Technologievergleich zur Datenübertragung auf kurzen Strecken

Durch den stetig wachsenden Bandbreitenbedarf in Deutschland wächst auch der Druck auf die Netzbetreiber, überall hohe Bandbreiten anzubieten. Beim mittel- bis langfristigen Ziel Fibre-to-the-Home (FTTH) herrscht große Einigkeit. Wo FTTH kurzfristig nicht ausgebaut werden kann, nutzen die Netzbetreiber alternativ VDSL2-Vectoring in den Varianten Profil 17a und Profil 35b. Hohe Bandbreiten ermöglicht auch G.fast in Fibre-to-the-Building- (FTTB-)Installationen. Keymile hat nachgemessen, erläutert die wichtigsten Unterschiede und worauf Netzbetreiber bei der Wahl der FTTC-/FTTB-Technologie achten sollten.

Die Mehrheit der deutschen Netzbetreiber setzt auf einen Technologiemix aus VDSL2, Vectoring, G.fast und Glasfaser bis zum Teilnehmer, um den Breitbandausbau voranzutreiben. Während die Deutsche Telekom den Schwerpunkt bislang vor allem auf den Glasfaseranschluss bis zu Hauptverteilern und Kabelverzweigern (FTTC) sowie auf VDSL2-Vectoring legt, wenden die regionalen und lokalen Wettbewerber verschiedene Strategien an. Parallel zum Ausbau ihrer VDSL2-Vectoring-Infrastrukturen verlegen sie verstärkt FTTB- und FTTH-Glasfaseranschlüsse.

Netzbetreiber erzielen mit VDSL2-Vectoring-Anschlüssen mit Profil 17a im Frequenzspektrum bis zu 17 MHz Downstream-Datenübertragungsraten zwischen 50 und 100 MBit/s. Vectoring mit Profil 35b nutzt das Frequenzspektrum bis 35 MHz und ist in Deutschland seit einigen Monaten verfügbar; mit VDSL2-Vectoring im Profil 35b können Provider Downstream-Datenübertragungsraten von bis zu 300 MBit/s erzielen.

Mit G.fast steht ein Übertragungsverfahren bereit, das deutlich höhere Bandbreiten verspricht. Es ist die erste Kupferübertragungstechnologie, die tatsächlich die Datenraten liefert, wie man sie sonst nur über die Glasfaser erreicht. Die verhältnismäßig neue Technologie – G.fast wurde erst 2014 von ITU verabschiedet – eignet sich für kurze bis sehr kurze Streckenlängen und liefert dort sehr hohe Datenraten. Ursprünglich ging man von bis zu 1.000 MBit/s auf 100 m aus, als Summenrate von Upstream und Downstream. Aufgrund technischer Weiterentwicklungen sind es heute jedoch sogar deutlich mehr. Netzbetreiber nutzen G.fast zumeist in FTTB-Architekturen. Dabei kommt G.fast zur Datenübertragung auf der hausinternen Kupferleitung zum Einsatz.

In einer Testumgebung hat Keymile umfangreiche Messreihen zu Datenübertragungsraten und Streckenlängen durchgeführt. Es wurden dabei sowohl Messungen im G.fast-Profil 212a als auch 106a durchgeführt. Keymile hat G.fast in seinen FTTB-DPUs (Distribution-Point-Units) im Einsatz. „MileGate 2042“ ist ein für die FTTB-Installation optimierter Netzknoten, der acht G.fast-Schnittstellen mit den Profilen 212a wie auch 106a bereitstellt. Milegate 2012 und 2112 unterstützen G.fast im Profil 106a mit 8- bzw. 16 G.fast-Schnittstellen. Ziel war es zu ermitteln, welche Technologien am besten für bestimmte Anwendungsfälle geeignet sind.

