalaver: Warum treten immer noch VoIP-Sprachqualitätsprobleme auf?

Mathias Hein: Der Sprachverkehr reagiert als Echtzeitanwendung sehr sensibel auf Verzögerungen und Jitter. Die Sprachübertragung gehört zu den kritischen Services und die Mitarbeiter im Unternehmen und die externen Anrufer bemerken sehr schnell auftretende Performance-Probleme. Dennoch fokussieren sich die meisten Sprachüberwachungsprodukte nur auf die reinen Ende-zu-Ende-Aufrufdaten (Call-Data-Records; CDRs). Bei diesem Überwachungsansatz werden die Netzwerkdetails ignoriert. Dabei kann das Netzwerk erheblich zu Kapazitätsproblemen, Jitter, Paketverlusten, Latenz und QoS-Verschlechterungen beitragen. Immer mehr UC- und VoIP-Services werden inzwischen aus der Cloud genutzt. Somit ist das Internet für die Ende-zu-Ende-Konnektivität und für die Bereitstellung der Dienste verantwortlich. Aus diesem Grund sollten sich die Unternehmen kritisch mit den zur Verfügung stehenden Monitoring-Funktionen auseinandersetzen.

 

Netzpalaver: Was sind die Probleme beim Testen der VoIP-Sprachqualität?

Mathias Hein: Die traditionellen VoIP-Monitoring-Techniken basieren auf CDRs und den aufgezeichneten Datenpaketen. Hierbei handelt es sich um einen reaktiven Ansatz, da diese Werkzeuge immer erst genutzt werden, wenn Probleme aufgetreten sind. Diese Werkzeuge beschränken sich in der Regel nur auf die Sichtbarkeit der Daten im Firmennetz. Alle Daten außerhalb der Firmengrenzen bleiben somit verborgen. Die traditionellen Monitoring-Techniken können durch eine aktive Überwachung des Sprachverkehrs ergänzt werden. Diese Werkzeuge prüfen sowohl den VoIP-Verbindungsaufbau als auch die Qualität des Sprachstroms. Für den Praktiker heißt das: Es werden alle Teile des Sprachanrufs – von der SIP-Signalisierung bis hin zu den zu RTP-Streams – aktiv überwacht. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass jedes Netzwerksegment in einer Ende-zu-Ende-Beziehung zu einer Verschlechterung der UC- beziehungsweise VoIP-Parameter führen kann. Aus diesem Grund ist eine Fehleranalyse ohne ein aktives Monitoring immer problematisch.

 

Netzpalaver:  Welche Probleme treten besonders bei der Prüfung von SIP-Trunks auf?

Mathias Hein: Je nach dem im Unternehmen genutzten Telefonsystem wird zwischen dem privaten und dem öffentlichen Telefonnetz eine weitere Schicht an Komplexität hinzugefügt. Meist werden hier Interconnection-Gateways zur Übersetzung der VoIP-Streams in ein entsprechendes Signal übersetzt oder es werden Session-Border-Controller (SBCs) zur Anpassung der unterschiedlichen Signale genutzt. Diese Systeme schirmen das private Netz vom öffentlichen Netz ab und verändern (passen an) in vielen Fällen die jeweiligen VoIP/UC-Parameter.

 

Netzpalaver: Wo treten die Probleme auf? Im privaten Netz oder im öffentlichen Netz?

Hein: Bei UCaaS-Implementierungen befindet sich ein großer Teil des Netzwerks, auf den der Sprach- und UC-Verkehr übermittelt wird, außerhalb des Unternehmens. Die Marketingunterlagen versprechen immer eine hohe Verfügbarkeit, aber in der Realität beeinflusst die Leistung des jeweiligen Service-Providers die angebotenen Cloud-Dienste. In der Praxis muss man immer mit Ausfällen rechnen. Auch kommt es immer wieder vor, dass QoS-Probleme auftreten und die signalisierten DSCP-Werte nicht im Provider-Netzwerk umgesetzt beziehungsweise geändert werden.

 

Netzpalaver: Kommt ein Kunde an die Leistungsdaten der UCaaS-Provider?

Hein: Einige UCaaS-Provider bieten ihren Kunden über eine API die notwendigen  Performance-Daten an. Diese Daten konzentrieren sich jedoch nur auf bereits abgeschlossene Verbindungen. Will ein Nutzer aktiv seine Dienste überwachen – um eventuell auftretende Probleme rechtzeitig erkennen zu können, dann benötigen diese einen Einblicke in die aktuellen Leistung der Cloud-basierten UC- und VoIP-Dienste. Darüber hinaus muss bedacht werden, dass nur auf einer permanenten Bewertung der Leistungsdaten die vertraglich garantierten SLAs korrekt überwacht werden können.

 

Netzpalaver: Welche Bereiche werden durch die Cloud-VoIP-Performance-SLAs meist nicht abgedeckt?

Hein: Wird der Cloud-basierte VoIP- beziehungsweise UC-Verkehr über das Internet (via eines fremden ISPs) übermittelt, kann ein VoIP/UC-Dienstanbieter keinerlei SLA-Werte mehr garantieren. Bei den meisten Providern wird das Internet wie ein öffentliches Netzwerk behandelt und der Übertragungsweg kann über die Netzinfrastrukturen von vielen Anbietern übermittelt werden. Aus diesem Grund haben die meisten UCaaS-Anbieter nur in ihrem eigenen Netz und in ihren eigenen Rechenzentren einen Einfluss auf die SLAs. Die Verfügbarkeit der Dienste und die Konnektivität bis zu den jeweiligen Kundenstandorten ist nicht mit den üblichen SLAs abgedeckt.

 

Netzpalaver: Wenn die Sprachqualitätsleistung nicht ausreichend ist, was kann man dagegen tun?

Hein: Wenn die VoIP- beziehungsweise UC-Verkehre die eigenen Firmennetzwerke verlassen, gibt man einen Teil der Problemlösung aus der Hand. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass die entsprechenden Fachleute beim Kunden die genutzten Übertragungswege und deren Details kennen. Auf Basis dieses Wissens lassen sich Problemen schneller einkreisen und beheben.

Da wir bisher nur über die Sprachübermittlung gesprochen haben, möchte ich noch ein paar Anmerkungen zur Videoübertragungen machen. Der Hauptunterschied zu Voice over IP besteht darin, dass das Video mehr Bandbreite benötigt als die reine Sprachübertragung. Bei VoIP werden meist kurze Pakete übermittelt, währen Video meist lange Pakete verschickt. Daher sind Videoübertragungen anfälliger für Performance-Probleme. Diese werden meist anhand von unsymmetrischen Lippenbewegungen sichtbar (Der Ton läuft nicht synchron zum Video). Bei zu großen Problemen wird zwar noch der Ton korrekt wiedergegeben, aber das Videosignal ist gestört.

#Netzpalaver #IKTConsulting