Broadcom kauft CA und keiner weiss genau warum

Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur
Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur

Ich habe schon viele undurchsichtige Unternehmenskäufe und einige merkwürdige Übernahmen in meinen 35 Jahren im IT-Geschäft erlebt, aber der Kauf von CA durch Broadcom ist der Christiano Ronaldo der seltsamen Geschäfte.

In der vergangenen Woche überraschte der Chip-Hersteller Broadcom die IT-Branche mit der Absicht, den Unternehmenssoftware-Anbieter CA Technologies für 18,9 Milliarden Dollar zu übernehmen. Damit liegt der Kaufpreis etwa 20 Prozent höher als der aktuelle Aktienkurs von CA. Dies ist sicher auf die guten Geschäfte von Broadcom zurückzuführen. In den vergangenen Jahren hat der Aktienkurs von Broadcom stetig zugenommen. Einer der Gründe hierfür war die Übernahme konkurrierender Unternehmen wie Brocade, NetLogic Microsystems oder Silicon Spice.

Oberflächlich betrachtet ist die Übernahme von CA durch Broadcom sicherlich so seltsam wie eine Liebesbeziehung zwischen der englischen Königin und dem derzeitigen US-Präsident. Ich will damit sagen, dass beide Parteien keine Gemeinsamkeiten haben. Broadcom stellt Silizium her und von diesem Unternehmen konnten wir noch nie den Wunsch vernehmen, sich auf andere Märkte – besonders die der Endanwender – auszudehnen. Die kürzlich erfolgte Übernahme von Brocade ist ein guter Indikator hierfür. Broadcom erwarb Brocade, behielt das Speichergeschäft (welches hauptsächlich über die diversen OEM-Kanäle abgewickelt wird) und gab das Ethernet-Switch-Geschäft an Extreme Networks weiter. CA ist ein reines Softwareunternehmen, das sich im Bereich „Infrastrukturmanagement“ tummelt. Die Hälfte des aktuellen Umsatzes hat seinen Ursprung im Mainframe-Management-Segment, einem stabilen Geschäftsbereich, der jedoch nur sehr geringe Wachstumschancen bietet.

Von Broadcom wird deshalb auch CA als ein führendes Unternehmen im Bereich der Infrastrukturtechnologien bezeichnet. Angesichts der Position von CA als Marktführer bei der Verwaltung von Großrechnern und anderen Altgeräten könnte dies jedoch eine arge Übertreibung sein. Einige Marktanalysten betrachten CA als einen etwas müde gewordenen Software-Hersteller, der dringend ein aktualisiertes Portfolio benötigt. Anscheinend sind die Anleger auch nicht von diesem Deal überzeugt, denn die Broadcom-Aktie rutschten nach der Bekanntgabe der CA-Übernahme um etwa 15 Prozent ab. Ein Investor bezeichnete den Kauf als „die Antithese zum Halbleitergeschäft“ und stellte fest, dass, wenn das Unternehmen einen Schritt in Richtung Software machen will, dann besser den Weg von Vmware kopiert hätte.

CA, BMC und die anderen Anbieter von Legacy-Management sind bereits über einen langen Zeitraum nicht in der Lage, auf die Anforderungen ihrer verteilt arbeitenden Kunden adäquat und dynamisch zu reagieren. Aus diesem Grund konnten sich in diesem Marktsegment auch so viele Startups etablieren. Beispielsweise ist CA ein mittelmäßiger Anbieter im Bereich des Application-Performance-Managements. Laut den Marktanalysten bieten Appdynamics (jetzt im Besitz von Cisco), Dynatrace und New Relic die besseren Lösungen an. Im Marktsegment „Access Management“ tummeln sich inzwischen die kleinen Anbieter (beispielsweise Okta, Centrify und Onelogin. Auch der Bereich des Netzwerkmanagements wird durch Startups wie Liveaction, Extrahop oder Nyansa sowie den etablierten Anbietern Netscout und Riverbed dominiert.

Was ist die strategische Überlegung von Broadcom bei dem Kauf von CA? Keiner weiß es und nur die Zeit wird es aufzeigen. Der Wechsel in den Bereich der Software bezeichnet einen Richtungswechsel für das Unternehmen. Hier sei noch einmal an das 110-Milliarden-Dollar-Übernahmeangebot für den Chiphersteller Qualcomm erinnert. Dieser Deal löste sich Anfang des Jahres aufgrund von nationalen Sicherheitsbedenken in Luft auf. Da keine weiteren interessanten Silizium-Hersteller auf dem Markt zu finden waren, gehe ich davon aus, dass sich das Unternehmen auf anderen Märkten nach weiteren Wachstumspotenzialen umsehen musste. Angesichts der großen Installationsbasis und des breiten Produktportfolios von CA könnte man argumentieren, dass das Unternehmen unterbewertet war. Mit dem richtigen Management hätte das Unternehmen in vielen aufstrebenden Märkten (beispielsweise Multi-Cloud, Containern und DevOps) das Potenzial zu einem Marktführer aufzusteigen.

Man könnte spekulieren, dass Broadcom die installierte CA-Basis zur Stärkung der Beziehungen zu großen Unternehmen nutzen und somit das Kerngeschäft vorantreiben will. Dieser Schritt scheint jedoch unwahrscheinlich, da zwischen CA und Broadcom keine Synergie besteht. Produkte, Käufer und Vertriebskanäle beider Unternehmen sind alle komplett unterschiedlich. Aus diesem Grund ergibt sich für beide Unternehmen nicht die Gleichung: 1 + 1 = 3.

Das wahrscheinlichste Szenario besteht jedoch darin, dass Broadcom den CA-Deal dazu nutzt, um weitere müde Infrastrukturanbieter mit aufgeblähten Kostenstrukturen aufzukaufen. Damit würde sich Broadcom wie eine Private-Equity-Firma verhalten. Das Mainframe-Geschäft von CA wächst nicht weiter. Trotzdem wird diese Einkommensquelle nicht so schnell versiegen und sorgt dafür, dass diese Cash-Kuh noch für eine lange Zeit gemolken werden kann.

In diesem Fall kann Broadcom jeden Geschäftsbereich, der nicht profitabel ist, streichen und mittelfristig viel Geld aus dem CA-Unternehmen herauspressen. Der Markt für Mainframe-Management-Anbieter ist zwar begrenzt, aber mit diesem Geschäftsbereich lässt sich kurz- und mittelfristig noch viel Geld machen. Will Broadcom dieses Geschäftsfeld noch vertiefen, dann wäre BMC eine gute Ergänzung.

Fazit

In meinen 35 Jahren im IT-Geschäft habe ich schon viele undurchsichtige Unternehmenskäufe und einige merkwürdige Übernahmen gesehen, aber der Kauf von CA durch Broadcom ist der Christiano Ronaldo der seltsamen Geschäfte. Das Management von Broadcom kann versuchen eine rosige Zukunft dieses Deals zu malen, aber die beiden Produktlinien sind so weit voneinander entfernt, dass sich keine kommerziellen Synergien ergeben. Vielleicht kennzeichnet der CA-Deal auch den Beginn von Broadcom als Private-Equity-Firma. Dies wäre jedoch ein Schritt, auf den sich weder die Investoren noch die CA-Kunden freuen könnten.

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