Der Short-Messaging-Service steht unter Druck von Apps, die weit mehr können als nur Nachrichten verschicken. Die SMS ist seit 1992 fester Bestandteil der Telekommunikation. Allerdings hat ihre Bedeutung nach Erreichen des Höhepunkts mit 59 Milliarden SMS im Jahr 2012 in Deutschland stetig nachgelassen – auch wenn es von 2020 auf 2021 einen leichten Anstieg (von 7 auf 7,8 Milliarden) gab.
Zwei der Funktionen, für die SMS nach wie vor unerlässlich scheinen, sind die Zwei-Faktor-Authentifizierung, zum Beispiel für Google, und der Versand von TANs für das Online-Banking. Da aber immer mehr Banken den Anwendern die Nutzung von eigenen Apps, über die dann auch TANs versendet werden, zwingend vorschreiben, dürfte die Relevanz von SMS für diesen Zweck weiter nachlassen. Wird also die SMS als Kommunikationsmittel bald gänzlich verschwinden? Dr. Christian Stredicke, CEO von Vodia Networks, hofft, dass das nicht passieren wird. Und er führt hierfür gute Gründe an.
Obwohl Telefongesellschaften mittlerweile weitgehend auf zusätzliche Gebühren für den Versand von SMS verzichten, nutzen immer mehr Menschen vor allem Messengerdienste wie Whatsapp für Textnachrichten sowie den Austausch von Bildern, Fotos sowie Videos und selbst für Telefongespräche. Marktführer Whatsapp hat nach eigenen Angaben derzeit über 2 Milliarden Nutzer weltweit3, in Deutschland nutzten 2022 sogar 68 Prozent aller Anwender Whatsapp täglich. In China, wo Whatsapp geblockt ist, benutzen 75,7 % der Bevölkerung mindestens einmal monatlich Wechat.
Alles aus einer Hand
Dabei gehen die Funktionen der Messengerdienste weit über die reine Textnachricht wie bei der SMS hinaus. Dank der großen Anzahl an Nutzern macht es für die Betreiber Sinn, weitere Dienste anzubieten. So kann man beispielsweise bei Wechat Geld überweisen und bei Whatsapp an Diskussionsforen teilnehmen. Und zum Telefonieren eignen sich die Chat-Apps auch. Obwohl Mobilfunkbetreiber kaum noch im Minutentakt abrechnen und stattdessen in der Regel eine Flatrate fürs Telefonieren anbieten, sind Gespräche bei den Chat-Anbietern dank großzügiger Datenvolumina ebenso kostenlos, und zwar national wie international. Somit erreichen die Chat-Anbieter, dass die Benutzer möglichst alles aus einer App heraus erledigen – der Wechsel zu einer anderen App ist damit überflüssig.
Allerdings ist Vorsicht geboten: Denn die Chat-Anbieter sind nicht gerade dafür bekannt, sich von den Daten ihrer Nutzer fernzuhalten – anders als die hiesigen Telefongesellschaften, die strengen rechtlichen Maßgaben unterliegen. Benutzer dürfen nicht vergessen, dass kostenlos nicht bedeutet, dass die App-Anbieter kein Geld verdienen. Bezahlt wird in der Regel auf eine andere Weise, zum Beispiel über das Verkaufen von Daten.
Europa steht nur am Spielfeldrand
Dabei spielt Europa in diesem Geschäft praktisch keine Rolle. Die wichtigsten Anbieter kommen aus den USA oder Asien – und deren Profite fallen folglich nicht in Deutschland oder Europa an. Klar sein muss allen, dass die so gewonnenen Daten nicht nur meistbietend online versteigert, sondern auch als Trainingsdaten für die künstliche Intelligenz verwendet, also kommerziell verwertet werden. “Den meisten Anwendern ist das entweder nicht bewusst oder egal. Warum für eine MMS bezahlen, wenn es mit Whatsapp kostenlos und bequemer geht?”, so Dr. Christian Stredicke.
Und er ergänzt: “Erfreulicherweise gibt es einen nennenswerten Widerstand durch Rich Communication Services (RCS) – was man als nächste Generation SMS bezeichnen könnte. Vor ein paar Monaten gab es eine Ankündigung von Apple und Google, RCS besser zu unterstützen. Da praktisch der gesamte Verkehr über das Handy läuft, macht es Sinn, dass sich die beiden zusammentun und den Nutzern eine brauchbare Alternative in die Hand geben. Apple hat immerhin mit iMessage eine echte Alternative zu Whatsapp; und dies könnte helfen, nicht alles in den Schoß von Meta und Tencent zu legen.”
Geschäftskunden
Für Unternehmen, die mit ihren Kunden in Kontakt bleiben wollen, stellt sich die Frage, welche Dienste sie dafür verwenden sollen. In Deutschland gilt die Festnetznummer immer noch als die beste, weil seriöseste geschäftliche Option für die Kommunikation mit Kunden. Lösungen von Chat-Anbietern haben dagegen hier noch immer ein „Geschmäckle“ und halten Kunden möglicherweise davon ab, darüber mit einem Unternehmen in Kontakt zu treten. Hinzu kommt, dass mit keinem Chat-Anbieter 100 % der eigenen Kundschaft erreicht wird – per SMS allerdings jedes Handy.
Gerade wenn Kunden zunächst die Festnetznummer anrufen und dann zwischen Text und Sprache wechseln wollen, macht SMS in der Geschäftskommunikation Sinn. Technisch spricht nichts dagegen, diese Nummer auch für Textnachrichten zu verwenden. Dies setzt voraus, dass sowohl die Telefonanlage als auch der SIP-Anbieter SMS unterstützen. “Die Vodia PBX hat SMS seit Jahren eingebaut, vor allem für den amerikanischen Markt, wo es keine speziellen Nummern für Handys gibt. In DACH wird erwartet, dass einige SIP-Anbieter im Jahr 2024 dies auch möglich machen und dann Festnetznummern auch über SMS angesimst werden können,” so Dr. Christian Stredicke.
“Wenn im Internet nach der Adresse einer Firma gesucht wird, werden Kunden hoffentlich bald neben dem Knöpfchen fürs Anrufen ein Knöpfchen fürs Simsen sehen – und zwar unter der gleichen Nummer. Denn wenn beides unter ein und derselben Nummer läuft, ist es viel leichter für die Benutzer, auf einen Blick zu sehen, mit wem gesprochen und getextet wurde. Kunden können dann bequem über Text mit Restaurants, Ärzten und anderen Firmen in Kontakt treten, ohne eine spezielle App installieren zu müssen. Das Telefonnetz würde damit etwas länger öffentlich bleiben.”
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