Aktuelle Gespräche mit den UC-Anbietern zeigen mir, dass diese noch immer nicht herausgefunden haben, wie mobile Clients nutzbringend eingesetzt werden können.
„… und wir haben jetzt diese tolle mobile App!“
Jedes Mal, wenn ich diesen Satz während einer UC-Präsentation höre, dann bekomme ich einen Schlag in den Magen. Meine Eltern lehrten mich den Mitmenschen höflich zu begegnen. Aus diesem Grund beiße ich immer wieder auf meine Zunge und halte mich davon ab folgende Sätze in den Raum zu schleudern: „Die Tatsache, dass Sie über eine mobile App verfügen, stellt sicher, dass die Lösung, die Sie gerade vorstellen, praktisch keine Chance auf Erfolg hat. Die Tatsache, dass Sie so vermessen sind, uns ihre Lösung als „großartig“ und „revolutionär“ vorzustellen, bestätigt nur, dass Sie völlig die Berührung mit der Realität verloren haben!“
Ich bin auch immer wieder versucht, die Präsentatoren und Marktschreier zu fragen, ob Sie ihre angepriesenen „großartigen“ mobilen Apps auch regelmäßig nutzen. Aber ich lass es bleiben, da ich mir ziemlich sicher bin, dass ich die Antwort bereits kenne.
Der gleiche alte Mist in neuer Verpackung
Ich beobachte den mobilen UC-Markt seit mehr als 10 Jahren sehr intensiv. Das erstaunlichste an diesem Markt ist die Tatsache, dass es in all dieser Zeit praktisch keine sinnvollen Entwicklungen von UC-Anbietern in Bezug auf mobile Produkte gegeben hat. Wir beschäftigten uns mit vielen kosmetischen Upgrades, aber der grundlegende Modus operandi bleibt immer unverändert. Anstatt nur mit dem eigentlichen Gerät (dem mobilen Telefon) zu arbeiten (bzw. dieses zu nutzen), soll der Anwender eine separate App öffnen, um auf dem mobilen Gerät seine UC-Anrufe ausführen zu können. Bekommt ein Benutzer einen Anruf, erhält er eine Benachrichtigung und muss anschließend sein Telefon entsperren, um die App zu aktivieren – in der Hoffnung, dass der Anrufer in der Zwischenzeit nicht bereits auflegt hat.
Ich fühle mich gezwungen, diese umständliche Prozedur zu beschreiben, weil höchstwahrscheinlich noch kaum einer der Leser diese Funktionen genutzt hat. Wenn man die Anpreiser und Verkäufer dieser neuen „revolutionären“ Anwendung darauf hinweist, dass diese offensichtliche den Bezug zur Realität verloren haben, reagieren die angesprochenen Personen in der Regel mit dem zitieren eines obskuren Anwendungsfalls, bei dem die Notwendigkeit bestand, die mobile Nummer geheim (bzw. privat) zu halten. Oder der Verkäufer schlägt vor, dass diese Prozedur zwar für Routineanrufe nicht immer sinnvoll ist, aber in „Sonderfällen“ sehr nützlich sein kann. Hier wird meist die Teilnahme an Konferenzgesprächen genannt – etwas, das die meisten Smartphones sowieso bereitstellen.
Natürlich kennen die meisten Verkäufer ganz genau die Realität (und die meisten geben dies auch in einer privaten Umgebung – nach ein paar Gläsern Wein – zu), aber sie bestehen darauf, ihre Produkte und ihre Verkaufs- und Marketingsprüche an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Mit dem Thema „Mobilität“ kann man heute immer noch großes Interesse wecken, aber mancher Idee liegt einfach keine Substanz zugrunde und verpufft wie das sprichwörtliche Strohfeuer.
