Die Baby-Boomer gehen in den Ruhestand aber die Mainframes noch lange nicht

Mainframe-EntwicklungDie Mitmenschen, die ihre Karrieren begannen, als die Großrechner noch die Beherrscher der IT-Universen waren, gehen in Scharen in den Ruhestand. Dies ist insofern von Bedeutung, da diese Rechenplattformen für viele Geschäfte noch überlebenswichtig sind.

Seit Jahren hören wir über den Mangel an gut ausgebildetem IT-Personal. Die Unternehmen können nicht genug (oder die richtigen) Menschen mit Kompetenz in Mobilität, Cyber-Sicherheit, Datenspeicherung, Vernetzung, Cloud und anderen wichtigen IT-Bereichen finden.

Es gibt jedoch einen Bereich, in dem der Mangel sehr akut ist: Dem Bereich der Mainframe-Verwaltung. Wenn die betroffenen Unternehmen jetzt nicht handeln, kann das bereits in kürzester Zeit in die Katastrophe führen.

Seit mindestens einem Jahrzehnt warnen Experten vor dem Mangel, aber diese Warnungen verhallen ungehört. Jetzt scheiden die Mainframe-Champions aus der Belegschaft in relativ kurzer Zeit aus ihrem Berufsleben aus. Es sind die Menschen, die ihre IT-Karriere in den 1970er und 1980er Jahren (des letzten Jahrtausends) begannen. Sie kommen aus einer Zeit als der Großrechner noch der ungekrönte König war. Jetzt befinden sich die so genannten Babyboomer am Ende ihrer Karriere. Die nachfolgenden Generationen an IT-Spezialisten benutzte und orientierte sich an anderen Computerplattformen. Das bedeutet, dass es nur noch wenige Menschen gibt, die mit den Mainframes richtig umgehen können. Nach einschlägigen Schätzungen wird es bis zum Jahr 2020 mehre 10 Tausend offene Stellen in diesem Bereich geben.

Ein Faktor für den Mangel ist darin zu suchen, dass viele Hochschulen nicht mehr die traditionelle Mainframe-Technologien und -Funktionen lehren. Noch vor 30 Jahren standen auf dem Programm eines Informatikers die Grundkurse in Fortran und in COBOL. Sieht man sich heute die Informatik-Programme der Hochschulen an, gibt es keinen einzigen COBOL-Kurs mehr. Diese Kurse wurden durch Themen wie Object-Oriented, GUI-Programmierung, Web-Architektur und Anwendungsentwicklung ersetzt. Die Universität orientieren sich mit ihren Angeboten nur am Arbeitsmarkt, da die Hochschulabgänger mit diesen IT-Kenntnissen gut im Arbeitsmarkt bestehen können und zudem noch eine Zukunftsperspektive erhalten.

Trotz gelegentlicher Behauptungen, dass „der Großrechner tot ist“, werden 85 Prozent unserer typischen täglichen Transaktionen (beispielsweise Geld abheben am Bankenterminal und Kreditkartenzahlungen) immer noch von Mainframe-Systemen abgewickelt. Die alten Customer-Information-Control-Systeme (CICS), in Kombination mit der COBOL-Programmiersprache spielen immer noch grundlegende Rollen bei den Transaktionsanwendungen. Eine Finanzdienstleistungsanwendung kann über ein Web-basiertes Frontend verfügen, aber oft werden die Transaktionen von einem Mainframe auf dem Backend verarbeitet. Genau dieses Backend muss gepflegt, gewartet und gemanaged werden.

Auch in den Tagen der Cloud-basierten Infrastrukturen kommt den Mainframes noch eine tragende Rolle und Verantwortung zu. Da die Mainframe noch immer eine verlässliche Performance und eine optimale Sicherheit bietet, sind es genau diese Rechnersysteme, die in On-Premise-Systemen einer Hybrid-Cloud-Umgebung, die sensibelsten Daten eines Unternehmens verarbeitet und speichern. Diese Mainframes spielen auch eine wichtige Rolle bei Big-Data und Analytics-Anwendungen.

