Künstliche Intelligenz wird gefährlich, wenn wir ihr die Freiräume geben

Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur
Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur

Wenn Sie keine Kinder haben oder nicht in Restaurants gehen, dann wissen Sie wahrscheinlich nicht, dass Kinder immer früher Smartphones nutzen. Ein Grund: Eltern wollen den „Blicken, die töten könnten“ oder anderem Ungemach entfliehen? Sie geben ihren Kindern (egal in welchem Alter) ein Handy und schon haben Sie eine ungeahnte Ruhe um sich herum.

Mein Teenager sieht nicht viel Fernsehen, stattdessen konsumiert er seine Filme und TV-Shows auf seinen Geräten. Wenn er, so wie die meisten Anderen nach etwas im Internet suchen, erwarten sie, dass ihnen der gesuchte Inhalt innerhalb von sechs Sekunden zur Verfügung steht, ansonsten verlieren sie das Interesse daran. Andererseits, wenn meine Frau nach einem wichtigen Dokument sucht, dann sagt sie immer: „Ich suche bereits seit zwei Stunden und kann das Dokument einfach nicht finden!“ Bei genauerer Analyse sucht sie jedoch erst seit 10 Minuten. Der Fakt bleibt: Je länger die Suche dauert, desto eher klicken die Nutzer frustriert weg. Fatal für die Suchmaschinen, die Social-Media-Sites oder Amazon&Co, vor allem, wenn diese etwas verkaufen wollen.

Kein Wunder, dass die Anbieter hart daran arbeiten, die Technologie im Umfeld der künstlichen Intelligenz (Artificial-Intelligence) zu perfektionieren.

Je länger die jeweiligen Anbieter den Nutzer beschäftigen können, desto mehr können sie über den Nutzer, seine Vorlieben/Abneigungen erfahren. Je genauer die Anzeigen dargereicht bzw. je genauer die Produkte ausgewählt werden, je mehr können die Anbieter verdienen. Das ist der Grund, warum Netflix, Hulu, Amazon, Disney sowie andere Streaming-Dienste und Content-Verteiler noch viel präziser arbeiten wollen.

In Zukunft werden die Anbieter von intelligenten Inhalten noch mehr Daten sammeln, diese im Detail analysieren und daraus ihre Empfehlungen generieren, die wir (Nutzer) wahrscheinlich mögen werden. Die Systeme werden dann mit jedem Klick besser. Noch wichtiger ist, dass die Content-Provider unsere Eingaben/Daten nutzen, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie gut eine Ansprache/ein Inhalt beim Nutzer ankommt. Könnte der Provider auch noch unsere in die Systeme integrierte Gesichtserkennung nutzen, wäre das System in der Lage, exakt unseren Handlungen/Reaktionen zu folgen und könnte noch genauer unsere Empfindungen aufzeichnen.

Erst wenn die nächste Generation der Smart-Home-Geräte (Alexa, Google-Home, Cortana, Homepod und anderen persönlichen Assistenten) auf den Markt kommt, werden wir diese zusätzlichen Funktionen nutzen können. Die neuen Geräte werden nicht nur unsere Anfragen verstehen, sondern diese auch interpretieren können. Die Geräte werden in der Lage sein, die Ansprache, die jeweilige Ansprache, die Intention und die Emotionen der Sprachanfragen deuten zu können.

Und das schlimme an dieser Entwicklung wird sein, dass die Leute vollkommen glücklich mit den intelligenten Empfehlungen sein werden.

Die Menschen werden ungeniert über die fortschrittlichen Technologien in ihrem Zuhause prahlen, den Mitmenschen demonstrieren wie einfach die Technik zu nutzen ist und uns ermutigen, diese ebenfalls zu beschaffen. Ich bin gespannt, wann uns Zuckerberg uns zu einer Demonstration seines in seinem Haus installierten KI-System einlädt, es wird sicherlich wunderbar und die Welt wird viel besser und das Leben wird noch cooler werden.

Im Ernst? Ja, im Ernst:

  • Alexa sorge dafür, dass die Haustüren verschlossen ist!
  • Alexa, wer befindet sich an der Haustüre?
  • Alexa starte mein Auto!
  • Alexa suche bitte nach einem Film, den ich heute Abend sehen will!

