Was eine deutsche KI-Strategie leisten muss: Die künstliche Intelligenz (KI) ist die vielleicht folgenschwerste technologische Entwicklung unserer Zeit. Von der Frage, wie wir mit AI umgehen, wie wir sie nutzen und fördern, wie wir sie in unsere Lebens- und Arbeitswelt integrieren, dürften hierzulande in den nächsten zehn bis 20 Jahren, Millionen von Arbeitsplätzen abhängen – und in letzter Konsequenz auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft insgesamt.
Dabei befindet sich die Bundesrepublik eigentlich in einer hervorragenden Ausgangsposition. Denn die KI-Forschung an unseren Hochschulen und sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen gehört seit vielen Jahren zu den anerkanntermaßen besten der Welt. Zugleich tut sich die deutsche Wirtschaft mit der praktischen Anwendung künstlicher Intelligenz bislang allerdings auffallend schwer. Oder anders ausgedrückt: Die Bereitschaft zu Investition könnte sehr viel ausgeprägter sein – was auch daran liegt, dass es an effektiver staatlicher Anschubhilfe mangelt.
Dieses Defizit wird umso deutlicher, wenn man die hiesige Lage zum Beispiel mit den USA oder China vergleicht. Dort haben die jeweiligen Regierungen in den vergangenen Jahren milliardenschwere Forschungs- und Entwicklungsprogramm aufgelegt und auf diese Weise auch die privaten Investitionen merklich stimuliert. So haben sich amerikanische und chinesische Unternehmen ihre deutschen bzw. europäischen Konkurrenten in manchen Bereichen bereits einen deutlichen Vorsprung erarbeitet. Das gilt speziell für Geschäftsmodelle, die auf der KI-gestützten Verknüpfung von Daten beruhen.
Daraus zu schließen, dass es für eine großanlegte Offensive zur Förderung von KI womöglich schon zu spät sei, wäre gleichwohl grundverkehrt. Die künstliche Intelligenz ist trotz der enormen Forschungserfolge, die in den zurückliegenden Jahren erzielt wurden, nach wie vor eine junge Technologie. Was die wirtschaftliche Nutzbarmachung von KI angeht, stehen wir in vielen Feldern noch ganz am Anfang. Das gilt insbesondere für die Verwertung von Prozess- und Produktdaten – und damit für industrielle und gewerbliche Branchen, in denen Deutschland traditionell stark ist und in denen sich (Stichwort: Industrie 4.0) unzählige vielversprechend Anknüpfungspunkte finden lassen.
Es ist daher ausdrücklich zu begrüßen, dass die Bundesregierung die künstliche Intelligenz zu einem ihrer technologischen Schwerpunktthemen erhoben hat – was sich unter anderem an dem ehrgeizigen Eckpunktepapier zeigt, das jetzt vom Bundeskabinett verabschiedet wurde. Dort heißt es unter dem Stichwort „Ziele“ wörtlich: „Die Bundesregierung ist entschlossen, sowohl Forschung und Entwicklung als auch Anwendung von KI in Deutschland und Europa auf ein weltweit führendes Niveau zu bringen und dort zu halten. Deutschland soll zum weltweit führenden Standort für KI werden, insbesondere durch einen umfassenden und schnellen Transfer von Forschungsergebnissen in Anwendungen sowie die Modernisierung der Verwaltung. ‚Artificial Intelligence (AI) made in Germany‘ soll zum weltweit anerkannten Gütesiegel werden.“
Anknüpfend an dieses Eckpunktepapier der Bundesregierung legt PwC seine Positionen zur Förderung der künstlichen Intelligenz vor. Dabei haben wir uns auf die – aus unserer Sicht – acht wichtigsten Stichworte fokussiert:
Der Einfluss von künstlicher Intelligenz auf den Arbeitsmarkt
Dass deutsche Unternehmen händeringend nach IT-Fachkräften suchen ist nicht neu. Weniger weit verbreitet ist hingegen die Erkenntnis, dass dieser Befund auch und sogar in besonderem Maße für Experten auf dem Feld der künstlichen Intelligenz gilt. Schätzungen zufolge fehlen hierzulande schon jetzt Zehnausende KI-Spezialisten. Insofern tut die Bundesregierung gut daran, dass sie in ihrem Eckpunktepapier nicht nur das Ziel formuliert, „die weltweit klügsten Köpfe im Bereich KI“ anzuziehen, sondern dass sie darüber hinaus mahnt, „unsere Ausbildungskapazitäten im KI-Bereich deutlich auszuweiten“ und die entsprechende „Weiterbildung unserer Fachkräfte“ voranzutreiben.