Folglich besteht inzwischen ein eklatanter Mangel an Menschen mit Mainframe-Erfahrungen. Das Unternehmen Compuware hat vor kurzem weltweit 350 CIOs nach deren Meinung zum Thema Mainframes befragt. 88 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass der Großrechner auch in den kommenden zehn Jahren ein wichtiges Wirtschaftsgut darstellen wird. Trotz der Bedeutung der Plattform für das laufende Geschäft, glauben 75 Prozent der CIOs, dass die heutigen Anwendungsentwickler die Bedeutung des Mainframes nicht oder nur unzureichend verstehen. Mehr als 70 Prozent der Befragten wissen, dass sie noch kein wirksames Mittel für den Wissenstransfer von der älteren Generation – diejenigen, die in den Ruhestand gehen-, zu den jüngeren ITlern gefunden haben. Den CIOs ist auch klar, dass dies die laufenden Geschäfte massiv behindert bzw. gefährdet.

Compuware weist darauf hin, dass einige der Mainframe-Profis ihre Arbeitsplätze seit Jahrzehnten inne hat und über diesen langen Zeitraum für die Anwendungsentwicklung und für die Herstellung von Millionen von Zeilen an Code verantwortlich war. Viele dieser der Anwendungen wurden für ein bestimmtes Unternehmen maßgeschneidert. Daher ist es dringend erforderlich, dieses Wissen an neue Arbeitnehmer weiterzugeben, die die Verwaltung und den Betrieb der Mainframes übernehmen können. Für die Rekrutierung der Mainframe-Talente gibt es vier mögliche Lösungen:

  1. Abschaffung der Mainframes: Einige Unternehmen versuchen ihre Anwendungen auf Cloud-Plattformen zu migrieren. Dahinter steckt die Absicht, sich von den Mainframes verabschieden zu können. Bei einer genauen Analyse der Angebote stellen viele Unternehmen jedoch sehr schnell fest, dass die benötigte Rechenleistung und ein hohes Maß an Sicherheit nur von den Mainframes bereitgestellt werden kann.
  2. Fortbildung des eigenen Personals: Diese Lösungsstrategie erfordert ein kontinuierliches (und langfristiges) Engagement an Zeit und Ressourcen für die Entwicklung der bereits im Unternehmen vorhandenen Talente. Wird diese Strategie aktiv und in der richtigen Situation eingesetzt, ist es eine Investition in die Zukunft, die sich recht schnell auszahlen kann.
  3. Mögliche Kandidaten extern suchen: Die Dynamik von Angebot und Nachfrage im Bereich des Mainframe-Personals macht es sehr schwierig, das erfahrene und qualifizierte Personal zu finden. Auch wenn ein Unternehmen in der Lage ist, die richtigen Personen zu rekrutieren, muss Geld und Zeit in das neue Personal investiert werden, bis diese die bisherigen Mainframe-Spezialisten ersetzen können.
  4. Auslagern der Großrechner: Es gibt momentan zwei Outsourcing-Optionen: Managed-Services und Remote-Infrastructure-Management (RIM). Beide Lösungsvarianten nutzen ein externes Unternehmen, das sich um den Betrieb, die Pflege und das Management der Mainframes und der darauf genutzten Anwendungen kümmert.

IBM hat ein großes Interesse an der Lösung dieses Problems, da der Vertrieb von Mainframes und der Verkauf entsprechender Dienstleistungen in diesem Bereich immer noch ein gesundes Geschäft für das Unternehmen darstellt. Inzwischen hat IBM eine akademische Initiative ins Leben gerufen, um Studenten in Richtung der Mainframe zu locken. Die beteiligten Universitäten wird die notwendige Ausrüstung bereitgestellt, damit wieder mehr Mainframe-Know-how gelehrt werden kann. In den Unternehmen sollte jedoch ein Mentoring-Programme ins Leben gerufen werden, damit die jüngeren Kollegen von den erfahrenen Arbeitnehmern an realen Projekten eingewiesen werden.

Fazit

Der Mainframe ist noch lange nicht tot, und eine neue Generation von IT-Profis muss schnellstmöglich für die Arbeit auf dieser Plattform ausgebildet werden. Es ist die einzige Möglichkeit, diesen Kompetenzmangel zu lösen. Wird keine Lösung des Problems gefunden, rutschen spätestens nach der Pensionierung der Mainframe-Spezialisten die betreffenden Unternehmen in die Krise.