Kurzsichtige Visionen
Nachdem ich diesen mobilen Zirkus für mehr als ein Jahrzehnt beobachtet habe, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die UC-Anbieter inzwischen einfach aufgegeben haben, jemals etwas Sinnvolles im Bereich der mobilen Telefone anzubieten. Die Ironie besteht jedoch darin, dass alle Hersteller weiterhin den Erfolg des mobilen Marktes in ihren Produktpräsentationen loben und darauf hinweisen, dass heute nur die mobilen Funktionen und Prozesse die Wünsche der Kunden erfüllen. Dies ist keine Ironie, denn die UC-Hersteller haben natürlich Recht. Die Nutzer wollen die Mobilität in all ihrer Konsequenz, doch leider wollen die Nutzer nicht die Mobilität, die ihnen die UC-Anbieter liefern. Die Erfahrung zeigt, dass die UC-Hersteller inzwischen in parallelen Universen leben und nicht mehr auf die eigentliche Zielgruppe (die Benutzer) hören, die die neuen „revolutionären“ Produkte einsetzen sollen.
Während die UC-Anbieter die Bedeutung der Bereitstellung einer mobilen Nutzung wohl erkennen, bestehen sie weiterhin darauf, dass ihre veralteten Ideen (die von den einschlägigen Marktanalysten prognostiziert wurden) konsequent umgesetzt werden, wohl wissend, dass jede neue Entwicklung die Situation auch nicht mehr retten wird.
Hier spreche ich besonders von „CallKit“, der neuen Apple-APIs, die es VoIP- und UC-Apps ermöglichen, auf die wichtigsten Funktionen des nativen Dialers in iOS-Geräten zuzugreifen. Obwohl ich immer wieder den Begriff „CallKit“ bei meinen Gesprächen mit den UC-Verkäufern erwähne und mich nach deren Pläne zur Umsetzung dieser Schnittstelle erkunde, reagieren die angesprochenen Person überhaupt nicht auf dieses Stichwort.
Das große Callkit-Rätsel
Die einzige Person, die auf den Begriff „CallKit“ reagierte, war ein Microsoft-Produktmanager. Er versicherte mir, dass eine Skype für Business-Version in Planung bzw. bereits in der Mache ist. Bei all den von mir besuchten Informationsveranstaltungen zum Thema „Skype für Business“, habe ich noch nie von einem Analysten einen Hinweis auf die bevorstehende Unterstützung von Callkit erhalten.
Cisco verfügt auch über eine Callkit-fähige Anwendung. Allerdings ist diese für Spark konzipiert und nicht für den Cisco-Unified-Communications-Manager (CUCM). Da Spark immer noch um Marktanteile kämpft, ist es der Kleber, der CUCM, Web-Ex und den Rest des Cisco-UC&C-Social-Collaboration-Portfolios zusammen hält. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob dies umgesetzt wird, oder ob Cisco die Callkit-Funktionen für die CUCM-Benutzer noch weiter in die Zukunft verschiebt.
Für mich ist es nicht überraschend, dass die wesentlichen Aktivitäten an der Callkit-Front von Unternehmen herrühren, die tatsächlich mehr als nur leere Worthülsen und Marketingphrasen in die Zukunft ihrer Produkte investieren. Es sind Unternehmen wie Whatsapp und Facebook (mit ihrem Facebook-Messenger). Da Facebook inzwischen den Markt der Unternehmens-Collaboration adressiert, wird es sicher nicht mehr lange dauern, bis Callkit in deren Produkten auftaucht.
Durch die Möglichkeit zur Nutzung des nativen iOS-Dialers lassen sich in UC-Anwendungen die Sprachanrufe direkt empfangen. Dies stellt einen wichtigen Entwicklungsschritt dar und bietet den UC-Herstellern die Möglichkeit, sich den Herausforderungen im Bereich der Mobilität zu stellen. Die Sprachübermittlung ist nur ein Medium innerhalb von UC. Aus diesem Grund sollte ein Angebot eines UC-Herstellers das gesamte Spektrum der UC&C-Fähigkeiten abdecken. Bevor dies jedoch eintritt, müssen die UC&C–Hersteller sich zuerst mit Callkit intensiv auseinander setzen und zuhören, was der Kunde möchte. (mh)