Ein etwas anderer Blick auf die Cloud

Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur
Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur

Die Kommunikationsanbieter wollen ihre Kunden in die Cloud zwingen. Jedoch sind viele der heute verfügbaren Cloud-Modelle kurzsichtig und unausgereift.

Gegen alle Marketingkampagnen und gegen alle derzeitigen Trends in der Computer-Industrie verkünde ich hiermit laut und deutlich meine Meinung: In Zukunft werden nicht 100 Prozent aller Nutzer und Anwendungen in der Cloud landen! Je mehr ich mit Unternehmen spreche, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass die Cloud die einzige Antwort für viele, viele Unternehmen sein wird. Aber auch wenn der Cloud-Markt das starke Wachstum weiterhin fortsetzt und die Cloud-Lösungen die klassischen Enterprise-basierten Lösungen überholen, glaube ich, dass die Hersteller und Systemintegratoren auch weiterhin bedarfsorientierte Lösungen für ihre Kunden anbieten müssen.

Basierend auf Gesprächen, die ich mit CIOs, IT-Profis, Beratern und Anbietern in den vergangenen Monaten geführt habe, glaube ich immer fester daran, dass praxisorientierte Lösungen für die absehbare Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden.

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich denke, die Cloud-Kommunikation und UCaaS sind großartige Lösungen und bieten einen großen Nutzen für viele Unternehmen. Aber das bedeutet nicht, dass die Cloud alle Probleme löst. Aus diesem Grund sollten die Cloud-Provider und die Systemintegratoren die Unternehmen nicht zu einem schnellen Umstieg in die Cloud drängen. Oftmals kommt der langsam und überlegt handelnde Unternehmer schneller zum Ziel.

UCaaS und die Cloud-Kommunikation macht Sinn für kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) und Firmen mit primär entfernt bzw. mobile agierenden Mitarbeitern, Unternehmen mit schwankendem Personalbestand oder Unternehmen mit kleinen IT-Abteilungen, die das Management ihrer UCC-Systeme auslagern wollen. Aufgrund der kontinuierlichen Propaganda der verschiedensten Werbe- und Marketingmaßnahmen der Cloud-Anbieter. gibt es heute sicherlich kein Unternehmen mehr, welches nicht über die unzähligen Cloud-Vorteile, einschließlich der Geschwindigkeit der Bereitstellung, die Verwaltung der Ressourcen, die Schnelligkeit beim Umsetzen der neuesten Releases und die hohe Flexibilität bestens Bescheid weiß. Daher wird die Zahl der Unternehmen, die sich in den diversen Clouds tummeln, weiter zunehmen. Dennoch sollten die Cloud-Anbieter nicht ihre Kunden in ihre Cloud-Modelle zwingen.

Mehrere Kommunikationsberater, mit denen ich kürzlich sprach, sagten einheitlich aus, dass ihre Kunden zwar  Cloud-Lösungen nachfragen und auch Cloud-Optionen überprüfen lassen wollen, die Mehrheit der Kunden jedoch immer noch auf die private Cloud (sprich: eigenes Rechenzentrum) oder eine Hybrid-Cloud-Variante anstrebt. Auch aus dem Lager der Systemintegratoren vernimmt man immer wieder, dass die Kunden mehr über die Cloud-Möglichkeiten erfahren wollen, aber die Mehrheit der Kunden die Lösungen kauft (bzw. mietet), um diese im eigenen Unternehmen (Rechenzentrum) zu implementieren,

Gemäß den Aussagen der Berater und Systemintegratoren scheint in den Unternehmen derzeit die hybride Cloud zu den populärsten Cloud-Modellen zu gehören. Dies macht Sinn, da die Unternehmen bei dieser Cloud-Variante ihre bisher getätigten Investitionen (und Geräte) weiterhin nutzen können. Dies gilt auch insbesondere für größere Unternehmen, die über eine Vielzahl von Produkten von verschiedenen Anbietern verfügen.

Viele Unternehmen schrecken vor dem vollständigen Umzug in die Cloud zurück. Dies hat meist mehrere Gründe. Als die häufigsten werden die Kosten, der Kontrollverlust und Sicherheitsbedenken genannt. Obwohl die UCaaS- und Cloud-Provider die Sicherheits-Features ihrer Cloud-Angebote verbessert haben, zweifeln ein guter Teil der potenziellen Kunden aus dem Gesundheitswesen und der öffentlichen Verwaltung an der Wirksamkeit dieser Maßnahmen. Ein Berater, der sich auf Krankenhäuser und den Gesundheitsmarkt spezialisiert hat, stellte fest, dass sich keiner seiner Kunden in absehbarer Zeit in die Cloud bewegen wird. Der Grund hierfür ist neben trivialen Datenschutzbedenken die Tatsache, dass die Unternehmen in der Cloud nicht mehr die volle Kontrolle über ihre Kommunikationslösungen und den Betrieb haben. Eine andere wichtige Frage bezieht sich auf die Kosten. Sobald man seine Hausaufgaben macht und seine Mathematikkenntnisse anwendet, merkt man, dass die Gesamtkosten einer Cloud-Lösung viel größer sind als die Kosten einer im eigenen Unternehmen realisierten Lösung. Auch wenn die Kosten nicht den primären Entscheidungsfaktor darstellen, haben viele Unternehmen ein Problem damit, für die gleiche Leistung einen höheren Preis zu bezahlen.

Ich glaube, dass alle Entscheidungen letztendlich darauf basieren, dass ein Kunde, die für ihn optimale Wahl treffen will. Die Unternehmen haben auch im Cloud-Zeitalter die Pflicht, die beste Lösung auszuwählen, die ihre Bedürfnisse abdeckt. Daher ist es wenig sinnvoll, dass immer mehr Cloud-Anbieter auf Gedeih und Verderb potenzielle Kunden in die Cloud zwingen. Dabei ist es eine Tatsache, dass viele VoIP- und UC-Hersteller den größten Teil ihres Umsatzes immer noch vor Ort beim Kunden machen und daher ein realistischeres Angebot – als den von der jeweiligen Marketing-Propaganda vertretenen Lösungsansatz – bereithalten.

Fazit

Wie ich eingangs bemerkte, haben Unternehmen viele, viele gute Gründe für einen Umzug ihrer IT-Lösungen in die Cloud. Ich bin auch der Meinung, dass , eine große Mehrheit der Unternehmen diesem Trend folgen wird. Allerdings sollten die Hersteller und auch die Systemintegratoren erkennen, dass einige Unternehmen aus vielerlei Gründen darauf bestehen, dass ihre Kommunikationssysteme vor Ort installiert und somit direkt unter ihrer Kontrolle bleiben. Da unsere Kunden immer im Recht sind, sollten wir jedem Kunden die Möglichkeit geben, die richtige Wahl für seine besonderen Bedürfnisse zu treffen.

#Netzpalaver