Als die Menschen noch das klassische Kabel- oder Satellitenfernsehen nutzten, mussten sie sich eigenhändig durch mehrere Hundert Fernsehkanäle wühlen, um genau die Show zu finden, die sie sehen wollten. Diese Übung musste man unter Umständen mehrmals pro Abend wiederholen.

Mit den Over-the-Top- (OTT-)Angeboten ist es noch schlimmer. Wir verfügen inzwischen nicht nur über Netflix, Amazon-Prime, Hulu, Vimeo, CBS online, BBC, India Direct oder Sky, sondern auch über Youtube, Facebook, Instagram und andere Ressourcen, die wir durchsuchen müssen. Kein Wunder, dass wir bereits müde sind, bevor wir wirklich entspannen können.

Wie schön wäre es demnach, man könnte jemand anderen die Auswahl für uns vornehmen lassen – das wäre die komfortbelste Lösung! Aus diesen Gründen empfinden nicht nur die Nutzer den zunehmenden Einsatz von künstlicher Intelligenz als positiv.

Die Anbieter sind auf basis der künstlichen intelligenz viel schneller in der Lage, Kaufvorschläge und Werbung basierend auf früheren Erfahrungen und Aktivitäten einer Person vorausschauender bereitzustellen. Auf Basis vergangener Suchen/Käufen bündeln Amazon und andere Online-Shops die Menschen in Gruppen von gleichgesinnten Käufern. Auch Google bietet Informationen, Produktideen und Anzeigen basierend auf früheren Suchanfragen ebenso wie Facebook Informationen und Anregungen bietet, die auf den Informationen Gleichgesinnter basieren.

Mit anderen Worten: KI ist gut fürs Geschäft!

Unsere Autos teilen inzwischen die Verhaltensmuster des Besitzers bzw. des Fahrers mit den Autoherstellern und Versicherungsgesellschaften. Ziele sind eine bessere Navigation, das automatisierte Fahren und niedrigere Versicherungspreise. Im Zuhause ermöglichen sozioökonomische Profile, die individuellen Lebensmuster, die jeweiligen Sehgewohnheiten den Menschen eine reichhaltigere, individuellere Unterhaltung. Die Videoüberwachung des Heims, die integrierten Sicherheitssysteme, die neuesten Thermostate und andere Smart-Home-Tools stellen sicher, dass die Technik den Menschen besser versteht und diesen individuell dient. Natürlich liefern diese Technologien – quasi als Abfallprodukt – auch Informationen an die großen Datenpools, um sicherzustellen, dass die Nutzer gezieltere und bessere Produkt- und Serviceangebote erhalten.

Die Intention der künstlichen Intelligenz besteht darin, den Menschen dabei zu helfen, all die täglich notwendigen lebensverändernden Entscheidungen zu treffen und dadurch indirekt zu bestimmen, wohin der Nutzer geht, was er einkauft was er liest, was er an Medien konsumiert.

Man wird zukünftig nie wieder Zeit oder Geld verschwenden!

Für ein Unternehmen ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz besonders vorteilhaft:

  • Weil nie mehr Unsummen in ein falsches Produktes investiert werden kann.
  • Weil an potenzielle Käufer immer die richtigen Anzeigen/Information übermittelt werden.
  • Weil immer die richtigen Entscheidungen getroffen werden und immer aus den richtigen Gründen.

Denken wir nur daran, wie wertvoll KI für Thomas Edison gewesen wäre. Seine Lehrer behaupteten von ihm, er sei zu dumm, um etwas Gescheites zu lernen. Er war so unproduktiv, dass er in seinen ersten beiden Jobs entlassen wurde. Damals dachten viel Menschen sicher, dass Thomas Edison ein Versager war, weil er mehr als 1000 Mal versuchte die Glühbirne zu erfinden. Viele Male war er nicht erfolgreich. Edison soll seine vielen Versuche damit erklärt haben, dass er bei seinen Fehlversuchen 10.000 Dinge gefunden hatte, die nicht funktionierten. Dabei wurden ihm jedoch die drei wichtigsten Dinge klar, die notwendig sind, um etwas Wertvolles zu erreichen: harte Arbeit, immer am Ball bleiben und ein gesunder Menschenverstand.

