Eine privatisierte Mitel kann besser im Cloud-Markt agieren

Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur
Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur

Nachdem Mitel viele Firmen (Aastra, PrairieFyre Software, OAISYS, Polycom, Shortel, usw.) aufgekauft hat, wird jetzt das Hauptunternehmen von Private-Equity-Investoren geschluckt. Dadurch soll die Transformation des Unternehmens als Cloud-Anbieter vorangetrieben werden.

Mitel gab bekannt, dass das Unternehmen eine Vereinbarung über eine von Searchlight Capital Partners geführte Investorengruppe für rund 2 Milliarden US-Dollar unterzeichnet hat. Diesen Schritt habe ich schon lange erwartet. Ich habe keine Wall-Street-Gerüchte zu diesem Verkauf vernommen, da sich Mitel in der Vergangenheit nicht zum Verkauf angeboten hat. Aber irgendwie hatte ich immer das Gefühl, dass das Unternehmen besser in Privatbesitz als an der Börse aufgehoben wäre. Schließlich weiß jeder, der in den vergangenen fünf Jahren die Mitel-Aktivitäten verfolgt hat, dass das Unternehmen mit allen Anstrengungen versucht hat, die Geschäftsaktivitäten von den lokalen Installationen hin in die Cloud zu verlagern.

Mitel war der erste On-Premise-Anbieter, der seine Lösung in einer virtuellen Maschine anbot und somit irgendwie bereits in der Frühzeit der Kommunikation mit der Private-Cloud gespielt hat. Auch die vor einem Jahrzehnt realisierte Übernahme von Inter-Tel deutete bereits den Umzug in die Cloud an. In jüngster Zeit sorgte das bisherige Toshiba-Geschäft in Nordamerika für weiteren Zuwachs in der Cloud und mit Shoretel hat Mitel eine hervorragende Multi-Tenant-Plattform im Programm. Dadurch hat das Unternehmen einen entscheidenden Vorteil im weltweiten Wettbewerb: Die Umwandlung der bereits bestehenden Kunden zu Cloud-Nutzern ist viel einfacher ist als die Gewinnung neuer Kundensegmente.

Mitel scheint inzwischen alle benötigten Teile zu besitzen um durchgehende private, öffentliche oder hybride Clouds zu liefern. Jedes Unternehmen, das ich kenne hat inzwischen eine Strategie erarbeitet, um ihre Kommunikation in die Cloud zu verlagern. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine geplante Cloud-Lösung auf einem Public-Cloud-Konzept beruht. Mitel kann inzwischen eine Cloud-Lösung für jeden Geschmack liefern. Warum bevorzugen viele Unternehmen die private Cloud? Die Antwort lautet Geschwindigkeit und Flexibilität.

Als börsennotiertes Unternehmen musste Mitel eine Reihe von konkurrierenden Prioritäten abwägen. Im Vordergrund stehen hier die Verwendung des Kapitals zum Abbau von Schulden oder den Rückkauf von Aktien. Durch die Umwandlung des Unternehmens zur Privatfirma erhält Mitel mehr Flexibilität, um dort zu investieren, wo es nötig ist, um den die Umwandlung des Geschäfts in die Cloud voran zu bringen.

 

Für börsennotierte Unternehmen ist die Umsetzung einer Cloud-First-Strategie schwierig

Darüber hinaus muss sich Mitel zukünftig um seine Quartalszahlen und seine Aktionäre keine Sorgen mehr machen. Das Quartalsdenken steht der Umstellung auf ein monatliches Umsatzmodell mit wiederkehrenden Einnahmen, wie es sich bei einer Cloud-First-Strategie ergibt, diametral entgegen. Während das klassische Verkaufskonzept von VoIP- und UC-Systemen das Geld sofort in die Kassen spült, muss beim Cloud-Modell die Dauer der Vertragslaufzeit in die Berechnung einbezogen werden. Dadurch werden jedoch Umsatz und Marge kurzfristig verwässert. Ein Anbieter profitiert von einem Cloud-Vertrag in der Regel erst nach drei oder mehr Jahren. Darin besteht die große Herausforderung des Marktes. Durch die Privatisierung hat sich Mitel den Freiraum zur Wandlung geschaffen, den das Unternehmen braucht.

Der Großteil des UCaaS-Umsatzes stammt bei Mitel vom nordamerikanischen Markt. Die europäischen Märkte stehen zwar in den Startlöchern, kommen jedoch nicht so voran, wie dies ursprünglich geplant war. Aus meinen Gesprächen mit Mitel weiß ich, dass das Unternehmen seine Chancen in Europa nutzen will, und es sich nicht leisten kann, die kommenden Cloud-Deals an die Quartalszahlen anzupassen. Als Privatunternehmen kann Mitel den Cloud-Markt in Europa besser vorbereiten und dann von den einem Umstieg der Kunden in die Cloud profitieren, wenn diese hierfür bereit sind.

Searchlight verfügt seinerseits über viel Cloud-Erfahrung und ich glaube, dass dies ein ausgezeichneter Partner für Mitel sein wird. Da sich Searchlight normalerweise nicht in das Management-Team der aufgekauften Firmen einmischt, hat Mitel den Freiraum sich für die Cloud-Transformation optimal aufzustellen. Das Mitel-Management bleibt erhalten und Mitel wird zusammen mit der Unterstützung der Searchlight-Fonds das Unternehmen umwandeln, ohne dass die Handschellen der Wall Street die zukünftigen Aktivitäten behindern.

#Netzpalaver ‚Mitel