Gleichwohl ist zu hinterfragen, ob die Politik die potenziell gravierenden Konsequenzen der KI-Revolution speziell für den deutschen Arbeitsmarkt bereits in Gänze realisiert hat. Die künstliche Intelligenz, davon geht die weite Mehrzahl der Fachleute jedenfalls fest aus, wird auf mittlere und lange Sicht eine signifikante Zahl an Arbeitsplätzen hierzulande grundlegend verändern – eine Umwälzung auf die wir uns heute zwingend vorbereiten müssen. Besonders betroffen sind hiervon laut einer kürzlich erschienenen PwC-Studie zum Beispiel die Finanzindustrie und der Transportsektor. So könnten in der Banken- und Versicherungsbranche bis 2030 durch Automatisierung (die wiederum ganz wesentlich auf KI-Entwicklungen beruht) bis zu 30% der bestehenden Arbeitsplätze wegfallen; in der Transportindustrie sind bis zum Jahr 2035 sogar bis zu 50% aller heutigen Arbeitsplätze betroffen. Zugleich allerdings – und das ist die positive Botschaft der Studie – bietet die KI-Technologie das Potenzial, eine ebenfalls erhebliche Zahl neuer Stellen zu kreieren. Dieser Wandel allerdings darf nicht unkontrolliert vonstattengehen, sondern bedarf einer vorausschauenden und verantwortungsbewussten politischen Steuerung.
Wenn die Bundesregierung die künstliche Intelligenz zu einem ihrer forschungs- und wirtschaftspolitischen Kernthemen macht, dann muss sie den potenziell transformativen Folgen für den Arbeitsmarkt ihre ganz besondere Aufmerksamkeit widmen. Dabei wird es unter anderem die allgemeine Förderung der KI-Kompetenz, um die Schaffung neuer Stellen durch öffentliche und private Investitionen sowie um die zeitgemäße Anpassung der sozialen Auffangnetze gehen.
Was der Aufstieg von KI für unser Bildungssystem bedeutet
Dem Bildungsaspekt wird im Eckpunktepapier der Bundesregierung an vielen Stellen ein besonderer Fokus eingeräumt. So ist von einer „nationalen Weiterbildungsstrategie“ ebenso die Rede wie von der „Förderung neuer KI-Lehrstühle“ oder vom „Ausbau des Angebots für den wissenschaftlichen Nachwuchs“. An einer Stelle heißt es sogar, dass „KI-Grundwissen“ als fester Bestandteil von Lehrinhalten „nicht nur in der Informatik, sondern auch in weiteren natur-, gesellschafts- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen verankert sowie in die berufliche Aus- und Weiterbildung“ integriert werden könnte.
Gleichwohl darf die Förderung in keinem Fall erst auf beruflicher bzw. auf Hochschulebene, sondern deutlicher früher ansetzen – oder anders ausgedrückt: Eine der vornehmsten bildungspolitischen Aufgaben der kommenden Jahre wird es sein, unseren heranwachsenden „Digital Natives“ die Chance zu geben, sich gewissermaßen zu kleinen „AI Natives“ zu entwickeln. Entsprechend zu begrüßen ist darum die Entscheidung, von 2020 an bereits in der fünften Klasse ein vollwertiges Schulfach Informatik einzuführen. Bei dieser Initiative allein darf es allerdings nicht bleiben.
Ausbau und Koordination der KI-Forschung
Im Vergleich zu anderen Ländern liegt Deutschland bei der koordinierten öffentlichen Förderung der KI-Forschung zurück. Das räumt die Bundesregierung in ihrem Eckpunktepapier auch indirekt ein, wenn sie schreibt: „Einzelne Staaten haben bereits das besondere Potenzial der KI erkannt und eigene Strategien vorgelegt (z. B. USA, China)“. Noch deutlich konkreter wird ein Mitte Juni vorgelegtes Paper, an dem unter anderem das Fraunhofer IAIS beteiligt war. Dort heißt es: „Neben den großen Technologie-Konzernen in den USA hegt insbesondere China im Bereich KI große Ambitionen. Der größte Entwicklungsdruck geht dabei von der Regierung aus.“
Tatsächlich hat die Regierung in Peking angekündigt, zur Förderung künstlicher Intelligenz bis 2030 mindestens 7 Milliarden US-Dollar auszugeben. Davon entfallen alleine 2,1 Milliarden Dollar auf einen KI-Research-Park in Xinhua. Die USA wiederum investieren bereits seit vielen Jahren in die Forschung und Entwicklung von KI, hauptsächlich durch direkte Investitionen in die Wirtschaft oder in höhere Bildungsinstitute. Das Bild wird noch dramatischer, wenn wir in die Gleichung nehmen, dass private digitale Investitionen in den uns bereits enteilten globalen IT Hotspots in den USA und China überproportional hoch sind.
