Virtual-Reality zieht im Datacenter ein. Auf der CeBIT 2017 waren erste Ansätze eines „digitalen Zwillings“ zu sehen – insbesondere die physikalische Abbildung der Räumlichkeiten und des Equipments im Rechenzentrum in virtueller Realität. Doch was bringt der Cyberspaziergang durch ein Datacenter?
Netzpalaver sprach mit Dr. Béla Waldhauser, CEO von Telehouse Deutschland, über den Einsatzzweck, die Vorteile, neue Business-Möglichkeiten und wo derzeit sowie künftig die Grenzen eines digitalen Zwillings im Datatcenter-Sektor liegen.
Netzpalaver #1: Haben Sie schon einen digitalen Zwilling?
Dr. Béla Waldhauser: Aktuell habe ich weder privat noch geschäftlich einen digitalen Zwilling, ganz im Gegensatz zu meinen Kindern. Aber so wie es für die Teenager heute normal ist einen digitalen Zwilling zu haben, so wird es für die älteren Generationen auch bald zum privaten und/oder beruflichen Umfeld gehören.
Netzpalaver #2: Welchen Einsatzzweck sehen Sie vorrangig für einen digitalen Zwilling im Umfeld eines Datacenters?
Dr. Béla Waldhauser: Einsatzzwecke eines digitalen Zwillings im Datacenter fangen schon bei der Planung und dem Design an. Hier kann ich zum Beispiel verschiedene Varianten durchspielen und auf ihre Machbarkeit prüfen. Später im Betrieb sind es vor allem alle möglichen Arten von Simulationen verschiedener Betriebszustände. Des Weiteren bietet ein digitaler Zwilling potenziellen Kunden die Möglichkeit sich im Rechenzentrum ihrer Wahl virtuell zu bewegen, ohne das Rechenzentrum aufsuchen zu müssen.
Netzpalaver #3: Was sind die gravierendsten Vorteile eines digitalen Zwillings?
Dr. Béla Waldhauser: Wie oben geschildert, bietet es Planern „kostengünstig“ die Möglichkeit verschiedenste Designvarianten durchzuspielen und zusammen mit dem Auftraggeber und späteren Betreiber die bestmöglichste Lösung für den jeweiligen Anwendungsfall zu bieten. Wenn das Rechenzentrum dann mal steht und im Betrieb ist, so kann man mit dem digitalen Zwilling nicht nur die Überwachung und Steuerung via DCIM übernehmen, sondern auch Optimierungsalternativen simulieren ohne den Betrieb zu stören. Letzteres ist gerade in einem Rechenzentrum, welches keinerlei Wartungsfenster kennt, einer der entscheidenden Vorteile.
Netzpalaver #4: Mit welchen Problemen haben wir derzeit noch bei der Technologie eines digitalen Zwillings zu kämpfen?
Dr. Béla Waldhauser: Aktuell haben wir noch keinen digitalen Zwilling für ein Rechenzentrum, welcher alle oben genannten Vorteile abdeckt. Dafür ist ein Rechenzentrum zu komplex, das Zusammenspiel zwischen Facility-Management und IT zu komplex und die Zahl der Anwender zu gering. Durch die weiter stark zunehmende Bedeutung von Rechenzentren für alle Bereiche unseres Lebens, wird aber auch der digitale Zwilling sehr bald Einzug im Rechenzentrum halten.
Netzpalaver #5: Welche Auswirkungen hat der digitale Zwilling auf ihr Business?
Dr. Béla Waldhauser: Aktuell noch gar keine, da sich diese Technologie für Rechenzentren noch nicht durchgesetzt hat. Ich erwarte allerdings, dass dies in absehbarer Zeit passieren wird und dann alle großen Betreiber auf diesen Zug aufspringen müssen. Wer das nicht tut, wird sehr bald seine Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Netzpalaver #6: Worin sehen Sie die USPs bzw. was sind ihre USPs eines digitalen Zwillings?
Dr. Béla Waldhauser Ein digitaler Zwilling hilft die knappen Ressourcen in allen Bereichen eines Rechenzentrums möglichst effizient einzusetzen. Er wird die Planungsphase beschleunigen können, aber vor allem helfen im Betrieb Simulationen durchzuführen ohne den Betrieb in irgend einer Art und Weise zu stören. Des Weiteren erwarte ich durch einen digitalen Zwilling verbesserte Wartungszyklen, die sich nicht mehr starr am Kalender orientieren, sondern am tatsächlichen Verschleiß. Auch dies ein Beispiel für einen effizienteren Betrieb bei gleichzeitiger Erhöhung der Verfügbarkeit.
Netzpalaver #7: Wo sehen Sie derzeit und künftig die Grenzen eines digitalen Zwillings?
Dr. Béla Waldhauser: Aktuell fehlt es dem digitalen Zwilling im Rechenzentrum schlicht und einfach an den erforderlichen Fähigkeiten (siehe oben) und dadurch der Verbreitung in unserer Branche. Das wird sich aber in den nächsten Jahren ändern. Und dann sind es nur noch die persönlichen Kontakte zu Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern die sich durch den digitalen Zwilling nicht ersetzen lassen.
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