Mit dem 802.11ax-Standard wird das WLAN noch besser

Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur
Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur

Die 802.11ax-Spezifikation vereint alle gängigen WLAN-Technologien und macht die Funktechnologie noch flexibler.

Ich weiß, ich weiß, wir haben solche Ankündigungen schon oft gehört. Eine neue Technologie soll demnächst auf den Markt kommen und die Marketingabteilungen der Hersteller versprechen uns wieder einmal: „Das nächste große Ding“.

Die Consumer und die Unternehmen beginnen an die neue Technik zu glauben und was passiert dann? Die Technologie scheitert an den durch den Hype geschürten Erwartungen. Dies war bei allen neuen Smartphone-Releases der letzten fünf Jahre der Fall. Sicher gab es immer einige coole neue Features, aber insgesamt hat kein Release den Smartphone-Markt durchgeschüttelt.

Der IEEE-802.11ax-Standard ist der direkte Nachfolger von 802.11n bei 2,4 GHz und 802.11ac bei 5 GHz. Diese Technologie verspricht wieder einmal, die hohen Erwartungen an die neue WLAN-Technologie zu erfüllen. Ich sage das, weil die nächste Generation der WLANs für die heutigen Anforderungen, von hochvernetzten Unternehmen, spezifiziert wurde. Alles wird bald mit allem verbunden sein und es ist davon auszugehen, dass sich die Menge des Upload-Verkehrs der Menge des Download-Verkehrs angleichen wird.

Die früheren WLAN-Generationen waren mehr auf die gelegentliche Nutzung und für das Herunterladen von großen Datenvolumen ausgelegt. Jeder WLAN-Nutzer hat sich sicher schon einmal in einem Konferenzzentrum, einem Fußballstadion oder in einem anderen öffentlichen Raum mit einem WLAN-Access-Point verbunden. Alles funktioniert prima, bis zu dem Moment an dem der Redner seinen extrem langweiligen Vortrag beginnt, der Funke der Musiker auf dem Podium und dem Publikum nicht so richtig überspringt und viele Menschen beginnen heimlich ihre privaten Kommunikationskanäle (E-Mail, Snapchat, Tweets, Whatsup, Facebook, etc.) zu aktivieren. Auf einmal ist das bisher so gut funktionierende WLAN extrem langsam und nahezu unbrauchbar.

Die Ursachen der WLAN-Probleme liegen nicht immer in der Geschwindigkeit des Systems. Die 802.11ac-Wave-2-Spezifikation stellt uns inzwischen Geschwindigkeiten um die Gigabit-Marke zur Verfügung. Diese Geschwindigkeit beziehungsweise Bandbreite sollte für die meisten Anwendungen ausreichend sein. Das größere Problem von WLANs lässt sich mit dem Begriff „Stau“ am besten beschreiben. Die WLANs sind mit unseren Autobahnen vergleichbar. Im Normalfall reicht die Kapazität der mehrspurigen Autobahnen für einen flüssigen Verkehr aus. Versuchen jedoch extrem viele Menschen zur gleichen Zeit (beispielsweise Rushhour, zu Ferienbeginn oder Ferienende) die gleichen Autobahnstrecken zu benutzen, dann genügt die Bandbreite des Verkehrsweg nicht für einen schnellen Transport der Autos. Es kommt zwangsläufig zu einem Stau. Versuchen viele Menschen gleichzeitig auf das WLAN zuzugreifen und über die Funkverbindungen zu kommunizieren, dann kommt es ebenfalls zu einer Überlastung. Der 802.11ax-Standard verspricht die Lösung dieses Problems und orientiert sich dabei an den in der Praxis erfolgreichen Problemlösungen der LTE-Technologie.

802.11ax wird deutlich schneller

Die auf dem 802.11ax-Standard aufbauenden Produkte werden etwa 4 bis 10 mal schneller arbeiten als die bisher genutzten WLANs. Der Grund hierfür basiert auf mehr und breiteren Übertragungskanälen, die den Durchsatz erheblich erhöhen. Nehmen wir an, dass die Geschwindigkeit um das 4 fache bei der Nutzung von 160-MHz-Kanälen erhöht wird, beträgt die Geschwindigkeit eines einzelnen 802.11ax-Streams immerhin 3,5 GBit/s. Das Äquivalent einer 802.11ac-Verbindung wären eine Übertragungsgeschwindigkeit von 866 MBit/s. In einer 4×4-MIMO-Umgebung könnte mit 802.11ax-Produkten eine Gesamtkapazität von etwa 14 GBit/s erreicht werden. Ein WLAN-Client, der zwei oder drei Streams parallel unterstützt, bringt diese leicht in einer 1-GBit/s-Verbindung unter. Wird die Kanalbreite auf 40 MHz reduziert, was in überfüllten Funkfeldern (beispielsweise in Fußballstadien oder der Mensa einer Universität) jederzeit passieren kann, stünde nur noch ein einziger 802.11ax-Stream von ca. 800 MBit/s bei einer Gesamtkapazität von 3,2 GBit/s zur Verfügung. Unabhängig von der Kanalgröße sorgt die neue 802.11ax-Spezifikation für eine enorme Erhöhung der Übertragungsgeschwindigkeit und der Gesamtkapazität.

