All-IP ist das Schlagwort zur Vereinheitlichung der Netzinfrastruktur und Kommunikation. Netzpalaver sprach mit Albrecht Streller, Regional Sales Manager DACH bei NVT Phybridge, über die Vorzüge der All-IP-Migration insbesondere im Videosicherheitsmarkt, die generellen Benefits bei der Anbindung von IoT-Endgeräten sowie die Herausforderungen, die es bei verschiedenen Projekten mit einer IP-basierten Infrastruktur in puncto Reichweite, Transfergeschwindigkeit und Stromversorgung zu beachten gilt.
Netzpalaver: Der Videosicherheitsmarkt tendiert ebenfalls zu All-IP. Was sind hierbei die größten Herausforderungen?
Albrecht Streller: Sinn und zweck von All-IP ist ganz klar die unterschiedlichen Netzwerke im Unternehmen zu homogenisieren und möglichst unter einer universellen Plattform mit einheitlichen Applikationen und Tools zu verwalten, steuern und überwachen. Das bringt zwangsläufig neue Herausforderungen mit sich und die klassischen der Videosicherheitstechnik bleiben aber dennoch. Zum einen muss man sich Gedanken machen wo die Kameras aufgestellt sind oder werden, um einen möglichst großen Bereich auszuleuchten. Welche Art von IP-Kamera in welchem Szenario und mit welcher Intention wird benötigt. Welche Kabel sind vorhanden beziehungsweise müssen neu und in welcher Kategorie verlegt werden? Sind entsprechende Stromanschlüsse vorhanden oder muss der Strom über Power-over-Ethernet geführt werden? Sind die Switche und Kabel dafür ausgelegt? Wie weit sind die Entfernungen vom Switch zur Kamera, die es zu überbrücken gilt? Standard- Switche schaffen gerade mal 100 Meter zu überbrücken. Je nach Verlegemöglichkeit der Kabel ist das meist deutlich zu wenig – insbesondere, wenn es auch noch um Ausfallsicherheit, sprich redundante Anbindungen geht. Und Schlussendlich birgt All-IP ganz andere Sicherheitsrisiken, die es zu adressieren gilt.
Netzpalaver: Welche Benefits offeriert All-IP für den Videosicherheitsmarkt?
Albrecht Streller: Neben der Homogenisierung der Netze, einheitlichen Verwaltungsplattformen, Nutzung der IP-Welt etwa zur Speicherung wichtiger Daten oder Streams sind die Vorteile mannigfaltig: Ortsunabhängiger Zugriff auf die Videoüberwachung zu jeder Zeit, Warnungen per E-Mail, SMS, Messenger etc. Und ein ganz wichtiger Aspekt: die Gefahr eines Vendor-Locks besteht nicht. Denn bei einer Hersteller-unabhängigen Plattform können entsprechende Kameras verschiedener Hersteller spezifisch für den jeweiligen Zweck installiert werden, sei es indoor oder outdoor.
Netzpalaver: Adressiert NVT Phybridge nur den Videosicherheitsmarkt oder gibt es noch weitere Zielmärkte?
Albrecht Streller: NVT Phybridge adressiert generell den IoT Markt – also jegliche Installation von IP-Endgeräten. Egal ob dies Intercomms, Zutrittskontolle, IP-Sensoren, VoIP-Lösungen oder worüber wir gerade sprechen Videoüberwachungssysteme sind. Jegliche Migration auf IP oder IP-Neuinstallation kann auf unsere Lösung zurückgreifen.
Netzpalaver: Neben der Migration auf IP ist die Stromversorgung von IoT-Geräten, die oftmals an ihren Standorten keine Steckdose aufweisen, ein Problem. Wie sieht hier Euer Lösungsansatz aus?
Albrecht Streller: Dank der PoE-Technologie und den jüngsten Entwicklungen hierzu muss sich der Anwender über die Stromversorgung fast keine Gedanken mehr machen. Mittlerweile gibt es PoE-Switche, die bis zu 50 Watt an PoE-Budget pro Port offerieren bzw. entsprechende PoE-Injektoren. Somit sind fast alle IP-Endgeräte abgedeckt. Genau das ist unser Lösungsansatz und weit darüber hinaus.
Netzpalaver: Was heißt „weit darüber hinaus“ und was sind die Besonderheiten Eures Lösungsansatzes?
