Interview mit Eaton zur Energiewende im und mit dem Rechenzentrum

Astrid Hennevogl-Kaulhausen,
Head of Sales Germany UPS Systems & Datacenter bei Eaton

Datacenter müssen grüner, nachhaltiger und positiv zur Energiebilanz beitragen. Netzpalaver sprach mit Astrid Hennevogl-Kaulhausen, Head of Sales Germany UPS Systems & Datacenter bei Eaton, darüber, wie Rechenzentren zur Energiewende beitragen, wie Datacenter CO2-neutral oder sogar CO2-positiv werden und selbst anderen Brachen helfen können, ihren CO2-Fussabdruck deutlich zu reduzieren.

 

Netzpalaver: Schätzungen von Marktforschern wie Independent zur Folge werden Datacenter bis 2025 ein Fünftel der weltweiten Energie verbrauchen. Teilen Sie diese Prognose und was sind die möglichen Gründe dafür?

Astrid Hennevogl-Kaulhausen: Ja, das sehen wir in der Tat ähnlich. Die Welt wird zwangsläufig immer digitaler, was uns auch die Pandemie gezeigt hat. Ob im Geschäfts- oder auch privaten Bereich, die Digitalisierung und Vernetzung nimmt rapide zu, und somit der Datenverbrauch und die Datennutzung. Zur Anfangszeit des Lockdowns hat beispielsweis der Traffic am Frankfurter-DE-CIX-Knoten um 50 Prozent auf einen Schlag zugenommen. Und seitdem ist es nicht weniger geworden. Homeschooling, vermehrte Videokonferenzen etc. haben bereits jetzt schon zu einem erheblichen Anstieg beigetragen, und die Daten müssen alle irgendwie verarbeitet und auch zur Verfügung gestellt werden. Der steigende Datenverbrauch zieht zwangsläufig auch einen entsprechenden steigenden Energieverbrauch nach sich.

 

Netzpalaver: Der Schwenk zu erneuerbaren Energien ist immens wichtig, Stichwort Energiewende, aber wie Sie gerade erwähnten, werden die Rechenzentren immer mehr statt weniger Energie verbrauchen, Wie sehen Sie dies?

Astrid Hennevogl-Kaulhausen: Sie haben absolut Recht, und wie gesagt, die Rechenzentren verbrauchen nicht nur mehr Energie, sondern verursachen zudem auch noch ein Mehr an fossiler Energie-Produktion. Aber der Sektor nimmt dies durchaus ernst: Einige RZ-Betreiber haben dafür ihr Budget deutlich aufgestockt.

Microsoft und Google konnten mit erneuerbaren Energien aus Windparks und Solaranlagen in den Schlagzeilen punkten. Aber die Erzeugung von grüner Energie in einem Bereich bedeutet nicht notwendigerweise eine Reduzierung des CO2-Fussabdrucks in einem anderen Sektor. Eaton als Unternehmen setzt sich nicht nur für die eigene CO2-Reduktion ein, sondern stellt dem Kunden auch die Mittel zur Verfügung, um seine Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Unser kommerzieller und sozialer Bedarf an IT ist unumkehrbar. Sobald eine Aktivität digital wird, wird sie in der Regel effizienter und „grüner“. Allerdings werden die „CO2-Kosten“ damit auch in die Telekommunikations- und Rechenzentrumswelt verlagert. Unser Ziel ist es daher, in der Telekommunikations- und Rechenzentrumswelt nicht nur den Verbrauch zu senken – dies möge der erste Schritt sein –, sondern im notwendigen zweiten Schritt die „Dekarbonisierung“ von Strom einzuleiten. Nicht nur das, was sie selber konsumieren, sondern für jeden. Telcos und Rechenzentren können aufgrund ihrer extrem großen Energieinfrastruktur und -reserven eine immense Rolle bei der Dekarbonisierung von Strom spielen, und Eaton hat die Technologie entwickelt, um dies zu ermöglichen.

 

Netzpalaver: Was ist die Energiewende und warum ist sie für Datacenter-Betreiber und Nutzer relevant?

Astrid Hennevogl-Kaulhausen: Die Energiewende ist der Übergang von der fossilen Brennstoffverwertung zur Erzeugung erneuerbarer Energien. Das bedeutet auch, dass entscheidende Änderungen im Stromnetz erforderlich sind, welche diese Energieverteilung unterstützen.

