Für Anwenderunternehmen ist der Weg in die Cloud noch holprig

IT-meets-Press CEBIT18 (3)Expertenrunde ‚Multi-Cloud und Hybrid-Cloud‘ auf der CeBIT 2018: Kostenvorteile und Agilität locken in die Cloud – aber der Weg für die Anwenderunternehmen ist noch holprig.

Cloud ist wahrlich kein neues Thema, doch bei näherer Betrachtung kommt der Zug in den hiesigen Unternehmen erst langsam in Fahrt. Viele sehen sich dabei mit neuartigen Herausforderungen konfrontiert: Vom Kompetenzgerangel zwischen IT-Abteilung und Fachabteilungs-Anwendern, den technischen Hürden bei der Anwendungs-Migration bis zur richtigen Einführungsstrategie sind noch vielfältige Hindernisse zu beseitigen.

Wie es aktuell um die Cloud-Adoption im Mittelstand und in der Industrie steht, diskutierte eine hochkarätig besetzte Expertenrunde am 13. Juni beim IT-meets-Press-Roundtable auf der neuen CEBIT 2018 in Hannover.

Teilnehmer an der IT-meets-Press-Runde im CEBIT Executive Club waren Erich Vogel (Cloud Leader bei der Computacenter AG), Andreas Zipser (Vice President Sales Central Europe bei Sage), Eckhard Schwarzer (stellvertretender Vorstandsvorsitzender DATEV eG), Ralf Klemke (Leiter Strategie und Geschäftsfeldentwicklung bei PlusServer), Dr. Martin Wunderli (CTO bei Trivadis), Silvio Kleesattel (CTO bei Beck et al. Services), Patrick Quellmalz (Geschäftsführer VOICE-CIO Service GmbH) und Heiko Henkes (Director Advisor bei der ISG). Die Macher von IT-meets-Press, Christoph Witte und Wolfgang Miedl moderierten die Podiumsdiskussion.

Wer hätte das gedacht? Die Einführung von Cloud-Lösungen in den Unternehmen ist keinesfalls der lockere Spaziergang, der uns von den großen Anbietern seit Jahren versprochen wird. Heiko Henkes, Analyst beim Marktforschungs- und Beratungshaus ISG, berichtete in seinem Einführungsvortrag von Beispielen aus großen Unternehmen: „In großen Konzern müssen erst mal hunderte von Applikationen analysiert werden, ob und wie sie sich zur Überführung in die Cloud eignen. Das sind Mammutaufgaben für die IT-Organisation und die Geschäftsbereiche.“

Es sind aber nicht nur technische Themen, die der schnellen Cloud-Adoption im Weg stehen können. Auch organisatorische und strategische Aspekte sollten beim Umstieg auf Cloud-Services bedacht werden. Einer davon ist die mögliche Entmachtung der IT-Abteilung, so Henkes: „Wenn die IT-Abteilungen nicht schnell genug reagieren, beschaffen sich die Fachabteilungen selbständig neue Lösungen auf Basis von Hyperscalern wie AWS oder Azure. Auf diese Weise entstehen am Ende ganz neue Silos.“

 

Steigende Komplexität für die IT-Abteilungen

IT-meets-Press CEBIT18 (2)In das selbe Horn stößt Patrick Quellmalz, der als Sprecher des VOICE-Anwenderverbands die Unternehmensseite vertrat. Er kennt die Sichtweise der Cloud-Verantwortlichen von großen Konzernen und spricht von einem Spannungsfeld zwischen IT-Abteilung und Anwender: „Die Anwender erwarten, dass sie schnell alle Leistungen beziehen können – am besten aus der Cloud, und mit Kreditkarte bezahlt. Mit den teils statischen Prozessen ist das heute aber nicht immer möglich. Die IT-Abteilungen erkennen aber diese Bedürfnisse und wandeln sich zum Business-Enabler. Gefragt sind heute nicht mehr feste Regeln, sondern eher Leitplanken, an denen sich die Anwender orientieren können.“

Erschwerend kommt hinzu, dass sich beispielsweise in den DAX-30-Unternehmen das Cloud-Engagement noch sehr unterschiedlich gestaltet. Viele befassen sich allerdings bereits mit Cloud-Governance, um solche Szenarien unter Kontrolle zu bringen, und entwickeln Frameworks für eine IT-betreute Cloud-Nutzung.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei kleinen und mittleren Unternehmen ab, wie Martin Wunderli, CTO beim IT-Dienstleister Trivadis konstatierte: „Die IT-Abteilungen stellen fest, dass die Mitarbeiter Cloud-Dienste nutzen, und müssen dann überlegen, wie sie damit umgehen sollen. In diesem Zusammenhang wird immer deutlicher, dass auf die IT eine neue Rolle zukommt, sie vollzieht eine Wandlung vom Hardware-Bereitsteller zum Cloud-Broker.“

