Anfang September feiert der Berliner IP-Telefonie-Pionier Snom sein 20-jähriges Jubiläum. Aus dem 1997 von Christian Stredicke gegründeten Startup ist in zwanzig Jahren eine internationale Premiummarke für Tisch-, DECT- und Konferenztelefone geworden.
20 Jahre ist es her, als zwei Berliner Technikstudenten vorhersahen, dass die Zukunft der Telefonie digital sein wird und die Keimzelle von Snom gründeten. Doch kaum jemand teilte ihre Einschätzung. Dementsprechend hoch waren die Hürden und zahlreich die Ressentiments: Der Handel sah kein Geschäft, Provider wollten lieber weiter ihre analogen Angebote verkaufen, und die potenziellen Kunden hatten keinen Bedarf. Doch davon ließen sich die Gründer nicht beirren und verfolgten mit großem Pioniergeist konsequent die Entwicklung eines marktreifen IP-Telefons.
Von Anfang an setzte Snom auf einen innovativen Ansatz und legte Wert auf ein elegantes Design. Dies führte in der ersten Zeit zwar durchaus zu einigen Fehlgriffen – so nannte man den Hörer des snom 100 nicht umsonst „die Rutsche“ – aber prinzipiell folgte Snom immer einem sehr hohen Qualitätsstandard. Besonders deutlich wird dies auch heute noch in puncto Soundqualität – verfeinert und ausgemessen im hauseigenen Audiolabor gelten die IP‐Telefone von Snom heute im Bereich Akustik als führend. Mit seinem Anspruch an Qualität gepaart mit Design gelang es dem Unternehmen, sich mit der Zeit als Premiummarke im Markt zu etablieren und auf Millionen Schreib‐ und Konferenztischen einen festen Platz zu finden.
„Als wir 2005 unsere Partnerschaft mit Snom initiierten, waren wir beide gefühlte Exoten auf dem Markt, aber bereits damals war ich schon von der Zukunftsträchtigkeit der IP-Telefonie überzeugt“, meint Wolfgang Marcus Bauer, Geschäftsführer von Allnet und erster Distributionspartner von Snom in Deutschland. „Gemeinsam haben wir den Markt dann nach und nach in Europa aufbereitet, bevor andere Hersteller und Marktbegleiter auch auf den Zug aufsprangen.“
Ende 2016 wurde Snom von Vtech aus Hongkong übernommen. Das heute mittelständische deutsche Unternehmen kann mit der Unterstützung eines Konzerns mit etwa 37.000 Mitarbeitern im Markt ganz neu aufspielen. Beispielsweise eröffnen sich durch Synergieeffekte Einsparpotenziale in der Produktion, sodass Snom bereits kürzlich seine Preise senken konnte. Zudem ermöglicht die Eigenproduktion bei der Muttergesellschaft, noch viel schneller auf Markttrends reagieren zu können – Stichwort: time to market. In einem hochkompetitiven Umfeld kann Snom seinen Partnern und Kunden deshalb neueste Technologien und eine breitere Produktpalette für ein noch effizienteres Arbeiten zeitnah offerieren. Die zentrale Entwicklung der IP-Telefone erfolgt auch nach der Übernahme weiter in Berlin, unterstützt von 25 Entwicklern beim Mutterkonzern, die ausschließlich für Snom tätig sind.
„Snom steht an seinem 20. Geburtstag hervorragend da. Aus dem quirligen Startup ist ein agiles Unternehmen geworden, das hoch motiviert ist, sich auch zukünftig den Herausforderungen des wettbewerbsintensiven Marktes zu stellen. Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen wir 2017 schon ein kräftiges zweistelliges Umsatzplus, in einigen Märkten in Europa erreichen wir sogar im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 60 Prozent “, so Gernot Sagl, Geschäftsführer bei Snom. „Ich danke den teilweise langjährigen aber auch den neuen und ehemaligen Mitarbeitern, Partnern und Stakeholdern ganz herzlich, die Snom in den letzten beiden Dekaden auf diesem, nicht immer leichten Weg begleitet haben. Heute lohnt es sich mehr denn je, Partner von Snom zu sein beziehungsweise ein noch engerer Partner zu werden.“
Am 7.9.2017 werden in Berlin Partner, Freunde und natürlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Snom zusammenkommen, um dass 20-jährige Jubiläum ausgiebig zu feiern und sich über die neuesten Pläne und Angebote von Snom zu informieren.