Zudem bedeutet dies auch, dass einige Verbraucher tatsächlich Produzenten mit erneuerbaren Energien vor Ort oder Stromerzeuger sein können – so genannte „Pro Sumers“. Diese bidirektionale Ansicht versus die alte Einbahnstraßenverteilung ist Teil der Energiewende. Dies ist für RZ-Stakeholder äußerst wichtig. Wenn Sie im RZ-Geschäft sind, ob sie es mögen oder nicht, dann sind Sie automatisch auch im Energiegeschäft. Und so müssen sie die Dynamik des Energiegeschäfts und die Märkte verstehen und vor allem wie diese ihr RZ-Geschäft beeinflussen. Die großangelegte Einführung erneuerbarer Energien ist nicht einfach oder geradlinig. Ein Netz, welches einen hohen Anteil an erneuerbaren Energien hat, ist anfälliger für Schwankungen, insbesondere Frequenzschwankungen. Große Peaks nach oben oder auch unten in der Produktion oder im Verbrauch bedingen, dass das Netz extrem schnell reagieren muss, um die Frequenz innerhalb kontrollierter Grenzen zu halten, sonst kann das Netz komplett ausfallen. Dies kann ein Rechenzentrum gefährden, selbst bei der Backup-Generierung vor Ort. Das Stromnetz ist die primäre Quelle, so dass immer das Risiko besteht, dass es ausfallen kann.

 

Netzpalaver: Wie sollten Datacenter-Betreiber auf diesen massiven Umschwung reagieren?

Astrid Hennevogl-Kaulhausen: Indem sie ihre Rechenzentren transformieren: Die Rechenzentrumsbranche ist so dynamisch wie die IT und Anwendungen, die sie unterstützen. Sie können nicht erwarten, dass das vor 10 oder gar erst vor 5 Jahren entworfene Rechenzentrum den Bedürfnissen von heute, geschweige denn morgen, gerecht wird.

Tatsache ist, dass andere Branchen, die Rechenzentren unterstützen, sich nicht mit der gleichen Innovationsrate bewegen. Im Rechenzentrum gibt es zwei vorherrschende Kulturen:  Facility of Operations-Technology und die IT. Beide sind in Technologie, Kultur und Arbeitsweise völlig verschieden aber extrem voneinander abhängig. Beide müssen voneinander lernen. Deshalb bezeichnen wir die Elektroanlage als „Power Network“. Wenn Ingenieure beginnen, es als Netzwerk zu sehen, können sie beginnen, ähnliche Prinzipale wie in IT-Netzwerken anzuwenden. Dies kann in Form von Resilienz und Energiemanagement geschehen. Das ist ein neues Denken.

Das Ultimative ist natürlich, wenn sowohl die IT als auch Operational-Technology, kurz OT, verbunden, optimiert und sogar automatisiert sind. Das ist Teil unserer Vision der Transformation.

Der andere Teil bezieht sich auf die Funktion des Rechenzentrums. Dessen Hauptzweck ist es, die Datenanwendung zu unterstützen, die das Unternehmen benötigt. In diesem Fall wäre es zu 100 Prozent ein kommerzielles Unternehmen.

Geht es allerdings um den Energieverbrauch und vor allem um den künftigen Energieverbrauch. sind die Datacenter nicht nur ein immens starker Nutzer, dessen Energie-Hunger kontinuierlich wächst, sondern ein immer stärker anwachsender Unsicherheitsfaktor in Bezug auf die Belastung der Stromnetze.

Und dies geschieht ausgerechnet zu einer Zeit, in der wir richtigerweise versuchen. fossile Brennstoffe zur Energiegewinnung drastisch zu reduzieren, dabei jedoch nur rudimentäre Konzepte haben, um den steigenden Strombedarf zu decken. Daher plädiert Eaton dafür, dass Datacenter eine zusätzliche Rolle übernehmen sollten. Datacenter-Betreiber sollten sich dringlichst mit der Dekarbonisierung elektrischer Energie befassen. Um dies zu tun, braucht es noch mehr frisches und „grünes“ Denken. Es erfordert eine vollständige Transformation des Zwecks eines Rechenzentrums. Ergo sagt Eaton: Rechenzentrum müssen transformiert werden, indem diese ihr Energienetzwerk transformieren.

 

Netzpalaver: Wie werden denn nun Datacenter “grün” beziehungsweise Co2-neutral?

Astrid Hennevogl-Kaulhausen: Rechenzentren – trotz Fortschritten bei der optischen Geschwindigkeit und Konnektivität müssen nach Art der Anwendung und dem Geschäft strategisch angelegt sein. Es wird nicht immer praktisch oder möglich sein, Rechenzentren in der Nähe von Windparks, Solar- oder Wasserkraftwerken zu platzieren. Und der Kauf von Green-Energy-Power-Purchase-Agreements (PPA) oder Carbon-Credits in einer Jurisdiktion und die Verwendung von Kohlenstoffstrom in einem anderen Land, sieht auf dem Papier weder gut aus, noch löst es das Problem. Die einzige Möglichkeit für ein Rechenzentrum, „grün“ zu sein, besteht darin, dekarbonisierte elektrische Energie direkt zu nutzen. Carbon neutral oder sogar Carbon negativ zu sein bedeutet, dass Sie nicht nur keinen CO2-Strom verbrauchen, sondern dass sie anderen helfen, auf kohlenstofffreien Strom zu migrieren.

