Unfreundlich und überarbeitet? Das Smartphone ist daran schuld

burnout-1508087_1920Dank moderner Kommunikationsmittel arbeiten immer mehr Menschen vom heimischen Schreibtisch aus. Firmen bekommen so motivierte Mitarbeiter und senken nebenbei ihre Kosten. Die Kehrseite der Medaille besteht jedoch darin, dass der Mitarbeiter jederzeit und überall erreichbar ist. Jetzt werden auch die mobilen Geräte für den Anstieg der alltäglichen Unfreundlichkeiten und der schlechten Manieren der Mitarbeiter verantwortlich gemacht.

„Bring Your Own Device“ (BYOD) und „Telearbeit“ heißen die IT-Konzepte der Stunde. Die Unternehmen subventionieren den Kauf privater Geräte und die Arbeitnehmer setzen diese im Beruf ein. Ein Viertel (25 Prozent) der Besitzer von Tablets sollen diese Geräte bereits im Arbeitsalltag nutzen. Noch deutlicher der Trend bei Handys: Einer Umfrage von Aris zufolge nutzt jeder dritte Arbeitnehmer sein Privathandy auch beruflich – denn nur jeder zwölfte Berufstätige verfügt über ein Diensthandy. In Kombination mit Telearbeitsplätzen bzw. alternierender Telearbeit – also die Kombination aus Büro- und Heimarbeitsplatz – verschaffen sich die Mitarbeiter mehr Zeitsouveränität, sind motivierter und arbeiten effizienter.

Lange zierten sich sowohl Unternehmen als auch Mitarbeiter beim Thema Telearbeit. Allein das Wort schürte Ressentiments. Es klang nach Heimarbeit. Das Statistische Bundesamt zählte im Jahr 2004 bereits 5,1 Millionen Beschäftigte, die entweder ganz oder teilweise ihre Arbeitszeit im heimischen Büro verbringen. Inzwischen sind 17 Prozent aller 39,6 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland Telearbeiter. Die Kombination dieser Trends wird als so genannte mobile Telearbeit bezeichnet: Die Mitarbeiter arbeiten, wo es gerade passt, ob zu Hause, auf Dienstreise oder im Unternehmen. Damit wird jetzt Wirklichkeit, was die Forscher schon vor über zehn Jahren prognostizierten, denn wir erleben einen kompletten Wandel der Arbeitsformen. Den Arbeitsplatz herkömmlicher Art gibt es immer weniger. Reisen wird immer wichtiger, das mobile Gerät ersetzt die ganze Büroorganisation. Ein Schreibtisch wird von 365 Tagen im Jahr nur an rund 170 Tagen genutzt – eine Ressourcenverschwendung ohnegleichen.

E-Mails, SMS und immer schlauere Handys: Die Errungenschaften des Technologiezeitalters sind für viele Menschen Segen und Fluch zugleich. Für viele Angestellte sind diese Werkzeuge längst kein willkommenes Kommunikationswerkzeug mehr, sondern eine ständige Belastung. Einerseits sind Einkäufe oder Verwaltungsangelegenheiten nicht länger an Öffnungszeiten gebunden, andererseits ist man auch selbst rund um die Uhr erreichbar. Durch die vielen Krisen in den vergangenen Jahren ist in vielen Branchen unglaublicher Druck entstanden. Die Mitarbeiter stehen in zahlreichen Firmen unter Dauerstress. Dies führt zu einer extremen Arbeitsverdichtung. Die Menschen haben das Gefühl, sie müssen schnell arbeiten, viel arbeiten, es ist nie genug und jeder muss noch besser sein. Die Menschen haben eine große Affinität, sich selbst auszubeuten. Sie sind fleißig und akkurat. Das hat natürlich auch viele Mittelständler zum Marktführer gemacht. Durch die offenen Märkte gibt es einfach keinen natürlichen Feierabend mehr, die Menschen könnten rund um die Uhr arbeiten. Deshalb fällt es so schwer zu wissen, wann es genug ist.