Bei genauerer Betrachtung indessen sind nicht nur die Chinesen und die Amerikaner den Deutschen voraus. Kanada etwa hat das Potenzial künstlicher Intelligenz früh erkannt und investierte allein im vergangenen Jahr 125 Millionen Dollar in KI. In Europa wiederum haben sich unter anderem die Franzosen ehrgeizige Ziele gesetzt. So verkündete der französische Präsident Macron kürzlich, dass sein Land bis 2022 knapp 1,5 Milliarden Euro in künstliche Intelligenz investieren wird, um ein “KI-Ökosystem” auf nationaler und europäischer Ebene aufzubauen. Die EU Kommission wiederum erhöhte im Rahmen des „Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsprogramms“ ihre Fördermittel für KI auf 1,5 Milliarden Euro für den Zeitraum 2018 bis 2020. Auch Unternehmen und Startups sollen mit mehr als 500 Millionen Euro durch den Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) gefördert werden.
Was bedeutet all das nun für Deutschland? Selbstverständlich muss die Bundesregierung ihre eigene Initiative in europäische Programme wie „Horizon 2020“ einbetten. Darüber hinaus sollte sie aber auch ihre eigenen Pläne kraftvoll vorantreiben.
Ein erster Schritt muss sein, die nun angekündigten Maßnahmen so schnell wie möglich umsetzen. So sollten das Bundesministerium für Bildung und Forschung seine Planungen zum “Kompetenzzentren maschinelles Lernen” unmittelbar mit einem klaren Zeitplan versehen. Hierbei geht es nicht darum, Kompetenzzentren als reine Fach- und Forschungsfunktionen zu schaffen, sondern vielmehr die Verzahnung mit der deutschen Wirtschaft über reale Anwendungsfälle in den Fokus zu rücken.
Darüber hinaus sollte die Forschungsförderung im Bereich künstlicher Intelligenz hierzulande ganz grundsätzlich zentralisiert werden. Diese Maßnahme würde für mehr Transparenz und eine effizientere Ressourcenallokation sorgen.
Die Forschungsarbeit sollte sich neben Aspekten des technologischen Fortschritts vor allem mit Erklärbarkeit und Transparenz von KI-Lösungen und Algorithmen auseinandersetzen. Dafür ist es notwendig, die unterschiedlichen Projekte sinnvoll zu koordinieren und einen nationalen Austausch für KI-Forschung zu ermöglichen. Wenn wir verhindern wollen, dass Unternehmen ihre Künstliche-Intelligenz-Initiativen dorthin verlagern, wo mithin die meiste Innovation entsteht (also USA und China), muss die Innovation aus Deutschland herauskommen.
Wie groß ist das wirtschaftliche Potenzial von künstlicher Intelligenz in Deutschland?
Während Länder wie China, Frankreich, Kanada oder Australien voranpreschen, droht Deutschland seine lange Zeit starke Position in der KI-Forschung zunehmend aufs Spiel zu setzen. Zwar veröffentlicht die Bundesregierung keine genauen Zahlen zur Förderung von künstlicher Intelligenz – ein Blick auf die derzeit laufenden Programme zeigt jedoch, dass die politische Anschubhilfe hierzulande im internationalen Vergleich sehr bescheiden ausfällt.
Stattdessen sind momentan eher private – oft ausländische – Unternehmen wie Amazon, die in Deutschland einen KI-Standort sehen, in den es sich zu investieren lohnt. So wollen die Amerikaner einen Millionenbetrag in die Errichtung eines KI-Forschungszentrums stecken, das in Kooperation mit dem „Max Planck Institut“ in Tübingen betrieben werden soll. Nun ist diese Initiative zweifelsohne begrüßenswert. Sie dokumentiert aber auch, dass Deutschland bislang aus sich selbst heraus zu wenig politischen und unternehmerischen Mut aufbringt, um massiv in den Ausbau von KI-Kompetenzen zu investieren.
