„Europe gets its Identity back“

Dr. Christian Schläger, Build38

Europa muss sich emanzipieren – sowohl politisch, in Fragen der Verteidigung, als auch im lange vernachlässigten Bereich der Digitalisierung. Die Europäer haben sich zu sehr auf den Lorbeeren vergangener Tage ausgeruht. Die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte entfalten nun ihre Wirkung. Uns wird dieser Tage schmerzlich bewusst, wie eng sich die Schlinge der Abhängigkeiten um uns zuzieht und uns der Agilität und Bewegungsfreiheit beraubt, die die EU als souveräne Kraft in der globalen Arena so dringend benötigt und die uns als größter Wirtschaftsraum der Welt auch gebühren würde.

Die von der Pandemie verursachte Unterbrechungen der Lieferketten hat aufgezeigt, dass wir unter der Fahne der Globalisierung zu viele Kompetenzen ins Ausland abgegeben haben. Der Ukrainekrieg hat verdeutlicht, dass Europa – insbesondere Deutschland – sich viel zu lange auf der sogenannten Friedensdividende ausgeruht und uns in eine verhängnisvolle Energieabhängigkeit geführt hat.

Die heutige Zeit verlangt von den europäischen Entscheidungsträgern, alle bisherigen Gewissheiten auf den Prüfstand zu stellen und die gewachsenen Abhängigkeiten aufzulösen. Ein solches, weitreichendes Vorhaben lässt sich natürlich nicht über Nacht in die Tat umsetzen. Es erfordert einen durchdachten, holistischen Ansatz, bei dem alle Missstände auf den Tisch gelegt und mit Sachverstand und Weitsicht analysiert werden müssen.

Es gibt aber auch Grund zur Hoffnung. Europa hat gezeigt, dass es im Angesicht existenzieller Bedrohungen mit einer Stimme zu sprechen vermag und die Kraft für substanzielle Veränderungen aufbringen kann. Deutschland hat gar eine Zeitenwende bei der Verteidigungspolitik ausgerufen. Unternehmen investieren nun mit Milliarden in den Standort Deutschland und leisten damit einen wichtigen Beitrag für die zukünftige Autarkie des europäischen Marktes.

Europa, insbesondere Deutschland, sollte sich jedoch an dieser Stelle nicht mit den erzielten Fortschritten begnügen und damit in die gleiche Behäbigkeitsfalle tappen wie schon zuvor.

Deutschland ist einer der Vorreiter, die sich vor allem mit Qualitätsarbeit und peniblen Sicherheitsstandards einen internationalen Ruf erarbeitet haben. Wir haben es durch jahrzehntelange Anstrengungen geschafft, aus dem als Schandmal konzipierten Warnhinweis „Made in Germany“ ein weltweit nachgefragtes Gütesiegel zu schmieden. Deutsche Sicherheitszertifikate genießen ein internationales Renommee, das seinesgleichen sucht. Wir sollten nun den Wind der Veränderung nutzen und diese Alleinstellungsmerkmale auf den digitalen Raum ausweiten. Dann könnte es in naher Zukunft bald heißen „IT-Security Made in EU, Certified in Germany“. Die Standards, wie die von vielen Ländern adaptierte DSGVO, haben wir bereits. An Ideen und Fachkompetenz hat es uns in Europa auch noch nie gefehlt. Nun ist es an der Politik, den Innovationsdrang der europäischen IT-Branche den Weg nach vorne zu bereiten, Mittel zur Verfügung zu stellen und anachronistische Hürden sukzessive abzubauen.

Die Zeit ist reif und der Wind der Veränderung will genutzt werden. Europa muss nun lediglich die Segel spannen und den Anker lösen.

#Build38