Die versteckten Kosten der ständigen Verfügbarkeit 

Heute sind Haushalte überfüllt mit vernetzten Geräten. Von „smarten“ Fernsehern, Lautsprechern und Glühbirnen bis hin zu Mikrowellen – smarte Geräte haben in den letzten Jahren stark an Popularität gewonnen. Experten prognostizieren, dass in diesem Jahr weltweit über 10 Milliarden IoT-Geräte in Gebrauch sind. Viele dieser Geräte sind immer eingeschaltet und verbunden und können mit einem einfachen Sprachbefehl bedient werden. Das bedeutet, dass die Geräte auch dann Daten verarbeiten, wenn sie nicht eingeschaltet sind. Dieser explosionsartige Anstieg der Datennutzung hat jedoch seinen Preis, und bisher haben die Telekommunikationsunternehmen davon die Hauptlast getragen.

Daten sind nicht kostenlos. Eine höhere Netzkapazität erfordert Energie, und Energie kostet Geld. Multipliziert mit den Millionen von Verbrauchern in einem Netzwerk werden die entsprechenden Auswirkungen erheblich. Die meisten Breitbandtarife, die von Telekommunikationsbetreibern angeboten werden, ermöglichen einen unbegrenzten Datenzugang zu einem festen monatlichen Preis, wobei die Pakete nach Bandbreite und nicht nach Gesamtdatenverbrauch berechnet werden. Das ist gut für die Verbraucher, die immer mehr streamen und neue vernetzte Geräte in ihren Haushalten installieren, aber immer noch den gleichen Preis für das Internet bezahlen. Für die Unternehmen, die das Netz bereitstellen, ist jedes zusätzlich verbrauchte Datenbit mit Kosten verbunden.

Die meisten Verbraucher sind nicht bereit, mehr für diese zusätzlichen Daten zu zahlen, die ihre IoT-Geräte mit Energie versorgen und das stundenlange Anschauen von Netflix ermöglichen. Das bringt die Telekommunikationsunternehmen in eine Zwickmühle. Wie können sie ihre Kunden bei Laune halten, ohne die Preise zu erhöhen, und gleichzeitig verhindern, dass sie von der großen Zunahme des Datenverbrauchs durch den Zustrom von vernetzten Geräten überfordert werden?

 

Die Herausforderungen des wachsenden Datenbedarfs 

Anbieter von Netzwerkdiensten können in der Regel mit einem jährlichen Wachstum ihres Netzwerk-Traffics von 35 bis 40 Prozent rechnen – eine Zahl, die mit der zunehmenden Verbreitung von vernetzten Geräten noch weiter steigen wird. Dieser Datenverkehr wird hauptsächlich über CDNs (Content-Delivery-Networks) bereitgestellt, die Kopien beliebter Inhalte auf Servern im gesamten Netzwerk speichern. Dies mindert zwar die Investitionen in das Kernnetz, trägt aber nicht zur Senkung der Kosten in den Zugangsnetzen bei, die immer mehr Daten und Strom verbrauchen.

In Hinblick auf den Datenverbrauch sind nicht alle angeschlossenen Geräte gleich. Einige verbrauchen nur kleine Datenmengen, wenn sie benutzt werden, wie z. B. ein Laptop, der zum Surfen im Internet benutzt wird. Smart-TVs hingegen gehören zu den größten Datensündern. Ein HD-TV-Stream verbraucht 5 MBit/s und ein 4k-Stream 10 MBit/s. Dieser Verbrauch ist immer dann konstant, wenn der Fernseher in Betrieb ist, wobei sich die insgesamt gesendeten Daten schnell summieren, wenn die Verbraucher eine Folge nach der anderen streamen.

Andere Geräte, die auf der Liste der Datennutzer ganz oben stehen, sind Video-Chat-Dienste wie Skype und Zoom, Spiele, eine CCTV-Überwachungskamera, die Backups in der Cloud erstellt, und Smart-Home-Geräte, die immer eingeschaltet und verbunden sind, auch wenn niemand zu Hause ist. Diese letzte Gruppe wird oft übersehen, wenn es um den Datenverbrauch geht. Es ist zwar leicht zu verstehen, dass stundenlanges Streaming von HD-Fernsehen eine Menge Daten verbrauchen kann, aber viele Menschen wissen nicht, dass ihre intelligenten Lautsprecher, Glühbirnen, Türklingeln und andere IoT-Geräte zu Hause ständig Daten an ihre jeweiligen Server senden. Aus diesem Grund sind sie immer sofort einsatzbereit, was aber auch dazu führt, dass jedes neue Gerät in einem Haushalt aus der Netzperspektive so kostspielig ist.

