Für die digitale Aufholjagd braucht es mehr als den E-Motor

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Im Kanzleramt haben Politik und Automobilbranche am 4. November zusammen einen Gang hochgeschaltet, um die Elektromobilität voranzutreiben. Mit dem Fokus auf die umweltfreundlichere Antriebstechnik wird die deutsche Schlüsselindustrie jedoch nicht zur starken Konkurrenz aufschließen. Denn diese fährt auch datengetrieben schon voraus – wenn auch noch in Sichtweite.

Deutschland ist ein Autoland. Traditionell bildet die Automobilindustrie einen wichtigen Eckpfeiler der deutschen Wirtschaft. Allerdings macht der Schlüsselindustrie derzeit einiges zu schaffen: Global geht die Produktion zurück, die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China belasten und die traditionellen Geschäftsmodelle brechen wegen der digitalen Transformation langsam, aber sicher weg. Vor BMW, Daimler und dem Volkswagen-Konzern sowie Zulieferern wie Bosch, Continental und ZF bauen sich einige Hürden auf. Wahrscheinlich werden den Hindernisparcours, den es in den kommenden fünf bis zehn Jahren zu bewältigen gibt, nur wenige der großen europäischen OEMs erfolgreich meistern. Im Rennen bleibt, wer auch auf einen konkurrenzfähigen E-Motor setzt. Bisher erzielte die Elektrifizierung jedoch nicht die gewünschte Wirkung, weswegen die Bundesregierung am 4. November ins Kanzleramt lud.

 

Richtiger E-Impuls, verengter Blick

Grundsätzlich stehen sowohl Politik als auch Wirtschaft in der Verantwortung, für eine zukunftsfähige Automobilbranche in Deutschland zu sorgen. Der Autogipfel zeigt das gemeinsame Handeln bei der Elektromobilität. Das Aufstocken der Kaufprämien für E-Autos auf bis zu 50 Prozent, welches die Partner anteilig bezuschussen, soll den Verkauf ankurbeln. Als Ziel steht die Zahl von 700.000 E-Pkw bis 2025 im Raum, die jedoch eine bessere Ladeinfrastruktur benötigen. Geplant sind daher zu den bereits bestehenden 21.000 öffentlichen Ladesäulen nun 50.000 weitere Installationen. Davon will die Industrie 15.000 Stationen einrichten.

Nun lässt sich trefflich darüber streiten, ob diese Maßnahmen zu spät erfolgen und überhaupt ausreichen. Richtig sind sie allemal. Jedoch verengen sie den Blick. Denn die Zukunftsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie hängt nicht allein vom Fortschritt bei der Elektromobilität ab. Mindestens genauso entscheidend wird sein, wie es den deutschen Konzernen gelingt, sich beim autonomen Fahren und Carsharing sowie bei den Smart-Mobility Services zu positionieren. Letztgenannte bringen die digitalen Dienste ins vernetzte Auto, welche die Nutzerwünsche der Insassen bedienen. In all diesen Feldern schreitet die technologische Entwicklung rasant voran. E-Auto-Pionier Tesla hat sich sowohl beim selbstfahrenden Pkw als auch bei der Elektromobilität einen Vorsprung von ungefähr fünf Jahren herausgearbeitet. Auch Google und andere Tech-Konzerne mischen hier vorne mit. Nicht zu vergessen: die chinesischen Autobauer, welche beim „Elektrisieren“ und „Autonom machen“ zügig vorankommen.

 

Wie die Politik den Rahmen setzen sollte

Die digitale Transformation greift überall und produziert Daten für neue Geschäftsmodelle. Es geht in der Autobranche wie in anderen Wirtschaftszweigen letztendlich darum, die richtigen Daten zu erheben und zu nutzen. Das setzt eine leistungsfähige IT-Infrastruktur und ein effizientes Datenmanagement voraus. Beides muss zusammenspielen und kann funktionieren, solange die Rahmenbedingungen stimmen. An der Stelle hat die Politik die Aufgabe, steuernd einzugreifen.

Erst wenn die Bundesregierung die Digitalisierung der Verkehrsinfrastruktur in die Wege leitet, lassen sich künftig Verkehrsdaten von vernetzten Autos intelligent in Echtzeit nutzen. Weniger Staus und ein geringeres Unfallrisiko für alle Verkehrsteilnehmer wären die wichtigsten Folgen. Natürlich muss die Politik auch über das Auto hinausdenken und überlegen, wie sie digitale Plattformen für eine vernetzte Mobilität fördern kann. Auf solchen digitalen Plattformen könnten Verkehrsdaten und die Daten verschiedener Mobilitätsanbieter einlaufen. Bevor sich die Politik jedoch in Gedankenspiele verliert, welche nachhaltigen Mobilitätsangebote daraus entstehen können, sollte sie sich zunächst auf den Breitbandausbau konzentrieren. Denn nur mit Glasfaser- und 5G-Netzen lassen sich die nötigen digitalen Services auch flächendeckend bereitstellen.

 

Industrie muss umsteuern

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Die Automobilindustrie muss hingegen kräftig in Technologien investieren. Wer das nicht tut, hat das Nachsehen. Zum Beispiel bei der künstlichen Intelligenz (KI): Es geht nicht nur darum, neuronale Netze zu trainieren, damit diese Objekte besser erkennen. Verbraucher sind heute so an Alexa & Co. gewöhnt, dass sich ein intelligentes Auto auch über Sprache steuern lassen muss.

Der Umbruch in der Autobranche läuft – und zwar in eine klare Richtung: Umsätze und Gewinne verschieben sich hin zum Aftermarket und zur Smart-Mobility. Deshalb müssen sowohl Hersteller als auch Zulieferer nicht nur ihre IT-Architekturen flexibel und skalierbar machen, sondern auch ein effizientes Datenmanagement etablieren. Sonst droht ihnen, dass sie das Auto nur noch als mobile Plattform bereitstellen, auf der andere ihre digitalen Dienste anbieten.

 

Mit Partnern den Anschluss herstellen

Christian Ott. Sr. Manager, Solution Engineering & Architects, Global Industry EMEA bei NetApp

Es besteht berechtigte Hoffnung, dass deutschen OEMs die nötige Transformation zum Datengeschäft gelingt. Die Chance dazu haben alle. Am besten fährt, wer mit anderen bei der Technologieentwicklung kooperiert und das Investitionsrisiko teilt. So steht General Motors heute wieder relativ gut da. Der Konzern hat sich an Cruise beteiligt, einem Start-up für autonomes Fahren. Darüber hinaus arbeitet er auch mit Softbank und Honda zusammen. Auch VW und Ford setzen auf Coopetition, indem sie ihre Tech-Töchter AID und Argo zusammenführten. Oder Share Now, das Carsharing-Joint-Venture von Daimler und BMW, geht genauso in die richtige Richtung. All das lässt sich als Anfang verstehen, die digitale Aufholjagd zu starten – im vernetzten, autonomen und elektrischen Auto. Deutschland kann also durchaus Autoland bleiben.

Von Christian Ott. Sr. Manager, Solution Engineering & Architects, Global Industry EMEA bei NetApp

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