Hybrid-UC birgt die Gefahr der Herstellerabhängigkeit

Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur
Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur

Das Thema Unified-Communication (UC) lässt sich dieser Tage nur schwer diskutieren ohne dabei den Bereich Hybrid-Konfigurationen mit zu betrachten. In den vergangenen Monaten habe ich versucht, die wichtigen Details der verschiedenen UC-Anbieter und deren Hybrid-Optionen zu verstehen. Aber irgendwie laufen alle Lösungen auf das gleiche Endergebnis hinaus: Das Mischen der Lösungen ist nahezu unmöglich.

Fast ohne Ausnahme basieren die angebotenen Hybridlösungen auf einem sehr spezifisches Hybridszenario: Ein lokal bei einem Unternehmen installiertes System und/oder eine App des betreffenden Herstellers arbeitet nahtlos mit den eigenen gehosteten Diensten zusammen. Was zu erwarten war. Natürlich arbeiten diese Komponenten gut zusammen. In den meisten Fällen verfügen die On-Premise- und Cloud-Produkte über die gleiche Code-Basis.

Das Problem beginnt aber damit, dass der Terminus Hybrid ja schließlich auch für die Verwendung von unetrschiedlichen Hertseller-UC-Lösungen und Provider gilt: Beispielsweise wenn wir ein Avaya-System beim Kunden mit einem Mitel-Cloud-Service verbinden wollen. Will man ein Avaya-Communication-Manager-System vor Ort mit einem gehosteten IP-Office-Dienst oder einem Mitel-System verbinden, dann läuft man unfreiwillig in viele Kommunikationsprobleme. Natürlich ist so ein Ansinnen nicht unmöglich, aber die Anpassungen müssen individuell vorgenommen werden. Es handelt sich bei einer solchen hybriden UC-Service nicht um eine Standard-Lösung. Die Integration zweier Systeme auf Basis von SIP oder H.323 kann zu einem größeren Problem werden.

Alle Hersteller springen momentan auf den Hybrid-Zug. Aber dies geschieht nur in dem Ausmaß, wie die eigenen UC-Systeme problemlos mit den eigenen UC-Diensten arbeiten. Somit ist eine hybride UC-Lösung wieder nur eine der üblichen Marketingmogelpackungen.

Die hybriden UC-Lösungen zementieren somit die Abhängigkeit von dem jeweiligen Hersteller. Einige Hersteller versuchen natürlich mit diesem Hintergrund ihre Lösungen in den Markt zu drücken, dass ihre Angebote trotz immer neuerer Technologien noch relevant bleiben. Andere Hersteller kämpfen ganz einfach nur um ihr Überleben. Und diejenigen Hersteller, deren Stern gerade am Horizont aufgeht, wollen sicherstellen, dass sie so viel Marktanteile wie möglich aquirieren können. Was alle diese Angebote gemeinsam haben, ist die Notwendigkeit eines Kundenstamms, der sich möglichst nicht reduziert.

Eine Herstellerabhängigkeit bedeutet eine Abhängigkeit von einem Hersteller und von solchen Angeboten hat selten ein Kunde profitiert. Die Kunden werden indirekt gezwungen, sich an einen bestimmten Anbieter für die kommenden Jahre zu binden. Trotz der viel gepriesenen Industriestandards und offenen APIs, Session-Managern und Kommunikationsplattformen als Service ist die Interoperabilität zwischen den UC-Lösungen und UC-Services verschiedener Anbieter in Zweifel zu ziehen.

Viele Gesichter von Hybrid-UC

Natürlich stellen die beschriebenen Herstellerszenarien nur eine Möglichkeit zur Realisierung von Hybrid-UC dar. Außerdem verstehen die unterschiedlichen Anbieter unter dem Begriff „Hybrid-UC“ ganz unterschiedliche Dinge. Ich habe auch den Begriff „Hybrid“ in einer Beschreibung gefunden, in der zwei PBX-Anbieter über einen SIP-Trunk oder ein Session-Manager verbunden wurden. Und es gibt sogar Fälle, in denen der gemeinsame Betrieb von TDM- und IP-TK-Anlagen als Hybrid-UC-Variante bezeichnet wird.

Die Vermarkter von UC-Lösungen sind selbst an dem Begriffswirrwarr schuld, denn sie nutzen dieses Schlagwort auch für Produkte und Services, die nichts im eigentlichen Sinne mit hybriden UC-Lösungen zu tun haben.

Aber es gibt auch Fortschritte, die erfolgreiche Gesichter der Hybrid-UC zeigen:

  • Premise-basierte Kommunikationssysteme eines Anbieters in Verbindung mit Cloud-basierten Anwendungen eines anderen Herstellers. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Online-Teamzusammenarbeit „Circuit“ von Unify. Diese verbindet sich mit einer Nicht-Unify-PBX am jeweiligen Standort des Kunden. Ein weiteres Beispiel sind Cisco-Telefonsysteme vor Ort und Microsoft-IM in der Cloud.
  • Cloud-basierte Kommunikationsdienste, die eine CPE-Installation vor Ort beim Kunden erfordern. Fibernetics, Fonality und Star2Star bietet diese Art von Hybrid-UC-Lösung an.
  • Ein vollständiges UC-Szenario, welches dem Nutzer die notwendigen Applikationen und benötigten UC-Features bereitstellen, unabhängig davon, ob die Anwendungen lokal oder serviceorientiert realisiert werden.

Fazit: Wir müssen wahrscheinlich mit den irreführenden und schwammigen Begriffen des UC-Markts leben. Das sollte uns jedoch nicht davon ablenken, dass wir vor der Beschaffung von Services und Produkten unsere Hausaufgaben machen. Wir müssen vor dem Kauf darauf achten, dass die geplanten Kommunikationswerkzeuge unsere Ziele erfüllen und die Produktivität der Nutzer verbessert. Unter Umständen kann dies bedeuten, dass momentan eine Lösung eines Herstellers optimale Voraussetzungen bietet, während in anderen Situationen die Interoperabilität zwischen den Technologien verschiedener Anbieter den Ausschlag gibt.