Die sozialen Isolierungsmaßnahmen, mit denen die aktuelle Covid-19-Pandemie eingedämmt werden soll, zeigen deutlich, was passiert, wenn dieser Anstieg des Datenverbrauchs so plötzlich erfolgt. Viele Menschen bleiben zu Hause und arbeiten remote. Und sie nutzen ihre Heimnetze viel stärker als sonst. In Europa waren die Netze nicht in der Lage, diesen Zustrom zu bewältigen, so dass die Anbieter von Webinhalten gezwungen waren, das Streaming von Videos nur in Standardauflösung zuzulassen. Während diese erhöhte Netzbelastung derzeit der Pandemie geschuldet ist, bietet sie auch einen Blick in die Zukunft, was passieren kann, wenn die Zahl der verwendeten Geräte steigt. Es zeigt sich, dass die Netze ihre Effizienz und Skalierbarkeit steigern müssen, um dem gewachsen zu sein.

 

Überwindung der Wachstumsbarrieren 

Da der Datenbedarf mit der zunehmenden Beliebtheit vernetzter Geräte weiter steigen wird, müssen Telekommunikationsunternehmen in der Lage sein, ihre Netze so zu skalieren, dass sie die steigende Datenlast bewältigen und gleichzeitig die Kosten senken können. Die Leistung der Netze wird immer ihren Preis haben, aber die Systeme, die die Daten über das Netz verteilen, können effektiver gestaltet werden. Umstrukturierungs-, Reorganisations- und Effizienzmaßnahmen stoßen bei der Lösung des Problems jedoch an ihre Grenzen.

Telekommunikationsunternehmen folgen seit Jahren dem gleichen Schema für den Netzwerkaufbau. Doch leider funktioniert dieses Konzept im Zeitalter der vernetzten Geräte nicht mehr. Um die Netze so anzupassen, dass sie mit modernen Technologien Schritt halten können, sollten Telekommunikationsunternehmen den Weg ihrer moderneren, cloudnativen Pendants einschlagen. Diese Unternehmen haben sich dadurch hervorgetan, dass sie ihre Infrastruktur mit Standardhardware aufbauen, unabhängige Software einsetzen und sie mit Zero-Touch-Provisioning-Systemen bereitstellen. Denken Sie nur einmal daran, wie einfach es für Facebook ist, eine neue Funktion einzuführen oder seine Plattform zu skalieren, die relativ problemlos einen großen Nutzungsanstieg bewältigen kann.

Es gibt keinen Grund, warum Telekommunikationsunternehmen dies nicht nachahmen und ihre Netze auf ähnliche Weise aufbauen sollten. Formal wird dies als Netzdisaggregation bezeichnet. Einfach ausgedrückt bedeutet dies, dass Netzwerksoftware und -hardware separat erworben werden. In der Vergangenheit wurden Netzwerkinfrastruktur und -software nur als Paket verkauft, aber mit der Modernisierung der Netzwerke und dem Bestreben, sich nach dem Vorbild der Internet-Natives zu entwickeln, ändert sich dies nun. Neben der einfachen Skalierbarkeit und Aktualisierbarkeit besteht der Hauptvorteil des disaggregierten Modells darin, dass die Kosten erheblich gesenkt werden. Dies wird von entscheidender Bedeutung sein, wenn die Zahl der angeschlossenen Geräte steigt.

Auch die Netzbetreiber müssen besser planen, um sicherzustellen, dass sie nicht in eine Situation geraten, in der sie mit dem steigenden Datenverbrauch nicht Schritt halten können. Die Abwälzung der Kosten auf die Verbraucher wird keine Option sein, da der Wettbewerb und die Innovation in diesem Bereich weiter voranschreiten. In dem Wissen, dass die Datennutzung weiter ansteigen wird, müssen Telekommunikationsunternehmen für die Zukunft planen und eine Netzwerkstruktur einführen, die es ihnen ermöglicht, Upgrades vorzunehmen, um mehr Daten und eine höhere Bandbreite für Geräte, die dies benötigen, bereitzustellen. Das bedeutet, dass sie den typischen Netzwerk-Upgrade-Zyklus, der alle paar Jahre stattfindet, hinter sich lassen und zu einem Modell übergehen müssen, das Skalierung und Software-Upgrades auf schnellere und kostengünstigere Weise ermöglicht.

Vernetzte Geräte müssen nicht den Untergang der traditionellen Telekommunikationsunternehmen und ihrer Netze bedeuten, aber ihr nahezu exponentielles Wachstum erfordert eine neue Denkweise beim Aufbau von Zugangsnetzen.

Von Hannes Gredler, Gründer und CTO von RtBrick 

Als Unternehmensgründer und CTO leitet Hannes Gredler die Vision und Richtung von RtBrick, einem Startup, das ein neuartiges Bare-Metal-OS entwickelt hat, das Routing- und Cloud-Technologien miteinander verbindet. Gredler verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in den Bereichen Technik und Support bei Alcatel (jetzt Nokia Networks) und Juniper Networks. Er ist Mitautor und Mitwirkender bei mehreren Entwürfen der Internet Engineering Task Force (IETF) und tritt regelmäßig als Redner auf Branchenveranstaltungen und Konferenzen auf. Zudem hält er mehr als 20 Patente im Bereich IP Multiprotocol Label Switching (IP/MPLS).