„Ich bin mir nicht sicher, ob die künstliche Intelligenz über einen gesunden Menschenverstand verfügt. An dem grundsätzlichen Wesen von KI wird schon bei Star Trek gezweifelt. Sogar Spock sagte bereits: „Computer sind ausgezeichnete und effiziente Diener, aber ich möchte nicht unter ihnen dienen müssen!“

Unglücklicherweise verlassen sich die Menschen zunehmend auf die Vorschläge und Empfehlungen von KI, weil es bequem ist und ihnen das Denken abnimmt. Die Millennials sind gerade eifriger dabei, die künstliche Intelligenz zu vereinnahmen. Dies erscheint vielen jungen Menschen der einfache Weg zu sein und ein solches Verhalten vermeidet Fehler. Das Problem besteht jedoch darin, dass man Fehler machen muss, damit man daraus lernen und daran wachsen kann.

Ingenieure und Wissenschaftler auf der ganzen Welt waren begeistert, als „AlphaGo“ die besten Go-Spieler der Welt beim chinesischen Brettspiel schlug. Ebenso schlug IBMs „DeepBlue“ im Jahr 1996 den Schachweltmeister Garry Kasparov. Die Programmierer und die Technikfreaks jubelten, weil diese Siege bestätigten, dass ihre Technologie im Leben angekommen war. War sie wirklich im Leben angekommen?

Schon viele vorher verfügbare Spiele waren in der Lage, aus jedem kleinen Fehler zu lernen. Wenn Menschen nur die richtigen Antworten erhalten, die richtigen Wege beschreiten, den richtigen Film sehen, das richtige Buch lesen, was können die Menschen daraus lernen? Nichts! Natürlich ist es wesentlich einfacher, die vorgegebene Lösung/Antwort zu akzeptieren, anstatt die Antwort zu hinterfragen und eventuell einen anderen Weg einzuschlagen.

Machen wir uns nichts vor…

Die Menschen entscheiden sich immer für den bequemeren Weg, wenn sie vor einer Wahl stehen. Ich will die künstliche Intelligenz jedoch nicht verteufeln. Viele Informationen, die wir heute bereits konsumieren, wird uns von der KI bereitgestellt. Und wir wissen es noch nicht einmal. Ähnliches gilt auch für Meinungen/Informationen, die wir auf Facebook/LinkedIn/Instagram/Twitter posten, die Musik, die wir hören und Videos, die wir sehen, etc. Wir geben der Industrie unsere Informationen und erhalten im Gegenzug die größtmögliche Bequemlichkeit.

Warum hat die Industrie es geschafft, dass sie uns inzwischen die Lösungen auf einem Silbertablett liefern kann?

Elon Musk (der von Tesla und SpaceX) und einige andere kluge Köpfe haben in die Zukunft geschaut und behaupten, dass die künstliche Intelligenz ein Teufelszeug ist. Sie halten KI sogar für die größte Bedrohung für die Welt. Vielleicht haben die Kritiker Recht, vielleicht auch Unrecht. Die meisten Leute denken bei dem Begriff Bedrohung an etwas, das sie konfrontiert und persönlich angreift.

Natürlich wird die Generationen, die nichts anderes als die sofortige Befriedigung aller Bedürfnisse kennt, die KI exzessiv nutzen, denn KI kann all die wichtigen Entscheidungen im Leben für uns treffen.

Welche?

Was die Menschen essen, welche Beziehungen sie eingehen, welche Medien sie konsumieren und welchen Karriereweg sie einschlagen, etc.

Die Herausforderung wird nicht sein, sich auf die Verbesserung und Feinabstimmung der Technologie zu konzentrieren, um mehr Nutzen für die Menschen daraus zu erzielen, sondern herauszufinden, was es bedeutet, ein Mensch zu sein und unsere individuellen Fähigkeiten zu verbessern. Wir müssen die Einfallt bekämpfen und die Vielfalt annehmen, wir müssen dem Bequemen entsagen und gegensätzliche Ansichten akzeptieren. In der Vielfalt liegt die Zukunft. Wir müssen es wieder genießen, wenn wir Fehler machen und uns ein gewisses Maß an Unordnung gönnen können.

Ich werde dieser Technologie bewusst entgegentreten und wissen, dass ich noch immer schlauer sein werde, als die besten KI-Programme.