Der Markt ist umkämpft, die Zeit knapp und das Budget begrenzt – das Arbeiten in der Software-Entwicklung ist oft kein Zuckerschlecken. Wohl dem, der mit ein paar Tricks und Abkürzungen die Time-to-Market auf dem Papier deutlich senken kann. Natürlich, die Anwendung ist dann noch nicht komplett ausgereift und greift auf zahllose Abhängigkeiten zurück – aber fertig ist eben fertig, der Feinschliff kommt eben etwas später. Oder? Die Praxis zeigt, dass Denkweisen wie diese immer noch verbreitet sind und nicht wenige Unternehmen geradewegs in die Schuldenfalle laufen lassen. Oder besser gesagt, in die technische Schuldenfalle. Höchste Zeit also, einmal Klartext zu reden.
Fehlende Updates, vernachlässigte Wartung, fehlerhafte Umsetzung und fehlende Programmierstandards sind nur einige der Probleme, die mit der Zeit einen technischen Schuldenberg anhäufen – also den Aufwand und die finanziellen Mittel, die notwendig sind, um ein technisches Problem in einer bestehenden Applikation zu lösen. Im Alltag schieben Entwicklerinnen und Entwickler die Überarbeitung und regelmäßige Wartung zu lange vor sich her oder vergessen sie ganz. Das ist fatal und kann weitreichende Folgen nach sich ziehen. Haben einzelne Komponenten schon ihr End-of-Life erreicht oder sind sie nach den vielen Updates und Anpassungen überhaupt noch kompatibel? Der angestaute Modernisierungsprozess führt schnell dazu, dass die Applikation nicht mehr wirtschaftlich ist oder die nicht schließbare Sicherheitslücke eine Abschaltung notwendig macht. Keine sonderlich guten Aussichten. Warum passiert es also immer noch so oft? Weil viele Anbieter aus der IT-Branche teilweise zu kurzfristig denken, schnelle Lösungen anbieten wollen und die oft utopischen Kundenwünsche in viel zu kurzer Zeit mit viel zu wenig Budget umsetzen. Oder es eben mit Kompromissen und halbgaren Lösungen versuchen. Wir müssen weg von dieser Praxis und zurück zu nachhaltigem, gutem Code, der mit entsprechender Wartung lange und zuverlässig läuft.
Vergleichbar ist das Szenario der technischen Schulden mit der Instandhaltung eines Hauses. Schaut der Inhaber dem Verfall zu und spart bei den nötigen Renovierungsarbeiten, wird er nach einiger Zeit vor einer Schrottimmobilie stehen, deren Abriss unter dem Strich günstiger ist. Ob Software oder Haus – regelmäßige Investitionen zum Erhalt und der Verbesserung sind alternativlos. Deshalb gilt: lieber gleich das Fundament richtig legen, keine technischen Schulden anhäufen und langfristig planen. Auch wenn eine schnelle Time-to-Market und niedrigere Kosten verlockend erscheinen, die hier gemachten Schulden wollen eines Tages beglichen werden. Sehen wir unsere Anwendungen daher lieber als fortlaufende Prozesse, deren Wartung ein fester Bestandteil im Alltag ist. Und sind wir ehrlich, Software mit regelmäßigen Updates auf dem aktuellen Stand zu halten, ist vielleicht manchmal nervig, aber keine Raketenwissenschaft. Über das Ergebnis freuen sich übrigens auch die Kompatibilität und IT-Sicherheit.
Ist das Kind allerdings schon in den Brunnen gefallen, nützt es nichts, die Augen vor dem technischen Schuldenberg zu verschließen – hier ist aktives Handeln gefragt. Das beste Mittel gegen technische Schulden ist und bleibt allerdings guter Code, der in ausreichender Zeit, ohne Kompromisse geschrieben wurde und regelmäßige Wartung erfährt. Suchen wir nicht länger nach Abkürzungen und faulen Tricks, die später so richtig teuer werden können. Lieber updaten als abschalten.
Von Nadine Riederer, CEO bei #Avision