Interview mit Christian Stredicke, Gründer von Snom Technology
Wann wurde Ihnen klar, dass Sie lieber ein Unternehmen aufbauen als in einem arbeiten wollten?
Christian Stredicke: Mich brachte ein Jura-Professor auf die Idee, der einmal während einer Vorlesung zu uns sagte, wenn man es ernst damit meine, Betriebswirt zu sein, solle man „sich aufmachen und ein Unternehmen gründen“. Na ja, vielleicht hat nur einen Witz gemacht, aber ich habe es ernst genommen und es getan. Die Gesetzeslage hatte sich gerade geändert, wodurch es leichter wurde, ein Technologieunternehmen zu gründen, und ich war so schnell, dass die Anwälte kaum Zeit hatten, sich den Antrag anzuschauen. Hinter der ganzen Sache stand keine richtige Idee, nur dass es ein Hightech-Unternehmen sein sollte. Ich dachte, es wäre gut, so etwas zu haben, und wenn wir dann wirklich ein Konzept hätten, könnten wir sofort loslegen. Tatsächlich würde ich dieses Vorgehen jedem empfehlen – wenn man das Unternehmen bereits aufgestellt hat, muss man keine Zeit mehr mit Warten verbringen, bevor man anfangen kann, wenn man eine Idee hat. Der Name „Snom“ kam von einem Freund von mir, der ein optisches Rasternahfeldmikroskop (englisch: scanning nearfield optical microscope) baute, abgekürzt SNOM. Und so entschieden wir uns für diesen Namen. Zu dieser Zeit registrierte ich auch die Domain snom.de – wir mussten bis 2001 warten, bis wir auch die .com-Domain hatten. Aber das waren verrückte Zeiten – einige bedeutende Marken ließen damals nicht mal eine .com-Domain registrieren. Heute glaubt man gar nicht mehr, wie neu das damals alles war – selbst im Jahr 1997. Wir hatten kein großes Interesse an einer Festanstellung in einer Firma. Wir wollten selbst etwas machen.
Wann haben Sie sich für SIP/Voice-over-IP entschieden?
Christian Stredicke: Das war ungefähr 1999, nachdem ich eine Rede von Henry Sinnreich gehört hatte. Er war damals ein Visionär und wurde später sogar Mitglied im Aufsichtsrat bei Snom. Wir schauten uns Sachen wie MP3-Player an und sahen Chancen für Voice-over-IP. Ich erinnere mich daran, wie ich einmal eine Unterhaltung zweier Ingenieure bei einem großen Telekommunikationsunternehmen mitgehört hatte, die im Kern sagten „VoIP wird es nie geben, das funktioniert einfach nicht“. Als ich das hörte, war die Entscheidung einfach. Ich wusste, wenn die großen Unternehmen in so einem Zustand der Verleugnung verharrten, musste VoIP ein riesiger Erfolg werden. SIP wurde von Henning Schulzrinne erfunden, gleich um die Ecke von uns hier in Berlin. Zu der Zeit arbeitete jeder mit H.323, aber das war alles andere als cool. Dann kam das SIP-Protokoll, und nach zwei Tagen Herumexperimentieren hatten wir bereits herausgefunden, wie wir damit ein Telefongespräch führen konnten. Es war so einfach! Und wir waren begeistert! Das war einfach viel besser. Schließlich ließen wir H.323 fallen und der Rest ist Geschichte.
Die Welt der Telekommunikation des Jahres 1997 war mit der heutigen nicht vergleichbar – wieso haben Sie sich für VoIP entschieden?