Dabei wären die volkswirtschaftlichen Erträge einer gezielten Förderung von KI-Technologien enorm. So kalkuliert die PwC-Studie “Auswirkungen der Nutzung künstlicher Intelligenz in Deutschland” mit einem BIP-Wachstum von 11,3% bis 2030 allein durch künstliche Intelligenz. Den absoluten Zahlen wäre dies ein Plus von knapp 430 Milliarden Euro. Dabei liegt das Potenzial vor allem in der Steigerung der Produktqualität sowie der Produktivität.
Tatsächlich erkennen viele deutsche Unternehmen diese Chance durchaus. Aus eigener Kraft werden sie die Potenziale aber vermutlich nicht heben können – es bedarf der gezielten staatlichen Förderung von Forschung, digitaler Infrastruktur und Bildung. Laut der PwC-Studie wären die größten Zuwächse übrigens in der Gesundheitsbranche, im Bildungssektor sowie im Groß- und Einzelhandel zu erwarten. Speziell der Gesundheitssektor, der international gesehen jetzt schon sehr hohe Investitionen in KI aufweist, sollte hierbei individuell gefördert werden.
Warum KI eine Frage des Vertrauens ist
Ein wichtiges Stichwort im Eckpunktepapier der Bundesregierung ist der Begriff „Vertrauen“. Es geht allerdings nicht nur darum, das Bürger (oder ökonomisch ausgedrückt: die Konsumenten) Vertrauen in die neue Technologie gewinnen – es auch darum, einen ausreichenden „Trust“ bei den maßgeblichen gesellschaftlichen, politischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Akteuren aufzubauen. So heißt es im Eckpunktepapier wörtlich: „Die Entwicklung der KI schreitet dynamisch voran, demgemäß muss auch die Strategie KI in ihrer Umsetzung dauerhaft mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft rückgekoppelt werden, um eine vertrauens- und innovationsfördernde KI-Kultur in Deutschland zu etablieren.“
Welcher Auftrag erwächst der Politik hieraus konkret? Vielen hiesigen Unternehmen fällt es immer noch schwer, die Risiken zu bewerten, zu adressieren und zu kontrollieren, die mit der Nutzung von künstlicher Intelligenz verbunden sind. Ein einfaches Beispiel: Zu den wichtigsten Herausforderungen für Firmen gehört es zu überprüfen, welche Sicherheitsvorkehrungen nötig sind, um zu gewährleisten, dass KI-gestützte Systeme auch wirklich wie beabsichtigt funktionieren. Denn gravierende Fehler in solch einem Bereich könnten für das betroffene Unternehmen schwere bis irreparable Konsequenzen haben.
Das bedeutet: Die staatliche Förderung von künstlicher Intelligenz darf sich nicht allein auf die rein finanziellen Aspekte beschränken. Es geht auch darum, die sozusagen kulturelle Kluft zwischen weiten Teilen der deutschen Wirtschaft und der noch immer recht jungen KI-Technologie zu schließen. Diesem Ziel könnte die Politik zum Beispiel näherkommen, indem sie ausgewählte KI-Lösungen sehr gezielt fördert und auf diese Weise peu à peu Vertrauenskapital anhäuft. Dabei geht es auch darum, dass Unternehmen den Zyklus eines KI-Systems erst einmal in Gänze verstehen lernen. Das wäre die Basis, um als nächsten Schritt eine Strategie zur Implementierung von KI zu entwickeln, ein geeignetes Implementierungskonzept zu erarbeiten und schließlich effektive Maßnahmen zum Betrieb und zur Überwachung sicherzustellen. Spätestens an diesem Punkt wären wir dem Ziel vertrauensvoller Lösungen bereits sehr nah.
Allerdings war auf nationaler Ebene bislang kein ganzheitlicher Ansatz zur Umsetzung dieser Aspekte erkennbar. Stattdessen dominiert eine fragmentierte und isolierte Bearbeitung einzelner Themenbereiche. Die Bundesregierung muss hier als steuerndes Organ eingreifen, um eine einheitliche Linie beispielsweise für KI-Data-Governance, KI-Risiko- und –Compliance-Anforderungen oder KI-Standards vorzugeben. PwC arbeiten derzeit daran, einen entsprechenden Anforderungskatalog gemeinsam mit Partnern aus der wissenschaftlichen Forschung zu erarbeiten. Daneben haben wir unter anderem auch im Bereich „Explainable AI“ ein wichtiges Asset geschaffen, um Transparenz, Überprüfbarkeit und Erklärbarkeit der Anwendung von KI Systemen zu fördern. Das Ziel, dass wir mit all diesen Initiativen zunächst einmal verfolgen, lautet: Vertrauen zu schaffen in die Sicherheit und die Fähigkeiten von künstlicher Intelligenz.