Spannend ist dabei die Frage, wie den IT-Organisationen dieser Wandel gelingt. Als nützliche Partner für die Transformation stehen ihnen dabei die Serviceprovider zur Seite, wie Erich Vogel (Cloud Leader bei der Computacenter AG) ausführte: „Die IT muss sich in den Unternehmen zu einem Umsetzungspartner entwickeln, den die Fachbereiche akzeptieren. Wichtig ist dabei, dass man die Governance-Mittel richtig einsetzt, um mit dem Serviceangebot als Partner und nicht als Verhinderer wahrgenommen zu werden. Dafür braucht es IT-Verantwortliche, die die Beraterrolle beherrschen und sich in die Bedürfnisse der Fachabteilungen hineinversetzen können.“

 

Was ist der richtige Weg in die Multi- und Hybrid-Cloud?

Eine vieldiskutierte Frage war die nach dem richtigen Vorgehen beim Einstieg in die Cloud. Während neu gegründete Unternehmen ohne Altlasten in die Cloud starten können, verfügen ältere Unternehmen in der Regel über klassische On-Premise-Infrastrukturen, die sich nicht von heute auf morgen umschalten lassen. Als Brücke in die Cloud setzt man hier auf hybride Architekturen, die einen schrittweisen Umstieg ermöglichen. Allgemeingültige Vorgehensweisen gibt es dabei kaum, es kommt auf die individuelle Betrachtung an.

Beim großen IT-Dienstleister Datev beispielsweise blickt man auf eine jahrzehntelange Historie zurück und hat schon vor dem Cloud-Hype den Handlungsbedarf erkannt, wie Eckhard Schwarzer stellvertretender Vorstandsvorsitzender DATEV eG, berichtete: „Uns ist der reibungslose Datenfluss zwischen den Unternehmen und ihren Steuerberatern wichtig. Deshalb haben wir uns nach außen zu allen relevanten externen IT-Ökosystemen geöffnet und bieten leistungsfähige Schnittstellen an. So lassen sich mittlerweile viele Systeme an die DATEV-Cloud anbinden – darunter Lösungen von SAP, Lexware, Sage, Microsoft oder aus der Salesforce-Welt. Die Anwender können auf diese Weise medienbruchfrei auf nahezu beliebige Cloud-Systeme zugreifen und Daten austauschen.“

 

Hybride Architekturen als Brücke in die Cloud

Auch in klassischen mittelständischen Unternehmen kann ein solcher Weg der Öffnung der ideale Einstieg sein, schildert Andreas Zipser, Vice President Sales Central Europe bei Sage: „Aus diesem Grund haben wir im ERP-Bereich neben rein cloudbasierten Lösungen auch nach wie vor On-Premise-Anwendungen im Angebot, die über vielfältige Schnittstellen nach außen für flexible Anbindungsmöglichkeiten zu Salesforce, Office 365, Google und anderen Diensten verfügen. So können Anwender beispielsweise problemlos Rechnungen aus der Finanzbuchhaltung mit Office 365-Teamräumen teilen.“

Auch in den kleinen und mittleren Unternehmen kommt es darauf an, sich den richtigen Partner für Governance und Technologieentscheidungen an Bord zu holen, sagte Ralf Klemke, Leiter Strategie und Geschäftsfeldentwicklung bei PlusServer: „Wir analysieren in solchen Szenarien erst einmal die Anwendungen auf ihre Cloud-Fähigkeit, betrachten Kosten- und Lizenzoptionen und wählen dann den passenden Hyperscaler aus. Im Sinne des Hybridmodells binden wir bei Bedarf auch noch leistungsfähige Server im Rechenzentrum mit ein.“

 

Es entstehen neue Jobs und neue Rollen

Ein weiterer Aspekt, der in der Expertenrunde dann noch zur Sprache kam, ist die Veränderung der Jobs und der Rollen in der IT durch die Transformation ins Cloud-Zeitalter. Die Anforderung an neue Kompetenzen beginnt bei den völlig veränderten Release-Zyklen, sagte Silvio Kleesattel, CTO bei Beck et al. Services: “Früher verlief der Austausch von IT-Infrastrukturen über mehrere

Jahre, heute betragen die Release-Zyklen für neue Funktionen nur noch einige Wochen. Und auch die Beschaffung hat sich einschneidend geändert, von Lizenzen zu Subskriptionen, deren Nutzung man messen und optimieren kann.“

So stand am Ende noch die Frage nach der Perspektive des Cloud-Marktes im Raum. Henkes konstatierte hier aus seiner Analystensicht, dass mit einer starken Konsolidierung der Anbieter zu rechnen sei. Außerdem erwartet er, dass die Unternehmen wieder in Richtung einer IT-Zentralisierung tendieren werden.

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