In Erwartung erneuerbarer Energienetze und der Notwendigkeit in Hinblick auf die Umwelt, Strom zu dekarbonisieren, hat Eaton ein einfaches, aber leistungsfähiges System entwickelt. Es nutzt die Rechenzentrum-USVs und Batteriespeicher, um nicht nur Stromqualität und Schutz für die RZ-IT zu bieten, sondern offeriert auch wichtige Netzdienste für die Speisung zurück ins Netz. So lässt sich das Stromnetz auch in Hinblick auf Frequenzschwankungen stabilisieren, die durch die Stromerzeugung via erneuerbarer Energien zu erwarten sind. Das bedeutet, dass Rechenzentren es dem Netz ermöglichen große Mengen an erneuerbaren Energien einzuführen und damit die Energie für alle zu dekarbonisieren

 

Netzpalaver:  Auch die Datacenter verteilen sich, da die Daten näher zum Kunden müssen. Stichwort Edge-Computing. Hype oder Realität? Können Sie uns hier helfen, einen möglichen Unterschied herauszuarbeiten?

Astrid Hennevogl-Kaulhausen: Im Prinzip ja, die Edge war schon immer bei uns, als Standort ist es nichts Neues. Telecom-Unternehmen nennen es das Zugangsnetz oder Teilnehmeranschluss oder Kunden-Premise-Ausrüstung. IT-Netzwerker nannten es kurz LAN. Der Punkt ist, dass es Edge als Lokation schon immer gab, der wichtige Aspekt ist, dass Edge als Cloud-Terminus betrachtet werden sollte. Wenn wir nicht über eine Cloud-Anwendung oder Cloud-Architektur sprechen, dann wäre es schlicht althergebrachte IT- oder Telekommunikations-Technik.

Aber Edge-Computing ist auch eine Frage der Definition: Je nach Unternehmen und Frage der Anwendung fällt diese recht unterschiedlich aus: Für einen Cloud-Datacenter-Betreiber mit Sitz in den USA könnte die Edge ganz Europa sein. Für einen multinationalen Colocation-Anbieter hingegen könnten als Edge-Standorte Paris oder Madrid anzusehen sein. Ähnliches gilt beispielsweise für ein internationales Finanzhaus, dessen Edge in jeder Stadt mit einer Börse sein könnte Und es lässt sich noch weiter herunterbrechen: auf City-Ebene, Produktionsflächen oder gar auf Geräte-Ebene oder Wearables.

Die Variable, die sich ändert, und die rational für Edge ist, ist die Latenz – die Zeitverzögerung zwischen einer Computeranweisung oder einem Ereignis und dem Wunschergebnis (Antwort). Die Benutzererfahrung erfolgt wie beim Content-Streaming oder -Gaming. Aber es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Cloud-Edge-Anwendungen erfordern, dass alle Daten auf Edge- oder zentraler Cloud-Ebene verarbeitet werden.

Ein weiterer sehr wichtiger Punkt betrifft die Sicherheit der Verfügbarkeit wie auch der Daten. Die Datacenter-Industrie hat unglaubliche Anstrengungen unternommen, um den 24/7/365-Betrieb zu gewährleisten. Von diesen Best-Practices werden die Datacenter-Betreiber bei aller Edge-Euphorie nicht abweichen. Die Szenarien, dass Allerorts Mikro- und Mini-Rechenzentren wie Pilze aus den Boden schießen und nahezu jede Straßenecke bevölkern, sehen wir als Eaton eher nicht.

Denn ein natürlicher Host für Edge-Computing sind die Tier-I- und Tier-II-Colocation-Rechenzentren in städtischen Umgebungen. Und Telekommunikationsunternehmen, egal ob Festnetz- oder Mobilfunk, können Edge-Computing wesentlich schneller und effektiver in die Telekommunikations-Fabric und -Einrichtungen einbetten als in irgendwelchen anderen Lokalitäten. Telekommunikationsunternehmen werden dies zudem relativ schnell adaptieren, da es ihnen eine weitere Wertschöpfungsquelle verschafft.

 

Netzpalaver:  Welche Lösungen hat hier Eaton in petto für Edge-Datacenter?

Astrid Hennevogl-Kaulhausen: Ohne in Details gehen zu wollen: So viele verschiedene Lösungen, wie es für Edge-Anwendungen, respektive Edge-Datacenter gibt, gibt es auch von Eaton. Dabei gilt zu beachten, dass es die eine Lösung an sich unserer Meinung nach sowieso nicht gibt. Es kommt immer auf den spezifischen Anwendungsfokus an und wie schon erläutert auf das „frische Denken“, damit Datacenter grüner, nachhaltiger und zur Energiebilanz positiv beitragen.

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