Albrecht Streller: Wir bieten PoE-Switch-Lösungen an, die weit über die übliche 100 Meter Begrenzung hinausgehen und zudem auch die unterschiedlichsten Verkabelungsvarianten zulassen. Wir haben Produktfamilien, die auf ganz normalem 2-Draht PoE und Daten übertragen. Dabei sind das reguläre Ethernet-Switche – der Kunde muss also nicht auf eine Technologie wie DSL/VDSL zurückgreifen. Wir schaffen dabei auf dem 2-Draht Entfernungen bis 360 Meter. Die einzige Beschränkung ist, dass wir bei 2-Draht nur 10 MBit/s schaffen – aber gerade für VoIP Lösungen. Intercomms oder Zutrittkontrollsysteme ist das völlig ausreichen. Kooperationen mit Cisco, Mitel oder Avaya bestätigen dies. Aber. um nochmal die Videoüberwachung zu strapazieren: Wir haben Lösungen für Multipair-Kabel, also mit 2 oder 4 Adernpaaren, bei der wir Transferraten bis 610 Meter mit 100 MBit/s erzielen und unsere Cleer-Serie für Koaxialkabel kann sogar bis zu 1800 Meter in der hohen Geschwindigkeit überbrücken.
Von daher muss sich der Kunde keine Gedanken machen, dass er Kaskadieren oder alle 100 Meter neue Repeater unterbringen muss. Größter Vorteil, wenn beispielsweise ein CCTV-Kamera-Projekt auf Basis von Koaxialkabeln besteht, kann die Infrastruktur weiter verwendet beziehungsweise adaptiert werden, was nicht nur Installations-Zeit, sondern auch deutlich die Kosten reduziert. Ein weiteren Vorteil, den der Kunde bei Nutzung der vorhandenen Verkabelung hat: Das IoT-Netzwerk bleibt physikalisch vom Datennetzwerk erst mal getrennt – durchaus ein wichtiger Sicherheitsaspekt.
Unterstrichen wird unser Lösungsansatz auch vom Marktforschungsunternehmen und Analysten Frost & Sullivan beispielsweise im Guide „Modern LAN Principles“. Es erfordert ein Umdenken bei der Planung eines IoT-Netzwerkes: Im Gegensatz zur klassischen, zentralistischen Netzwerkplanung beginnt die IoT-Planung beim Endpunkt, also dem IP-Gerät: Welches PoE-Budget ist notwendig, welche Performance ist ausreichend, wie weit ist das Endgerät entfernt oder lassen sich vorhandene Kabel nutzen? Damit sind auch die Aspekte Nachhaltigkeit und Green-IT im Vordergrund.
Netzpalaver: Gibt es dazu schon Referenzprojekte?
Albrecht Streller: Zu allen zuvor genannten Produktserien: klare Antwort ja.
Unsere größtes Projekt war bisher die Umstellung von Analog auf IP an der US-amerikanischen Grenze zu Mexiko. Über 10.000 analoge Kameras an 360 Grenzübergängen galt es hier auf IP umzusetzen. Die Behörde hatte dafür 4 Jahre avisiert. Mit unserer Lösung auf die bestehende Verkabelung aufzusetzen, wurden daraus 10 Monate mit erheblich geringeren Kosten als geplant wurde.
Der Kansai-Airport in Japan hat sich sogar für unsere Lösung mit einer neuen Cat.6-Verkabelung entschieden, denn damit konnten wir weit mehr als 600 Meter überbrücken, um die Peoplecounter-Sensoren eines schweizer Herstellers anzuschliessen und mit PoE zu versorgen.
In England sind wir gerade an der Migration der Highspeed-One-Bahnstationen auf eine IP-basierte Videoüberwachung involviert. Ein Projekt mit fast 1000 IP-Kameras, welche allesamt mit unserer Cleer-Serie versorgt werden.
Und auch hierzulande gibt es Referenzen: Das Bundesministerium für Gesundheit in Bonn hat 12 unsere 2-Draht-48-Port-Switche mit einer Cisco-UCC-Lösung integriert. Das Besondere dabei: In dem denkmalgeschützen Gebäude war die Verlegung einer kompletten neuen Verkabelungsinfrastruktur schlicht nicht möglich.
Und noch ein Beispiel aus Deutschland, dass in die gleiche Kerbe schlägt: Das Logistik Unternehmen Hellmann Logistik hat die bestehende Koaxialverkabelung ebenfalls mit der Cleer-Serie für ihre neue IP-Videoüberwachung genutzt und damit Kosten und Zeit einer Neuverkabelung eingespart.
Netzpalaver: Gibt es in diesem Jahr noch Highlights von NVT Phybridge in puncto Produkte oder Kooperationen?
Albrecht Streller: Wir werden im 4. Quartal eine neue Switch-Serie mit 10-GBit/s-Anbindung auf den Markt bringen. Gerade im Videoüberwachungsbereich mit 4K-Kameras ist das eine Anforderung unserer Kunden gewesen. Die Kooperationen im UCC-Bereich werden mit Cisco, Mitel und Avaya weiter intensivieren und auch deutsche Hersteller zeigen bereits Interesse. Im Videobereich sprechen wir mit Axis, Hanwah und Bosch.
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