Unfaire Lizenzbedingungen kosten Deutschland und Unternehmen Milliarden an Euro 

Francisco Mingorance, Vice President CISPE (Cloud Infrastructure Services Providers)

Inwieweit verursachen unfaire Lizenzbedingungen etablierter Software-Unternehmen zusätzliche Kosten bei der digitalen Transformation? Dieser Frage hat sich eine europaweite Studie gestellt, deren Ergebnisse CISPE-Generalsekretär Francisco Mingorance am 19. Juni im Zukunftsforum auf dem 9. Zukunftskongress Staat & Verwaltung vorstellte. Auf der Grundlage neuer Zahlen aus dieser Studie werden die besorgniserregenden Auswirkungen der marktbeherrschenden Stellung von Microsoft auf die deutsche Kommunalverwaltung diskutiert. Die Abhängigkeit der öffentlichen Verwaltung von Microsofts Software hat besorgniserregende Ausmaße angenommen und birgt erhebliche Gefahren für die staatliche Autonomie.

Die von dem internationalen Experten für Wettbewerbsrecht, Professor Frédéric Jenny, durchgeführte Studie zeigt alarmierende Trends auf. Seine frühere Studie beleuchtete die Strategien, mit denen eine kleine Zahl marktbeherrschender Software-Anbieter Kunden bewusst dazu verleitet, ihre Unternehmens-, Produktivitäts- und Datenbanksoftware auf hauseigene Cloud-Infrastrukturdienste zu verlagern. Allen voran Microsoft, dessen unlautere Geschäftspraktiken dessen Position als Cloud-Anbieter untermauern. Die neue Studie liefert weitere Beweise für den Schaden, der durch diese Praktiken verursacht wird, und schätzt die Kosten für die unlautere Lizenzierung eines einzigen Produkts eines Anbieters auf über eine Milliarde Euro – nur im privaten Sektor. Die Kosten für den öffentlichen Sektor und den Steuerzahler müssen noch berechnet werden. Die unfairen Lizenzbedingungen von Microsoft für seinen SQL-Server, der von vielen Organisationen als unverzichtbar angesehen wird, machen die Nutzung in Cloud-Infrastrukturen von Drittanbietern deutlich teurer als in der Microsoft-eigenen Cloud-Infrastruktur Azure.

Microsofts Geschäftspraktiken nutzen die marktbeherrschende Stellung bei Produktivitätssoftware aus, erhöhen die Hürden und schränken die Auswahl für deutsche Kunden ein, die auf die Cloud umsteigen wollen. Diese künstlich erhöhten Preise machen es außerdem fast unmöglich, einen Multi-Cloud-Ansatz zu verfolgen. Die Untersuchung zeigt die beträchtliche Marktmacht von Microsoft und unterstreicht die Bedeutung des Konzerns nach § 19a des deutschen Wettbewerbsgesetzes.

Ralf Resch, Präsident Euritas (European Association of Public IT Service Providers)

Dazu Euritas (European Association of Public IT Service Providers)-Präsident Ralf Resch: „Als öffentliche IT-Dienstleister in der EU erwarten die Mitglieder von Euritas faire Lizenzierungspraktiken von allen Anbietern auf dem Markt. Die Umfrage von Prof. Jenny zeigt, dass dies nicht der Fall ist, was besorgniserregend ist, da dies bedeuten würde, dass wir viel mehr Steuergelder als nötig ausgeben, um Dienstleistungen für Regierungen und Bürger zu erbringen.“ Das Euritas-Netzwerk öffentlicher IT-Dienstleister besteht aktuell aus 13 Mitgliedern aus zehn europäischen Ländern, die insgesamt ca. 2,7 Millionen Software-Lizenzen betreiben – darunter ein großer Teil von Microsoft.

Die am 19. Juni 2023 im Rahmen des Zukunftskongresses „Staat und Verwaltung“ stattfindende, hochkarätige Diskussionsrunde beschäftigte sich damit, wie man die Verwaltungs-Cloud aus Nutzersicht europäisch umsetzen kann. Diskutiert wurden Fragen nach den Vor- und Nachteilen nationaler und EU-basierter Lösungen sowie den zu vermeidenden technologischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten.

Francisco Mingorance, Generalsekretär von CISPE, Brüssel, rief dabei auch eine Marktanalyse von PwC Strategy& aus dem Jahr 2019 in Erinnerung. Diese Analyse konstatierte eine bedenkliche Entwicklung in Deutschlands Kommunen und stellte fest, die deutsche Bundesverwaltung sei in einem Maße von Microsoft-Produkten abhängig, welche die digitale Souveränität des Staates gefährdet. Der CISPE-Präsident: „Die Praktiken von Microsoft schaffen ein monopolistisches Umfeld, das Innovationen und freie Wahlmöglichkeiten unterdrückt. Es ist an der Zeit, dass die Regulierungsbehörden eingreifen und die Wahlmöglichkeiten sowie die wirtschaftliche Vielfalt in Europa schützen.“

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