 

Performance-Betrachtung

G.fast mit 106 MHz hat gegenüber VDSL2-Vectoring mit Profil 17a oder Profil 35b bis zu einer Streckenlänge von 500 m deutliche Vorteile – das gilt umso mehr für G.fast mit 212 MHz. (Quelle: Keymile)

Keymile und andere Hersteller nutzen derzeit G.fast in den Frequenzbereichen 106 MHz und 212 MHz. Ebenfalls im Test liefen Netzknoten mit Vectoring Profil 17a und mit Profil 35b. Betrachtet wurden Streckenlängen bis 500 m.

Bis zu einer Streckenlänge von 500 m lassen sich mit G.fast im Vergleich zu VDSL2-Vectoring deutlich höhere Datenraten erzielen. Interessant ist die Messung bis 50 m. Hier erreicht G.fast mit 212 MHz aggregierte Datenübertragungsraten von 1,8 GBit/s. Ab einem Bereich von 250 m betragen die Übertragungsraten noch rund 700 MBit/s und ab circa 250 m gleichen sich die Datenübertragungsraten von G.fast mit 106 MHz und G.fast mit 212 MHz an. Der gemessene Maximalwert bei einer Streckenlänge von unter 100 m beträgt bei G.fast mit 106 MHz bis zu 1.000 MBit/s; bei G.fast mit 212 MHz sind es rund 1,4 GBit/s. Unter 50 m sind sogar fast 2 GBit/s möglich.

Ab einer Streckenlänge von mehr als 500 m erreichen G.fast und VDSL2-Vectoring vergleichbare Datenübertragungsraten. Dies bedeutet, dass bei längeren Kupferstrecken VDSL2-Vectoring mit Profil 17a und mit Profil 35b die geeigneteren Verfahren sind, wobei auch hier noch einmal zu differenzieren ist: Bis zu einer Streckenlänge von ca. 700 m hat VDSL2 Profil 35b Vorteile gegenüber VDSL2 Profil 17a.

 

VDSL2 mit FDD und G.fast mit TDD

Aufschlussreich ist – neben der Performance auf der Kupferstrecke – das eingesetzte Modulations- und Duplexing-Verfahren. Sowohl VDSL2-Vectoring als auch G.fast setzen bei der Modulation auf DMT (Discrete-Multi-Tone): Sie teilen den Frequenzbereich in einzelne Übertragungskanäle (Subcarrier) auf. Die Daten werden dann von Trägersignalen übertragen.

Unterschiede gibt es jedoch beim Duplexing: VDSL2 nutzt FDD (Frequency-Division-Duplexing). Dabei wird das verfügbare Frequenzspektrum in einzelne Bereiche unterteilt, diese werden für Downstream und Upstream verwendet. Die Aufteilung ist durch Bandpläne und Profile definiert. Durch die Aufteilung des Frequenzspektrums in bestimmte Bereiche für Downstream und bestimmte Bereiche für Upstream gelingt die Trennung beziehungsweise parallele Übertragung von Down- und Upstream-Daten auf dem gleichen Kabel.

Bei G.fast hingegen erfolgt die Trennung nicht über das Frequenzspektrum, sondern zeitbezogen per TDD (Time-Division-Duplexing). Down- und Upstream nutzen jeweils abwechselnd den gesamten Frequenzbereich. Innerhalb einer definierten Zeit sendet G.fast beispielsweise zunächst alle Daten im Downstream und wechselt dann zum Upstream. Dieses Verfahren hat einen entscheidenden Vorteil: Netzbetreiber können das Verhältnis von Downstream und Upstream frei festlegen. Möglich ist weiterhin die gewohnte asymmetrische Aufteilung (hohe Downstream-, geringe Upstream-Rate) aber auch eine symmetrische Aufteilung mit zum Beispiel jeweils 500 MBit/s für Down- und Upstream.

 

Paralleler Betrieb von G.fast und VDSL2?

