Stellungnahme der Document Foundation zur bevorstehenden Diskussion der Stadt München über eine Rückmigration zu Windows und MS-Office

documentfoundationThe Document Foundation ist eine unabhängige, gemeinnützige Stiftung und die Heimat von „LibreOffice“. Wir haben die Entwicklungen in München mit großer Besorgnis verfolgt und sind enttäuscht darüber, dass eine kleine Gruppe von Politikern offensichtlich den Rat genau derjenigen Experten ignoriert, die sie zuvor selbst aufgesucht haben.

Seit der Wahl von Oberbürgermeister Dieter Reiter sind regelmäßig Gerüchte über eine Rückkehr der Stadt München zu Microsoft-Windows und Microsoft-Office im Umlauf. Reiter wurde in einem Interview mit dem Stadtbild-Magazin im Jahr 2014 als „Microsoft-Fan“ beschrieben.

Oberbürgermeister Dieter Reiter hat den Microsoft-Partner Accenture beauftragt, einen Bericht über die IT-Infrastruktur der Stadt München zu erstellen. Das Ergebnis war ein 450 Seiten langes Gutachten, in dem nicht etwa Open-Source-Betriebssysteme und -Applikationen, sondern vielmehr organisatorische Themen als Problem identifiziert wurden.

In Zeiten von Open-Data und Transparenz im politischen Entscheidungsprozess freut es uns, dass dieses Gutachten nun auch der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wird (https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/DOK/SITZUNGSVORLAGE/4277724.pdf).

Dem Gutachten zufolge hatte nur eine sehr kleine Zahl von Anwendern (je nach Applikation zwischen 18 Prozent und 28 Prozent) größere Probleme mit den Programmen, was durch die Umstellung ihrer Arbeitsplätze auf Windows und MS-Office behoben werden könnte. Bemerkenswert ist aber, dass 15 Prozent aller Anwender angegeben haben, auch größere Probleme mit MS-Office zu haben.

LibreOfficeDas Accenture-Gutachten schlägt eine Trennung von Betriebssystem und Anwendungen vor, um die clientseitigen Abhängigkeiten zu reduzieren. Um das zu gewährleisten, sollen sowohl Windows als auch LiMux jeweils in einer Basiskonfiguration zur Verfügung gestellt werden, was sowohl Betriebssystem als auch Applikationen beinhaltet, beispielsweise Libre-Office, Terminverwaltung und E-Mail, wie sie von allen Abteilungen benötigt werden. Diese Grundkonfiguration soll abhängig von der jeweiligen Anwendung erweitert werden.

Trotz dieser Empfehlung wird der Münchener Stadtrat auf Initiative einiger weniger Politiker am Mittwoch, den 15. Februar, den Vorschlag diskutieren, bis zum Jahr 2020 sowohl Windows 10 als auch MS-Office 2016 auf den städtischen Arbeitsplätzen einzuführen. Das wird den Steuerzahler an die 90.000.000 Euro (in Worten: neunzig Millionen Euro) über die nächsten sechs Jahre kosten, eine Steigerung um 35 Prozent gegenüber den von Accenture ursprünglich vermuteten 66 Millionen.

Zusätzlich sollen laut eines Kostenvoranschlags von Stadträten der Grünen weitere 15.000.000 Euro (in Worten: fünfzehn Millionen Euro) dafür ausgegeben werden, alte Computer aufzurüsten oder zu ersetzen, die sich zwar perfekt für ein ressourcenschonende Betriebssysteme wie Linux eignen, aber nicht einmal eine Windows 10-Basiskonfiguration unterstützen würden.

Zu guter Letzt wird ein Großteil der Ausgaben im Zusammenhang mit dem Kauf von Microsoft-Lizenzen primär die irische Wirtschaft fördern – denn von dort stammen alle in Europa verkauften Microsoft-Produkte – anstatt örtlichen Firmen zugute zu kommen, die bereits die schon vorhandenen Open-Source-Lösungen betreuen. Das ist eine ziemlich auffällige Verschiebung bei der Verteilung von Steuergeldern, die entsprechend berücksichtigt werden sollte.

Ganz abgesehen von der Kostensteigerung vernachlässigt der Vorschlag zudem den wichtigsten Grund für die Migration hin zu freier Software: die Unabhängigkeit von einem einzelnen Softwareanbieter und den Wechsel weg von proprietären hin zu offenen Dokumentformaten.

Obwohl der eingebrachte Vorschlag die MS-Office-Dokumentformate als Industriestandard bezeichnet, sollte klar sein, dass MS-Office-Dokumente proprietär und daher nur bedingt für die Interoperabilität geeignet sind, selbst wenn sie von internationalen Standardisierungsgremien wie der ISO anerkannt sind. Ein Dokumentformat, das als offener Standard gelten soll, muss auch so implementiert werden und darf nicht nur auf dem Papier bestehen.

Falls der aktuelle Vorschlag angenommen würde, verliert die Stadt München nicht nur die Herstellerunabhängigkeit, nach der sie mehr als ein Jahrzehnt gestrebt hat, sondern wird vielmehr auch eine Strategie verfolgen, die den unübersehbaren Trend hin zu offenen Dokumentformaten in Ländern wie Großbritannien, Frankreich, Schweden, den Niederlanden und Taiwan schlicht ignoriert.

Anstatt in den Umgang mit offenen Dokumentformaten zu investieren, um deren Verbreitung weiter zu erhöhen und dadurch die Kosten für Interoperabilität zu senken, würde die Stadt München ein pseudo-standardisiertes Dokumentenformat einsetzen, das bekannt dafür ist, selbst dann Probleme zu verursachen, wenn von einer MS-Office-Version auf die nächste aktualisiert wird.

Aufgrund dieser Erwägungen ist die gemeinnützige Stiftung The Document Foundation der festen Überzeugung, dass der Vorschlag, der diesen Mittwoch diskutiert wird, für die Stadt München einen erheblichen Rückschritt bedeuten würde, verbunden mit einer erheblichen Steigerung der Kosten, einer unbekannten Zahl versteckter Kosten für die Interoperabilität – sowie einer fragwürdigen Verwendung von Steuergeldern.