Die digitale Infrastruktur darf nicht zum Bremsklotz für AI werden
Als letzten Punkt ihres Eckpunktepapiers zählt die Bundesregierung diverse Sofortmaßnahmen auf – zu denen auch „der Infrastrukturausbau“ gehöre. So gut und richtig diese Absichtserklärung auch ist, es wird gelinde gesagt höchste Zeit, dass die Entwicklung der digitalen Infrastruktur hierzulande mit der notwendigen Dringlichkeit verfolgt wird. Denn Deutschland ist sowohl im europäischen als teilweise auch im globalen Vergleich weit abgeschlagen, was zum Beispiel die Versorgung von Haushalten mit Glasfaser-Anschlüssen betrifft. So betrug die Penetrationsrate laut des „IDATE for FTTh Council Europe” im September 2017 gerade mal 2,3%.
Auch bei der Abdeckung und Geschwindigkeit des Mobilfunknetzes muss die Bundesregierung enorm aufholen, um nicht noch weiter abgehängt zu werden. Im europäischen Vergleich belegt Deutschland einen der letzten Plätze, was die Abdeckung durch LTE-Netze und was die entsprechende Übertragungsrate betrifft. Das ist umso misslicher, da nicht mehr nur die Endverbraucher, sondern auch vermehrt von Unternehmen Streamingdienste oder Smart-Connectivity-Services (wie bspw. Smart-Home Applikationen) einsetzen.
Dabei hat sich die künstliche Intelligenz bereits als wichtiger Bestandteil solcher Angebote etabliert. Und die Bedeutung von KI wird in Zukunft immer wichtiger werden, um den Kunden (sowohl B2C auch B2B) individualisierte Dienstleistungen anbieten zu können. Das geht allerdings nur aus Basis eines schnellen und umfangreichen Datenaustausch – wofür vielerorts wiederum die infrastrukturellen Voraussetzungen fehlen. Das gilt übrigens nicht nur für das Glasfasernetz, sondern genauso für das Mobilfunknetz, schließlich dürften KI-Lösungen in Zukunft auch immer auf mobilen Endgeräten zum Einsatz kommen. Entscheidend ist die Konnektivität. Denn im Sinne einer zunehmenden Vernetzung müssen hinreichend Daten generiert werden, damit KI-Anwendungen überhaupt erst in die Lage versetzt werden, die nötigen Lernprozesse zu vollziehen. Die Bundesregierung sollte dem flächendeckenden und schnellen Datenaustausch in Deutschland also höchste Aufmerksamkeit schenken, damit die digitale Infrastruktur nicht zum Bremsklotz für die Entwicklung von KI in Deutschland wird.
Wie sollte der rechtliche und ethische Rahmen für den Einsatz von künstlicher Intelligenz aussehen?
Im Eckpunktepapier der Bundesregierung werden an mehreren Stellen die „ethischen und rechtlichen“ Aspekte erwähnt, die beim breitflächigen Einsatz von künstlicher Intelligenz beachtet werden müssen – wirklich konkret wird das Papier an diesen Punkten allerdings nicht. Tatsächlich wird die Frage, wie sich KI mit den bestehen Normen, Gesetzen und Regularien vereinbaren lässt (bzw. welche rechtlichen Reformen nötig sind), in Fachkreisen und in der Öffentlichkeit schon lange intensiv diskutiert. Dabei reichen die Themen vom Datenschutz bin hin zur Haftungsproblematik beim Einsatz von künstlicher Intelligenz in autonom fahrenden Autos. De facto herrscht aktuell in rechtlicher Hinsicht eine erhebliche Unsicherheit. Das zeigt eindrucksvoll und exemplarisch auch die jüngste Diskussion rund um autonome Preisabsprachen zwischen KI-Systemen.