Unterschiede beim Duplexing: VDSL2 nutzt FDD (Frequency-Division-Duplexing). Bei G.fast dagegen erfolgt die Trennung nicht über das Frequenzspektrum, sondern zeitbezogen per TDD (Time-Division-Duplexing).
(Quelle: Keymile)

Sollen G.fast und VDSL2 – egal ob von unterschiedlichen Anbietern oder vom selben Netzbetreiber – im gleichen Kabel genutzt werden, gibt es eine Reihe von Aspekten zu berücksichtigen. Wenn in einem FTTB-Use-Case von einem Kabelverzweiger VDSL2 in ein Mehrfamilienhaus geführt wird und in diesem ein G.fast-Knoten zum Einsatz kommen soll, entstehen Herausforderungen durch die spektrale Inkompatibilität von VDSL2 und G.fast. VDSL2-Vectoring mit Profil 17a läuft im Frequenzspektrum bis zu 17 MHz, Profil 35b im Frequenzspektrum bis 35 MHz und G.fast mit 106 MHz im Frequenzspektrum von 2,2 bis 106 MHz. VDSL2 und G.fast stören sich gegenseitig: Das „Übersprechen“ der parallel im gleichen Kabelstrang geführten Signale führt zu einer gegenseitigen Beeinträchtigung der Übertragung. VDSL2 stört G.fast, beziehungsweise G.fast stört VDSL2.

Technisch ist ein Parallelbetrieb im gleichen Kabel möglich. Soll die wechselseitige Störung verhindert werden, können Netzbetreiber die G.fast-Geräte so konfigurieren, dass der VDSL2-Frequenzbereich nicht für die G.fast-Übertragung verwendet wird. Das heißt, die G.fast-Übertragung setzt erst ab dem Frequenzbereich von ca. 20 MHz bei Ko-Existenz mit VDSL2 Profil 17a – beziehungsweise ab ca. 40 MHz bei Ko-Existenz mit VDSL2 Profil 35b – ein. In beiden Fällen führt dies zu Performanceeinbußen. Kommt G.fast 106 MHz zusammen mit VDSL2 Profil 35b zum Einsatz, ist die Minderung deutlich spürbar, denn für G.fast bleibt zur Datenübertragung lediglich der Frequenzbereich von ca. 40 bis 106 MHz. Dies ist auch einer der Treiber für die G.fast-212-MHz-Technologie. Bei diesem erweiterten Frequenzbereich spielt eine Reduktion der Datenrate durch Ko-Existenz mit VDSL2 keine wesentliche Rolle mehr.

Da hier insbesondere die Interessen der Deutschen Telekom und die alternativer Netzbetreibern kollidieren, hat sich die Bundesnetzagentur des Themas angenommen und im Dezember hierzu eine Entscheidung über das Vorgehen getroffen: Sollten FTTB-Anbieter mit G.fast und die Deutsche Telekom mit VDSL2 gleichzeitig die bestehenden Kupferleitungen in den Häusern nutzen, darf der FTTB-Betreiber die Frequenzen, die sich mit dem VDSL2-Signal überschneiden, nicht mehr nutzen, womit sich die Bandbreite reduziert. Es soll so sichergestellt werden, dass verschiedene Breitbandtechnologien nebeneinander und im selben Gebäude funktionieren. Aber auch bei der Abschaltung der überschneidenden Frequenzen bleibt bei G.fast der ersten Generation noch eine Summendatenrate von bis zu 600 MBit/s und bei G.fast der zweiten Generation bis zu 1.600 MBit/s übrig, womit die meisten heute verfügbaren Breitbandanschlüsse nicht unmittelbar betroffen sind.

Fazit

G.fast mit 106 MHz eignet sich bis zu einer Streckenlänge von 500 m, VDSL2 mit Profil 17a für lange Strecken ab 700 m und mit Profil 35b im Bereich dazwischen. Soll G.fast in Ko-Existenz mit VDSL2 eingesetzt werden, gilt es die spektrale Kompatibilität der Verfahren durch Aussparung der unteren Frequenzbänder im G.fast sicherzustellen. G.fast mit 212 MHz bringt nochmals einen deutlichen Performance-Zugewinn und erleichtert dadurch einen parallelen Betrieb mit VDSL2.

Von Jürgen Aschmies ist Pre-Sales-Ingenieur bei KEYMILE

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