Interview mit Frank S. Jorga, Gründer des digitalen Identifikations-Pioniers WebID

Frank S. Jorga, Gründer und Co-CEO bei WebID

Wie werden sich digitale Identifikationen 2022 weiterentwickeln? Ein Interview mit Frank S. Jorga, Gründer und Co-CEO bei WebID.

Die digitale Transformation verändert nicht nur geschäftliche Prozesse immer weiterer Branchen, sondern schließt zunehmen auch Teile des Alltages mit ein. Damit wird es immer wichtiger zu wissen, ob eine Person auch die ist, als die sie sich ausgibt. Im Interview spricht Frank S. Jorga, Gründer des digitalen Identifikations-Pioniers WebID, über die Zukunft der Identifikationsprozesse.

 

Herr Jorga, war Ihnen bewusst, welche Pionierrolle Sie einnehmen werden, nachdem Sie das GwG-konforme Videoidentifikationsverfahren entwickelt haben?

„Es war auf jeden Fall klar, dass damit entscheidende Weichen für das Online-Geschäft der Bankenwelt gestellt wurden. Ich hatte selbst in den Jahren zuvor erfahren müssen, dass ich bestimmte Projektideen nicht umsetzen konnte, weil eine Ausweisüberprüfung zur Identifizierung von Kunden auf höchstem Sicherheitslevel nicht online durchführbar war. Ebenso wenig war es möglich, eine rechtsgültige Online-Unterschrift aufwandsarm durchzuführen.

Das wollte ich dann ändern und die Lösung war Video Ident ebenso wie die Online-Vertragsunterzeichnung mit elektronischer Signatur. Nun konnten Banken nicht nur Neukunden identifizieren, sondern gleich ganze Vertragsabschlüsse, etwa für eine Ratenfinanzierung, komplett online anbieten.“

 

Heute sind digitale Identifikationsprozesse in vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken. Wie hat sich die Branche, seitdem Sie Video-Ident entwickelten, verändert?

„Insgesamt erlebt die Branche eine immer stärkere Nachfrage. Die voranschreitenden Digitalisierung treibt den Bedarf an entsprechenden Lösungen. 2014 haben wir die allererste Geldwäschegesetz-konforme Videoidentifikation für eine Online-Bank durchgeführt. Seitdem ist das Kernprodukt Video-Ident um Identifizierungsverfahren für Anwendungsbereiche wie E-Commerce, Telekommunikation, aber auch Gaming und E-Sports oder die Verwaltung ergänzt worden. Heute ist WebID ein Full-Service-Provider mit Identifizierungs- und Signaturlösungen bis zum höchsten Sicherheitslevel inklusive der technischen Anbindung über unsere Plattform. An diesem Beispiel lässt sich schon eine enorme Entwicklung der Branche ablesen.“

 

Größtmögliche Sicherheit ist im IT-Segment unerlässlich. Wie können Identifikationsprozesse so sicher wie nur möglich gestaltet werden?

„Eine ausgereifte Technologie im Prozess ist bereits sehr wirkungsvoll. Dazu gehören Technologien zum Erkennen der Sicherheitsmerkmale von Ausweisen oder zum Auslesen von Daten, zuverlässige biometrische Erkennung oder ausgereifte künstliche Intelligenz. Aber die beste Technologie bringt nichts, wenn Menschen ihre echten Ausweise nutzen und Konten auf ihren Namen eröffnen, weil sie von Betrügern manipuliert sind, und diese Konten dann für Geldwäsche benutzt werden sollen. „Social Engineering“ heißt diese Betrugsart im Fachjargon und hier kommt man nur mit gut geschultem Personal weiter. Sicherheit ist also ein Gesamtkonzept aus Technologie-Know-how UND Schulung. Allerdings bleibt nach vielen Jahren der Beschäftigung mit dem Thema die Erkenntnis, dass es 100%ige Sicherheit nicht gibt.“

 

Was sind demnach die größten Herausforderungen?