Christian Stredicke: Wir dachten darüber nach. Aber die Entscheidung wurde auf anderen Wegen getroffen. Wir dachten, sollten wir etwas mit den Peripheriegeräten machen? Ich hatte eine Affinität zu Hardware. Die Leute dachten, das wäre nicht besonders klug, da Software gerade boomte. Aber zu der Zeit wurde Software einfach verschenkt. Jeder Softwareanbieter war darum bemüht, dass sein Produkt von so vielen Menschen wir nur möglich genutzt wurde, aber für Hardware musste man immer bezahlen. Also entschieden wir uns für das althergebrachte Geschäftsmodell, nach dem Kunden einfach für ein Produkt zahlen. Das war anfangs überaus schmerzhaft. Wir entwarfen einen Prototyp und brachten ihn zu einem bekannten Hersteller (ich verrate nicht, zu wem). Sie waren interessiert und schauten Interview mit Christian Stredicke, Gründer von Snom Technology, 6. Juli 2017 sich sehr genau an, was wir machten. Wir sagten ihnen, wir würden nur vier Wochen benötigen, um die Software auf eine Platine zu bringen. Allerdings besteht ein großer Unterschied darin, Software auf einem PC laufen zu lassen und zu versuchen, sie auf eine Platine zu bringen. Wir kriegten es nicht hin. Wir waren naiv, und sie schrieben uns als Träumer ab. Wir wollten, dass sie uns finanzieren, aber dazu kam es nicht. Wie lange würden wir brauchen, um die Software auf die Leiterplatte zu bringen? Zehn Jahre schien eher wahrscheinlich (lacht)! Aber wir mussten es schaffen. Wir hatten keine andere Wahl!
Wenn ich Sie 1997 gefragt hätte, wann wir „All IP“ in Europa haben würden – was hätten Sie geantwortet?
Christian Stredicke: Na ja, wir erwarteten das für vielleicht 2001 oder 2002! Die Deutsche Telekom sprach auch davon. Natürlich hat es schließlich viel länger gedauert, wie wir heute wissen. Aber wir dachten wirklich, dass sich das viel schneller durchsetzen würde. Was die Geschwindigkeit des Prozesses betrifft, waren wir einfach naiv. Aber man muss auch bedenken: Wären wir realistisch gewesen, hätten wir uns nie auf dieses Abenteuer eingelassen.
Was war das innovativste Snom-Produkt der frühen Jahre?
Christian Stredicke: Unsere Hardware war mit einem Standard-Controller mit 16 MByte RAM ausgestattet. Und manche sagten, „seid Ihr verrückt? Wozu braucht Ihr das alles? Was wollt Ihr mit dem ganzen Speicher anstellen – diese Dinger sind doch teuer! Wir bauen ISDN-Telefone mit nur 4 kByte RAM!“ Aber wir wussten, dass es so viele andere Dinge gibt, die man mit den Telefonen machen konnte. Außerdem programmierten wir in C++. Damals wäre für ein Projekt wie dieses C die logische Wahl gewesen, aber am Ende hat man einen riesigen Berg von Spaghetti-Chaos, und das wussten wir. Der Code, den wir bei Snom damals programmierten, hielt für die Softwarewelt eine Ewigkeit und wird, soweit ich das weiß, auch heute noch eingesetzt. Hätten wir uns damals nicht so entschieden, wären wir wahrscheinlich 2005 pleite gegangen und hätten von Null anfangen müssen, und dafür war einfach das Geld nicht da.
Und was war das schlechteste?
Christian Stredicke: Wir produzierten auch unser eigenes Plastik. Und beim allerersten Telefon, das wir bauten, vergaßen wir, den Lautsprecher einzubauen. Ich musste mit einem Handbohrer die Löcher ins Plastik bohren! Wir haben dann eine Schablone angefertigt und versuchten so zu standardisieren, wo die Löcher gebohrt werden. Aber diese Telefone gingen nur für Tests in Labore. Wir hatten nichts zu verlieren und alles zu gewinnen, also mussten wir liefern. Obwohl die Leute über uns lachten. Und dann bekamen wir die Sache in den Griff, und das war das snom 100. Es gab immer noch ein paar Probleme, zum Beispiel mit dem Hörer. Aber das machte den Leuten nichts aus – sie wollten ein VoIP-Telefon mit dem damals brandneuen SIP-Protokoll, und wir hatten eins! Viele Leute belächelten uns und machten sich über uns lustig. „Ihr habt keine Chance!“ sagten sie. Um ehrlich zu sein, das war manchmal ziemlich deprimierend. Unsere Finanzen reichten nicht. Ein Mitbewerber in Boston erhielt das Zehnfache an Mitteln als wir hatten, wie wir später herausfanden. Wir brauchten dringend Geldmittel. Es fühlte sich an wie David gegen Goliath.
