Schafft die öffentliche Verwaltung die Digitalisierung in den nächsten neun Monaten?

Bis Ende 2022 soll es für Bürgerinnen und Bürger möglich sein, insgesamt 575 Verwaltungsleistungen mit wenigen Klicks im Internet zu erledigen. Dann sind Bund, Länder und Kommunen laut dem Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (OZG 4) dazu verpflichtet, viele Dienstleistungen online anzubieten. Zu diesen Services gehören etwa An- oder Ummeldung des Wohnsitzes, Antrag auf Eltern- und Kindergeld sowie Beantragung oder Umtausch des Führerscheins.

 

Im europäischen Vergleich ist Deutschland unter den Schlusslichtern 

Noch im Jahr 2015 waren in 90 Prozent der Kommunen weniger als 0,5 Prozent der Services online verfügbar. In den vergangenen sieben Jahren hat Deutschland bei der Digitalisierung der öffentlichen Hand zwar aufgeholt, hinkt im europäischen Vergleich jedoch weiter hinterher. Der im November 2021 von der Europäischen Kommission veröffentlichte Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) 2021 zeigt, dass Deutschland bei der Digitalisierung der Verwaltung auf Platz 16 von 27 liegt.

Demgegenüber sind Länder wie Estland, Dänemark und Irland deutlich weiter. Sie haben große Teile ihrer Verwaltung erfolgreich digitalisiert und viele Standardprozesse automatisiert. Diese Länder zeigen, wie Digitalisierung im öffentlichen Sektor funktioniert – in den meisten Fällen sogar mit kalkulierbarem Aufwand. Zudem unterstreichen die Erfolge aus der privaten Wirtschaft, dass die Digitalisierung mit dem Zugpferd Cloud Computing ein realisierbarer und vielversprechender Weg ist.

 

Die digitale Zukunft des Staates liegt in der Cloud

Neben der Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen steht im öffentlichen Dienst vor allem die Einrichtung Cloud-basierter Web-Arbeitsplätze auf dem Plan. Die Behörden in einigen Bundesländern haben sich bis zur Corona-Pandemie nur zaghaft mit neuen Technologien wie Videokonferenzsystemen, Online-Kollaboration, File-Sharing, Distant-Learning und Mobile-Working beschäftigt und erste Testprojekte umgesetzt. Diese zumeist Cloud-basierten Technologien sind in der Privatwirtschaft kaum noch wegzudenken und dienen als Sprungbrett für weitere Digitalisierungsvorhaben – Stichwort: Office der Zukunft.

Im Büro der Zukunft verwandelt sich der klassische Desktop-Arbeitsplatz in einen Digital-Workplace in the Cloud (DWPiC), der wesentlich flexibler und agiler ist. Dafür setzt der DWPiC gezielt auf Vernetzung, Zusammenarbeit und Automatisierung. Und genau diese Möglichkeiten tragen nun dazu bei, die Verwaltung der Zukunft zu entwickeln.

Die Digitalisierung bietet große Chancen, aber es gilt zunächst auch, einige Herausforderungen, die sich nicht von der Hand weisen lassen, zu meistern. Der öffentliche Sektor ist vielfältig, komplex und groß, so dass er sich nicht von heute auf morgen digitalisieren lässt – zumal gerade im Bereich der Verwaltung klare Regeln einzuhalten sind.

 

Sicherstellen der Souveränität – auch in der digitalen Welt

Souveränität ist ein wesentliches Merkmal jedes Staates, denn er steht seinen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber in der Pflicht und muss seine Unabhängigkeit auch in der digitalen Welt wahren. Die technische Unabhängigkeit lässt sich durch den Einsatz von Open Source weiter ausbauen und setzt auf dem Grundgedanken “Public money for public code” auf. Öffentlich zugänglicher Code ermöglicht eine selbstbestimmte Entwicklung, ohne dass die Anwender an einen Anbieter geraten, der sie langfristig an bestimmte Technologien oder Standards binden würde. So lässt sich ein Vendor Lock-in umgehen. Zudem lassen sich Open-Source-Systeme individuell anpassen und arbeiten mit einer Vielzahl von Schnittstellen oder sogar mit offenen, programmierbaren Interfaces (APIs ).

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat spezielle Richtlinien veröffentlicht, um der öffentlichen Verwaltung Orientierung zu bieten und die Auswahl des jeweils geeigneten Cloud-Dienstleisters zu erleichtern. Besonders geeignet sind regionale Partner, da sie mit den Standards vor Ort am besten vertraut sind.

  • Keine Abhängigkeit von ausländischen Interessen: Der Cloud-Anbieter darf keiner Jurisdiktion eines Drittlandes unterliegen.
  • Keine Übermittlung von Daten an Drittländer: Kunden- bzw. Nutzungsdaten aus dem Cloud Service dürfen nicht an Drittländer übertragen werden.
  • Datenverarbeitung in Deutschland: Relevante Daten dürfen nur in Rechenzentren verarbeitet werden, die sich auf deutschem Boden befinden.
  • Transparente System- und Leistungsbeschreibung: Der Cloud-Anbieter muss eine nachvollziehbare und transparente System- und Leistungsbeschreibung vorlegen können, die den Kriterienkatalog des BSI erfüllt. Dazu zählt unter anderem, dass der Standort der Kundendaten nachvollziehbar und der Umgang mit Ermittlungsanfragen von staatlicher Stelle transparent ist.
  • Zertifizierungen: Der Cloud-Anbieter kann Zertifikate oder Bescheinigungen von unabhängigen Dritten nachweisen, die seine Konformität mit und Einhaltung der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sowie Angemessenheit und Wirksamkeit interner Kontrollsysteme bestätigen. Zudem muss er mindestens einen offenen Standard unterstützen, der als „Infrastructure as Code“ angesehen wird.

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