Die Folgen dieser ständigen Überlastung sind direkt am Arbeitsplatz abzulesen. Der Umgangston wird rauer und so manch einer der Zeitgenossen vergisst schnell seine gute Kinderstube. Schuld daran sind die mobilen Kommunikationstechnologien. Der Marktforscher Robert Half Technologie (RHT) untersuchte in den USA die Auswirkungen der verstärkten Nutzung von mobilen Gadgets auf die Umgangsformen am Arbeitsplatz. Die ungeschriebenen Etikette der Arbeitsplätze werden ständig und nachhaltig verletzt. Wer kennt nicht folgenden Fall: Sie sitzen für ein Gespräch mit einem Kollegen/einer Kollegin zusammen. Diese kontrolliert ständig die eingehenden E-Mails während das Gespräch geführt wird oder der Kommunikationsfluss wird durch ständige Anrufe oder einem Mithören der auf dem Anrufbeantworter eingehenden Messages unterbrochen. Früher gehörte das Ausschalten des Klingeltons bei persönlichen Treffen zum guten Ton.

Die mobilen Geräte haben den Menschen geholfen ihre Arbeitsproduktivität zu erhöhen, aber diese lenken die Menschen zunehmend von den eigentlichen Aufgaben ab. Von diesem von den Kommunikationstechniken bestimmten Lebensgefühl sind 50 bis 60 Prozent der Menschen betroffen und diese reagieren auf den permanenten Leistungsdruck mit Frust und depressiven Stimmungen. Ein Großteil der Führungskräfte arbeitet heute außerhalb der traditionellen Geschäftszeiten. 73 Prozent der CIOs arbeitet inzwischen „oft“ oder „häufiger“ an den Abenden und Wochenenden. Anstrengend wird es, wenn Unternehmen das ausnutzen und von Angestellten erwarten, dass sie auch spät abends und am Wochenende noch E-Mails beantworten. Oder wenn Mitarbeiter das aus freien Stücken tun und nie mehr wirklich abschalten.

Da es einen engen Zusammenhang gibt zwischen persönlicher und organisationaler Fähigkeit, sich schnell zu erholen, müssen die Unternehmen neue Spielregeln für eine neue Arbeitswelt erfinden: Nicht jeder muss ständig erreichbar sein und sofort E-Mails beantworten. Die Stimmung im Unternehmen ist auch wichtig – und kann ganz einfach verbessert werden, wenn man neben fachlichen Themen auch die menschliche Seite im Blick hat. In einigen Unternehmen wurden hierfür neue Spielregeln zur E-Mail-Abwesenheit festgelegt. Es geht um die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben. Der Autobauer Volkswagen hat bereits Ende 2011 eine Smartphone-Pause nach Feierabend eingeführt. Die mobilen Endgeräte von VW-Mitarbeitern können seitdem von 18.15 Uhr bis 7 Uhr morgens keine Mails mehr empfangen. 30 Minuten nach Ende der Gleitzeit wird der Server-Betrieb eingestellt, 30 Minuten vor Beginn des nächsten Arbeitstags sind die Verbindungen wieder offen. Telefonate sind mit den Geräten allerdings weiter möglich.

Fazit

„Dieser Teilnehmer ist vorübergehend nicht erreichbar…“ Arbeitnehmer müssen nicht ständig ein Ohr für Anrufe ihres Chefs oder ihrer Kunden haben. Viele Mitarbeiter bieten das in der Praxis freiwillig an, aber die Arbeitgeber haben auch eine Fürsorgepflicht. Es geht es zunächst um so essenzielle Dinge wie Essen, Schlaf, Bewegung und Regeneration. Dies kommt dem Arbeitsklima zugute und sorgt für einen entspannten Arbeitsalltag. Einfach eigentlich, aber oft noch nicht selbstverständlich. (mh)