Für „Hack Back“ ist es meist zu spät

Rob_Pronk_062016
Rob Pronk, Regional Director Central and Northern Europe bei #Logrhythm

Presseberichten zufolge prüft die Bundesregierung zurzeit, ob und wie sie im Falle eines Hacker-Angriffs gegen Regierungsinstitutionen oder kritische Infrastrukturen der Bundesrepublik Deutschland aktiv zurückschlagen könnte. „Hack Back“ heißt das Szenario in den Medien kurz und bündig. Zynisch könnte man sagen, dass diese Überlegungen ein hervorragender Beleg dafür sind, dass die Cyber-Welt von der physischen Welt nun wirklich nicht mehr zu trennen ist und dass sie von gleicher Bedeutung für das wohl und Wehe eines Landes ist.

Kritiker weisen nun durchaus zu Recht darauf hin, dass virtuelle Gegenangriffe nicht nur ethisch, rechtlich und politisch bedenklich sind, sondern auch ungewollte Nebenwirkungen haben könnten – etwa dann, wenn die Aggressoren ihre Schritte bewusst über gekaperte Rechner bei eigentlich unbeteiligten Institutionen lenken. Politisch motivierte Täter könnten es von vornherein sogar primär darauf anlegen, im Wissen um existierende Gegenschlag-Strategien ein „Spy vs. Spy“-Spiel mit wechselseitiger Eskalation anzuzetteln, das am Ende das Internet als Kommunikations-Infrastruktur bedroht.

„Es gibt aber noch einen viel einfacheren Grund, zur Besonnenheit und sich zu fragen, ob man mit einer intensiven Auseinandersetzung mit #Hack-Back-Ideen derzeit die richtigen Prioritäten setzt“, rät Rob Pronk, Regional Director Central and Northern Europe bei #Logrhythm.

Immer noch dauert es einer M-Trends-Studie von 2017 zufolge nämlich durchschnittlich 106 Tage, bis eine angegriffene Institution überhaupt bemerkt, dass in ihrer IT-Umgebung Cyberkriminelle am Werk sind. Welchen Wert hat es, angesichts dieser Zeitspanne viel Energie auf Konzepte für Gegenschläge zu verwenden? Das wäre ein wenig so, als würde ein Hauseigentümer irgendwann entdecken, dass bei ihm seit über drei Monaten ein ungebetener Gast ein und ausgeht, hier und da Geldbeträge entwendet, in Unterlagen herumschnüffelt, nach Lust und Laune den Kühlschrank aus oder den Herd einschaltet – und als sollte dieser Hausbesitzer dann zuerst daran denken, wie er dem Eindringling heimlich folgen kann, um im Gegenzug auch in dessen Wohnung ein bisschen Unheil zu stiften. Eine kuriose Vorstellung. Türen und Schlösser zu kontrollieren und Bewegungsmelder oder sonstige Sensoren zu installieren, das ist die richtige Reaktion.

Cyber-Angreifer verhalten sich in den erwähnten 106 Tagen ja nicht etwa so wie die berüchtigten „Schläfer“ in der realen Welt, die möglichst unauffällig auf ihren Einsatzbefehl warten und bis zu seinem Eintreffen tatenlos ausharren. Cyberkriminelle nutzen die Zeit, um im Netz des Opfers herumzuspionieren, sich festzusetzen, sich Zugänge zu wichtigen Daten zu verschaffen und so weiter. Wenn man sie entdeckt, haben sie wahrscheinlich sogar längst begonnen, Daten zu transferieren oder Systeme zu sabotieren. Deshalb sollten die Betreiber von IT-Systemen, bevor sie über aktive Gegenmaßnehmen nachdenken, erst einmal über eine bessere Erkennung ausgefuchster Angriffe nachdenken und hier die Sensorik verbessern – analog zum Radar und zur Boden- und Luftüberwachung oder zu Kameras und Wachpersonal in der wirklichen Welt. Auch bei der Auswertung von Angriffsindikatoren haben viele Institutionen noch eklatante Schwächen – und schließlich dauert es auch meist viel zu lang, bis sie klassische Abwehrmaßnahmen gegen eine erkannte Attacke überhaupt einleiten und umsetzen können.

Investitionen in Security-Intelligence sind wichtiger als Gegenschlags-Konzepte. SIEM-Systeme etwa und der Aufbau von Security-Operations-Centern können hier hervorragende Dienste leisten, denn diese Maßnahmen erlauben es, Anomalie-Hinweise bereits vorhandener Security-Systeme und Anwendungen zueinander in Beziehung zu setzen und auf diese Weise Angriffsaktivitäten auch dann zu erkennen, wenn die Akteure besonders vorsichtig und heimlich zu Werke gehen. Koppelt man diese Korrelationstechnik dann noch mit Verfahren, die die Bewertung der Ergebnisse erleichtern, und mit Ansätzen zur Automatisierung einfacher Gegenmaßnahmen, ließe sich die 106-Tage-Frist erheblich verkürzen.

Mit einer solchen Ausrüstung als Standard-Equipment müsste man über „Hack Back“ auch seltener diskutieren, weil schon der jeweilige „Hack“ in Keim erstickt werden könnte.

Backgrounder: https://www.tagesschau.de/inland/bundesregierung-gegenangriffe-internet-101.html

#Netzpalaver