Aber in der Welt der Telekommunikation fand eine Trendwende statt. Viele dachten, die Welt würde sich immer so weiter drehen wie bisher. Wir waren auf der Seite der Gewinner, auch wenn wir das noch nicht wussten. Zur CeBIT 2001 fuhr ich nach Dresden, um die Plastik abzuholen und bekam sie nicht aus der Spritzgießmaschine – sie mussten einen Schraubenzieher verwenden – Stückchen brachen ab! Und das war der Prototyp, den wir präsentieren wollten! Dann entdeckten wir auch noch ein Riesenproblem mit der Software: Wenn man die Anruftaste drückte, ohne vorher eine Nummer eigegeben zu haben, stürzte sie ab! Wir mussten das Modell am Stand bewachen, damit niemand vorbeikam und anfing, wahllos irgendwelche Tasten zu drücken.
Aber wissen Sie was? Trotz all dieser Probleme gewannen wir auf der Messe einen Preis! Es war ein enormer Erfolg! Eine Menge Menschen kamen an den Stand und wir verschenkten Snom-T-Shirts. Wir erhielten viel Beachtung. Eine große Zahl an Leuten war interessiert und viele wurden schließlich Partner. Das war ein Moment, den wir alle sehr genossen.
Was würden Sie heute dem Snom-Team sagen?
Christian Stredicke: Gratulation dafür, Teil eines immens erfolgreichen globalen Unternehmens geworden zu sein. Eine perfekte Kombination. Und der Markt hat die Botschaft verstanden. Wirklich globale Dimension, Qualität und angemessene Finanzierung. VTech hat ein enorm erfahrenes Team hinzugewonnen, das in der VoIP-Welt praktisch alles erlebt und getan hat. Eine großartige Kombination. Ich vermisse es, ein Teil davon zu sein! Aber es ist großartig zu sehen, wie alle jetzt die Früchte unserer Arbeit ernten. Es war ein langer, harter Kampf, aber jetzt kann jeder den Erfolg genießen. Nutzen Sie die Skaleneffekte und alle Vorteile in der Herstellung und im Marketing. Genießen Sie es und machen Sie das Beste daraus!
Sind Sie stolz darauf, was Sie bei Snom erreicht haben?
Christian Stredicke: Meine Zeit bei Snom war einfach großartig! Es sind so viele verrückte Dinge passiert. Und wir hatten mit so vielen komischen Leuten zu tun. Es war eine durch nichts zu ersetzende Lebenserfahrung, und ich saß in der ersten Reihe. Ich war überrascht, wie robust das Unternehmen nach all den Jahren geworden ist und ja, das machte mich stolz.
Was würden Sie Leuten sagen, die sich heute mit dem Gedanken tragen, ein Technologie-Startup zu gründen?
Christian Stredicke: Ein eigenes Technologie-Startup gründen? Nun, ich würde sagen, es ist wichtig, seine Erwartungen im Griff zu halten und mit Rückschlägen umzugehen. Setzt man seine Erwartungen zu hoch, sind rasche Enttäuschungen vorprogrammiert und Leute springen ab. Setzt man sie zu gering an, wird niemand erst Interesse haben, ins Team zu kommen. Es muss in den Anfangsjahren bei uns mindestens zehn Momente gegeben haben, in denen dieser Elefant im Zimmer meinte, wir sollten aufgeben. Aber das taten wir nicht. Bereiten Sie sich mental darauf vor. Jedes dieser zehn Male hätte das Ende bedeuten können. Man braucht ein dickes Fell. Unser Konkurrent in Boston, der all diesen finanziellen Rückhalt hatte, gab auf. Ich konnte es nicht glauben. Wir haben unser ehrgeiziges Projekt kontinuierlich auf die nächste Stufe gebracht, wieder und wieder.
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