Eines sollte dabei klar sein: Rechtliche Unklarheiten dürfen im Falle künstlicher Intelligenz nicht dauerhaft zum Investitionshemmnis werden – was übrigens auch für alle Fragen rund ums intellektuelle Eigentum gilt. Ansonsten wird Deutschland früher oder später endgültig den Anschluss an Länder wie China oder die USA verlieren. Die Politik sollte möglichst rasch Klarheit schaffen, welche bestehenden gesetzlichen Anforderungen an KI-Systeme gelten. Darüber hinaus steht sie in der Pflicht, schnell entsprechende umfassende Orientierungsleitfäden zu entwickeln und gleichzeitig mögliche Diskrepanzen zu identifizieren, die sich durch den Einsatz von KI-Technologie ergeben könnten.
Ebenso wichtig wie die rechtlichen sind die ethischen Standards. Mit der stetigen Weiterentwicklung von KI-Lösungen steigen die allgemeinen Risiken, die der Einsatz von künstlicher Intelligenz mit sich bringt. Ein Beispiel hierfür ist die zunehmende Verarbeitung teils sensibler Daten. Umso wichtiger ist es, ethische Richtlinien zu entwickeln, auf deren Basis sich Fehlverhalten durch KI selbst oder durch deren Nutzer erkennen und verhindern lassen. Ganz konkret wäre das eine Aufgabe für die Daten-Ethikkommission, die im Koalitionsvertrag genannt wird. Ihre Aufgabe sollte es sein, einerseits die Nutzer von KI zu schützen – und andererseits einen geeigneten Rahmen für den kommerziellen Einsatz zu schaffen.
Auch der Deutsche Ethikrat muss seine Kompetenzen beim Thema künstliche Intelligenz deutlich ausbauen und sich intensiver als bislang in die ethische Diskussion rund um KI-spezifische Themen einbringen. Denn: Die Aufgabe Deutschlands beschränkt sich nicht exklusiv auf die technische Entwicklung von KI, sondern sie umfasst genauso die aktive Gestaltung ethischer Grundsätze, übrigens auf nationaler ebenso wie auf internationaler Ebene. Die baldige Entwicklung ethischer Mindeststandards wäre ein Signal, dass die Politik nicht nur die finanziellen und die rechtlichen, sondern auch die moralischen Grundlagen schafft, damit sich die Bundesrepublik zum einem „KI-Land“ entwickeln kann.
Die Bedeutung der Datenökonomie für AI
„Wir wollen, dass unsere spezifischen Datenbestände zum Wohle von Gesellschaft, Umwelt, Wirtschaft und Staat nutzbar gemacht werden und sich KI-basierte Geschäftsmodelle in Deutschland entwickeln und zu neuen Exportschlagern werden“, heißt es im Eckpunktepapier der Bundesregierung. In der Tat sind valide Daten die aus technischer Sicht wichtigste Grundlage für den Einsatz von künstlicher Intelligenz überhaupt. Das bedeutet für die Politik, dass sie – um den Anforderungen der digital vernetzten Welt gerecht zu werden – den Austausch von Daten ebenso fördern muss wie den Umgang mit Daten.
Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass die Entwicklung marktfähiger Lösungen entscheidend davon abhängt, dass die Wirtschaft über eine kritische Masse von Lerndaten verfügt – denn ohne eine solche Datenbasis können sich KI-Systeme nicht weiterentwickeln. Eine gemeinsame Aufgabe von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ist es daher, Lerndaten vor absichtlicher und unabsichtlicher Manipulation zu schützen. Oder anders ausgedrückt: Es geht darum, Verfahren und Regelungen zu entwickeln, die eine Reinheit der Daten sicherstellen. Auch PwC versucht hierzu einen Beitrag zu leisten, unter anderem durch unser Mitwirken in der „International Data Spaces Association“, an der auch das Fraunhofer IAIS beteiligt ist.
Die europäische „Data Economy“ kam schon 2016 auf einen wirtschaftlichen Wert von rund 300 Milliarden Euro, zeigt im vergangenen Jahr eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie; bis 2020 soll sich dieser Wert demnach mehr als verdoppeln auf knapp 740 Milliarden Euro. Um die Entwicklung von neuen datenbasierten Produkten und Services zu fördern, arbeitet die EU momentan am Aufbau eines europäischen “Data Space”. Dieses Projekt darf durchaus als Vorbild für die Bundesregierung dienen, die die „Data Economy“ ebenfalls als zentrales Element in ihre Agenda aufnehmen sollte.
Von Christian Kirschniak und Hendrik Reese (PwC-Experten KI)
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