„Die Grundlage für einen digitalen Identifikationsprozess ist der Faktor Sicherheit. Allerdings muss der Prozess auch ein gutes Nutzererlebnis bieten und schnell und einfach durchzuführen sein. Nur wenn all diese Punkte gegeben sind, können die Anbieter die Konversion vorantreiben. Wer einen „Know-Your-Customer“-Prozess (KYC) einsetzt, möchte schließlich, dass die Kunden diesen auch vollständig durchlaufen, um schlußendlich auch den Kauf, die Transaktion oder Anmeldung abzuschließen. Nur wenn der Identifikationsprozess einfach, angenehm und sicher ist, wird er auch zu Ende gebracht. Die Vereinbarkeit all dieser Punkte ist daher die größte Herausforderung.“

 

KI ist in aller Munde. Wo kann KI bereits heute digitalen Identifikationsprozesse übernehmen und wo sind ihr derzeit noch die Grenzen aufgezeigt?

„KI kann in einigen Industrien die digitale Identifikation effizient übernehmen. Beispielsweise sind in den Bereichen E-Commerce und Gaming KI-basierte Verfahren im Einsatz. Diese vollautomatisierten Identifikationen nutzen neben künstlicher Intelligenz Biometrie, sind datenschutzkonform, sicher und schnell, und die Anbieter schützen sich durch den KYC-Prozess vor Betrug oder die Gaming-Community vor Cyber-Mobbing. Andere Bereiche erfordern – auch vom Gesetzgeber geregelt – ein sehr hohes Sicherheitslevel, etwa bei Gesundheitsdaten oder im Finanzbereich zur Geldwäschebekämpfung. Eine reine, vollautomatisierte KI erreicht dieses Sicherheitslevel nicht. Sie kann aber Teilprozesse übernehmen, daher bieten wir vermehrt hybride Verfahren an: Dabei werden Teilbereiche des Prozesses mit KI und Biometrie automatisiert und menschliche Nachkontrolle durch geschulte Fachkräfte kommt zum Zuge.“

 

Das Jahr 2022 hat gerade begonnen. Welche Entwicklungen erwarten Sie bezüglich der digitalen Identifikationsprozesse? Welche neuen Branchen werden hinzukommen, welche neuen Verfahren wird es geben?

„Die unterschiedlichen Ausgangslagen in den Branchen sorgen dafür, dass der Einsatz von digitalen Identifikationsprozessen sehr unterschiedlich umgesetzt werden kann. 2022 werden sich dabei in einigen Branchen neuen Möglichkeiten auftun. Die Novelle des Telekommunikationsgesetzes sorgt beispielsweise dafür, dass die bisherigen Identifizierungstechnologien um automatisierte Verfahren mit KI und Biometrie und/oder Hologrammüberprüfung ergänzt werden können. In der Verwaltung wird sich wegen des Onlinezugangsgesetzes, das Bund und Länder dazu zwingt, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 online zur Verfügung zu stellen, einiges tun. Eine eindeutige Personenidentifizierung spielt hierbei die zentrale Rolle, denn für jedes Auskunftsersuchen, jede Beantragung einer Leistung müssen die Verwaltungsmitarbeiter sichergehen, dass die Person auch wirklich die ist, die sie behauptet zu sein.

Im Gesundheitsbereich wird die elektronische Patientenakte weiter an Fahrt aufnehmen. Ihre Akzeptanz ist stark von der Sicherheit abhängig, denn Gesundheitsdaten sind zweifelsohne besonders sensible und schützenswerte Daten, auf die nur Befugte Zugriff haben dürfen. Eine sichere Identifikation derjenigen, die Zugriff auf die ePA bekommen dürfen, ist unabdinglich.

Generell wird sich auch 2022 das tägliche Leben weiter in die Onlinewelt verlagern. Hierbei muss man sicher sein können, dass derjenige im digitalen Gegenüber auch die Person ist, für die sie sich ausgibt. Von den bereits vorhandenen Identifikationsverfahren von Video Ident bis hin zu AI Ident werden wir deutlich mehr im Einsatz sehen. Und je mehr dieser Verfahren im Einsatz sind, desto mehr Neuentwicklungen wird es geben, ebenso wie die Akzeptanz weiter steigen wird.“

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