Flüssiglinsen optimieren die kontaktlose Authentifizierung beim Iris-Scan

Um Menschen zu identifizieren, kommt eine ganze Reihe von biometrischen Merkmalen in Betracht: Fingerabdrücke, die Stimme, Gesichtscharakteristika, die DNS oder das Muster von Handvenen. Zu den sichersten Verfahren zählt das Scannen der Iris im Auge. Denn diese weist ein komplexes Muster auf, das bei jedem Menschen anders ausfällt, selbst bei eineiigen Zwillingen. Deshalb eignet sich die Authentifizierung mithilfe der Iris-Erkennung für alle Anwendungen, bei denen die Identität einer Person zweifelsfrei ermittelt werden muss.

 

Einsatzfelder der Iris-Erkennung

Das kontaktlose Authentifizierung  mittels Iris-Scan lässt sich beispielsweise in folgenden Bereichen einsetzen:

  • Bei kommerziellen Anwendungen wie der Authentifizierung bei Bank- und Verkaufsautomaten, beim Anmelden an IT-Systemen und mobilen Endgeräten, bei Kreditkartentransaktionen und bei der Zugangskontrolle zu Gebäuden und Verkehrsmitteln,
  • in Behörden und öffentlichen Einrichtungen, etwa bei biometrischen Reisepässen und dem Führerschein oder
  • bei forensischen Analysen, beispielsweise im Rahmen von Ermittlungsverfahren.

Kontaktlose Authentifizierung

Ein Nachteil herkömmlicher optischer Linsen in Systemen für die Iris-Erkennung: Sie decken nur einen geringen Schärfentiefebereich ab. Außerhalb des Sektors werden die Aufnahmen unscharf.
(Bilder: Corning)

Zu den Vorteilen von Iris-Scans zählen die hohe Genauigkeit und Fälschungs-sicherheit. Beide Faktoren liegen in einem ähnlichen Bereich wie bei der Analyse der DNS. Das Scannen der Iris erfordert aber einen deutlich geringeren Aufwand. Durch die Corona-Pandemie ist ein weiterer Faktor in den Vordergrund gerückt: die Möglichkeit, die Authentifizierung berührungslos durchzuführen. Der Nutzer muss beispielsweise keinen Finger auf einen Fingerabdruck-Scanner legen, der nach jeder Benutzung desinfiziert werden müsste. Die Iris-Erkennung erlaubt es dagegen, einen User sicher, einfach und ohne Gesundheitsrisiken zu authentifizieren.

Dennoch kommt bislang die Authentifizierung anhand von Fingerabdrücken häufiger zum Einsatz als Verfahren, die auf dem Scannen der Iris beruhen. Der Grund: die höheren Kosten der Systeme für die Iris-Erkennung. So müssen entsprechende Scanner hochwertige Bilder der Regenbogenhaut erstellen, insbesondere von deren inneren und äußeren Grenzen. Außerdem sind bei solchen Lösungen statistische Inferenzmethoden nötig, um Verfälschungen der Messung durch Wimpern zu vermeiden.

 

Iris-Scan erfordert hohe Bildqualität

Eine Flüssiglinse fokussiert sich automatisch auf die Iris, wenn die Entfernung zwischen Auge und System variiert.

Aus diesen Gründen muss die Linse eines Iris-Scanners Aufnahmen mit hoher Auflösung ermöglichen. Zudem ist ein hoher Kontrast zwischen der Iris und der Pupille erforderlich. Eine weitere Anforderung ist, dass die Linse möglichst schnell und präzise auf die Iris fokussieren kann. Die hohe Auflösung erfordert Objektivlinsen mit einer langen effektiven Brennweite (Effective Focal Length, EFL). Dadurch beschränkt sich der Sichtbereich auf die Augen, nicht auf weitere Partien des Gesichts. Das ist wichtig, weil der ISO/IEC-Standard 29794-6:2015 Vorgaben bezüglich der Qualität der Aufnahmen von biometrischen Merkmalen macht. So muss die Auflösung von Aufnahmen mindestens 80 Pixel betragen, wenn eine Iris mit einem Radius von 5,1 Millimeter erfasst wird.

Ein Beispiel zeigt, wie der Bildsensor, die Brennweite und die Entfernung zwischen dem Auge und der Linse zusammenspielen: Ein Iris-Scanner ist mit einem Bildsensor mit einer Fläche von 1 2/3 Zoll ausgestattet. Die Pixel-Größe beträgt 2,5 mm, die Distanz zwischen Linse und Auge 70 cm. In diesem Fall darf die Brennweite der Objektivlinse maximal 26 mm betragen. Dann liegt das Sichtfeld (FOV, Field of View) bei einem akzeptablen Wert von 17 Grad.

 

Autofokussierung ist unverzichtbar

Bei Systemen für die Iris-Erkennung spielt zudem ein weiterer Faktor eine wichtige Rolle: die Autofokussierung. Konventionelle EFL-Linsen weisen nur eine geringe Schärfentiefe auf. Daher sollte der Abstand zwischen Auge und Linse beim Scan-Vorgang möglichst unverändert bleiben. Doch das lässt sich in der Praxis kaum einhalten. Häufig variieren die Entfernungen von wenigen Zentimetern bis hin zu einem Meter.