802.11ax wird weniger verstopft

Die LTE-Produkte nutzen eine Technologie die als Orthogonal-Frequency-Multiple-Access (ODMFA) bezeichnet wird. Bei den bisherigen WLAN-Versionen blieben die Übertragungskanäle so lange geöffnet, bis die Datenübertragung vollkommen abgeschlossen war. Dies ist vergleichbar mit den Warteschlangen beim Fahrkartenverkauf bei der Bundesbahn. Die Warteten können erst vorrücken, wenn ein Schalter frei wird. Im Fall des WLAN-Prozesses auf Basis der MU-MIMO-Technologie bedeutet dies, wir verfügen über vier Ticketschalter und vier Warteschlangen (jeweils eine pro Verkaufsschalter). Erst wenn ein Schalter frei wird, kann der nächste Wartende in der zugehörigen Warteschlange bedient werden.

Das OFDMA-Verfahren zerlegt jeden Kanal in Hunderte von kleineren Subkanälen. Jeder dieser Subkanäle nutzt eine andere Frequenz. Die Signale werden dann orthogonal codiert und anschließend entsprechend übereinander gestapelt. In unserer Bundesbahnanalogie müssen wir uns einen Bahnbediensteten vorstellen, der in der Lage ist, gleichzeitig mehrere Kunden zu bedienen. Während der Bahnbeamte den Prozess der Bezahlung eines Tickets durchläuft (Eingabe der Kreditkarte, Verbindungsaufbau vom Kreditkartenterminal mit dem Abrechnungsservice, Bestätigung des Betrags, Unterschrift unter den Kreditkartentransfer und Bestätigung durch den Abrechnungsservice) kann der Beamte bereits den nächsten Kunden bedienen. Anstatt abwechselnd den jeweiligen über das Funkmedium übermittelten Nachrichten zuzuhören teilen sich durch den Einsatz von OFDMA bis zu 30 Clients jeden Kanal.

Aus der Perspektive des Netzwerks erscheint der Übertragungsweg dadurch weniger verstopft als bei der 802.11ac-Variante. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die 2,4-GHz- und 5-GHz-Bänder miteinander kombiniert werden können und somit den Nutzern noch noch mehr Kanäle für die Datenübermittlung bereitstehen. Die 802.11ax-Spezifikation nutzt auch eine QAM- (Quadratur-Amplitudenmodulation-)Kodierung, die dafür sorgt, dass die übermittelten Pakete noch mehr Daten enthalten werden.

Der OFDMA-Mechanismus sorgt auch für einen granularen Quality of Service (QoS). Dadurch lassen sich Applikationen mit hohen Bandbreitenansprüchen beziehungsweise verzögerungssensitiven Anforderungen sowohl in der Uplink- als auch in der Downlink-Richtung gezielt priorisieren.

802.11ax nutzt die Spatial-Frequency-Reuse Technik

Die Spatial-Frequency-Reuse-Technik sorgt dafür dass benachbarte WLAN-Stationen auf demselben Funkkanal gleichzeitig senden dürfen. Normalerweise stören sie sich dabei gegenseitig. Es gibt allerdings Situationen, bei der der Störabstand und die Signalstärke in den einzelnen Zellen groß beziehungsweise gut genug ist und deshalb trotzdem gesendet werden darf.

Diese Funktion sorgt für verbesserte Kanalkapazität, indem die Access-Points (APs) intelligentere Entscheidung treffen können, wann Daten übertragen werden können.

802.11ax verbessert die Batterielaufzeit

Jeder neue WLAN-Standard erhöht die Laufzeit der Batterien, weil die Reichweite in der Regel erhöht wird und die Daten schneller übertragen werden. Einer der Gründe, warum die Akkulaufzeit von Clients reduziert wird, besteht darin, dass diese Geräte immer prüfen, ob der Access-Point verfügbar und bereit für die Datenübermittlung ist. Der 802.11ax-Standard führt jetzt ein neues Feature namens Wake-Time-Scheduling (TWT) ein. Dieses Feature ermöglicht es den Access-Points, den Clients mitzuteilen, wann sich diese schlafen legen können und teilt ihnen einen Zeitplan mit, wann das Gerät wieder erwachen soll. Bei diesen Ruhezeiten kann es sich um sehr kurze Zeiträume (buchstäblich Millisekunden zwischen Schlafen und Wachen) handeln. Diese Ruhezeiten haben jedoch einen erheblichen Einfluss auf die Batterielebensdauer.

Die Verfügbarkeit der ersten 802.11ax-Chipsets von Broadcom, Qualcomm und anderen bedeutet jedoch nicht, dass die ersten WLAN-Geräte mit dem neuen Standard bald zur Verfügung stehen. Die ersten Consumer-WLAN-Router sollen im ersten Halbjahr 2018 auf den Markt kommen. Erst danach werden die Access-Points für den Einsatz in Unternehmen zur Verfügung stehen. Daher steht den Netzadministratoren noch genügend Zeit zur Verfügung, um sich in die neue Technologie einzuarbeiten und die neuen WLAN-Spezifikationen in die Netzplanung einzubeziehen.

#Netzpalaver