Eine Defokussierung bei der Aufnahme führt dazu, dass ein unbrauchbares Bild der Iris entsteht. Verhindern lässt sich das, indem die Linse manuell auf die Iris fokussiert wird. Diese Lösung ist jedoch für kommerzielle Einsatzfelder nicht praktikabel. Ein weiterer Ansatz sind Iris-Erkennungssysteme mit Stepper- oder Voice-Coil-Motoren. Sie sind jedoch nur für leichte Linsen ausgelegt, nicht für schwerere Modelle, die Scans über größere Entfernungen hinweg ermöglichen. Weitere Nachteile von Systemen mit Motoren sind der komplexe und damit fehleranfällige Aufbau mit diversen beweglichen Teilen sowie der höhere Energieverbrauch. Außerdem können die auftretenden Reibungskräfte nach einigen Hundert oder Tausend Fokussierungsvorgängen zu einem Ausfall des Systems führen.

 

Die Lösung: Flüssiglinsen

Die Integrationsoptionen von Flüssiglinsen: als Add-on oder Add-in.

Solche Einschränkungen weisen Flüssiglinsen nicht auf. Sie bestehen aus einer Zelle mit zwei Flüssigkeiten, die sich nicht vermischen – so wie Wasser und Öl. Legt man eine elektrische Spannung bis 70 V an der Linse an, ändert sich die Oberflächenspannung zwischen den Flüssigkeiten. Mithilfe des elektrischen Feldes lässt sich die sphärische Grenzfläche zwischen beiden Flüssigkeiten gezielt verformen – das so genannte Electrowetting (Elektrobenetzung). Durch die Verformung ändert sich wiederum die Brennweite der Flüssiglinse.

Zu den Vorteilen einer Flüssiglinse zählt, dass sie wenig Strom benötigt und zudem keine beweglichen mechanischen Komponenten enthält, wodurch der Verschleiß signifikant reduziert wird. Ein Authentifizierungssystem mit Iris-Erkennung, in dem Flüssiglinsen wie die Varioptic-Linsen von Corning zum Einsatz kommen, kann daher Millionen von Scan-Zyklen absolvieren. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass die Linse schneller und zuverlässiger auf die Iris fokussieren kann – auch bei wechselnden Entfernungen zwischen Iris und Scanner. Die Reaktionszeit liegt mit etwa 10 Millisekunden auf einem ähnlichen Niveau wie die des menschlichen Auges.

 

Beispiel Gebäudesicherung

Diese Autofokusfunktion ist beispielsweise für Authentifizierungs- und Sicherheitssysteme von Vorteil, die den Zugang zu Unternehmensgebäuden und Rechenzentren absichern. Solche Lösungen müssen für Nutzer mit unterschiedlichen Körpergrößen ausgelegt sein. Der Abstand zwischen dem Gesicht eines Nutzers und der Iris-Abtasteinheit beträgt typischerweise 30 bis 75 Zentimeter.

Bei einem Iris-Scanner mit einer herkömmlichen EFL-Linse (Brennweite 15 mm), einem Bildsensor von 1/2,3 Zoll mit einer Pixelgröße von 1,55 mm sowie einer Blendenzahl F# von 3,7 ergeben sich für die Schärfentiefe folgende Werte:

  • 3,3 cm bei 30 cm Abstand,
  • 9,2 cm bei 50 cm und
  • 21,4 cm bei 75 cm.

Sobald sich die Iris außerhalb dieses Bereichs befindet, sind unscharfe und damit unbrauchbare Aufnahmen die Folge. Vermeiden lässt sich das, wenn ein Objektiv mit einer Flüssiglinse während des Scan-Vorgangs automatisch optimal fokussiert. Die Augen und speziell die Iris werden dank der Flüssiglinse somit stets „scharf“ auf dem Sensor abgebildet. Das erhöht die Praktikabilität von entsprechenden Authentifizierungssystemen erheblich.

 

Integration der Linsen in Systeme

Flüssiglinsen lassen sich auf zwei Arten in optische Systeme integrieren. Im ersten Fall wird die Linse als „Add-on“ an der Vorder- oder Rückseite der Komponente platziert je nachdem, was den Lichtverlust minimiert. Ein Vorteil dieser Lösung ist die einfache mechanische Integration der Linse in das optische System. Allerdings kann es bei Systemen mit einer hohen numerischen Apertur zu einer unerwünschten Vignettierung kommen.

Dieses Problem tritt beim zweiten Verfahren („Add-in“) nicht auf. In diesem Fall ist die Flüssiglinse integraler Bestandteil des optischen Systems. Idealerweise wird die Flüssiglinse in der Nähe der Aperturblende platziert. Dies vermeidet Einbußen bei der Bildqualität. Ein Nachteil des Add-in-Verfahrens ist die höhere Komplexität. Außerdem kann es erforderlich sein, das optische Design des Authentifizierungssystems anzupassen.

 

Fazit

Flüssiglinsen wie die der Varioptic-Reihe von Corning geben der biometrischen Authentifizierung mittels Iris-Erkennung neue Impulse. Nicht nur deshalb, weil sie kompakt, preisgünstig und stromsparend sind und zudem kurze Reaktionszeiten aufweisen. Vor allem die herausragenden optischen Eigenschaften, die robuste Bauweise und die variablen Einsatzmöglichkeiten sprechen für Flüssiglinsen. Daher wird diese Form von optischen Linsen auch nach der Pandemie in einer Vielzahl von neuen und bestehenden Systemlinien zum Einsatz kommen.

VonGlenn-Iv Plaine, Sales and Marketing Manager von Corning Varioptic Lenses

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