WhatsApp adressiert die Unternehmen

Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur
Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur

Vor etwa dreieinhalb Jahren investierte Facebook 19 Milliarden Dollar und kaufte sich damit die Consumer-Messaging-App WhatsApp. Seitdem hat sich die Benutzerbasis mehr als verdoppelt und stieg von etwa 450 Millionen auf über eine Milliarde Nutzer. Aber bis heute hat Facebook noch kein Geld mit seiner damaligen Investition gemacht.

In gewisser Weise schädigt WhatsApp sogar den kontinuierlichen Einnahmestrom von Facebook. Erinnern wir uns daran, dass das Unternehmen neben WhatsApp auch noch den Facebook Messenger betreibt. Welcher der beiden Messaging-Anwendungen von den Benutzern eingesetzt wird, hängt von der jeweiligen geographischen Lokation des Nutzers ab. Zum Beispiel ist der Facebook-Messenger in den USA, Kanada und in Australien weit verbreitet, während WhatsApp die beliebteste App in Russland, Südamerika, den meisten Teilen von Afrika und Indien ist. In Indien nutzen inzwischen bereits mehr als 200 Millionen aktive Nutzer diese Anwendung. Ein kurzer Blick auf die jüngst veröffentlichten Zahlen von Facebook zeigt, dass in den Messenger-dominierten Ländern etwa 20 Dollar pro Benutzer in die Kasse gespült werden. Im Gegensatz dazu verdient Facebook in Asien und Indien (wo WhatsApp dominiert) nur 2,15 Dollar pro Benutzer.

Sicherlich kann man einen Teil der Unterschiede mit der regionalen Demographie begründen, aber Facebook hat noch nie Werbeeinnahmen mit WhatsApp generiert. Das Unternehmen propagiert Anzeigen in seinem Newsfeed, in Instagram, und seit kurzem auch im Facebook-Messenger.

Jetzt hat Facebook auch die Monetarisierung von WhatsApp eingeleitet. Hierzu werden jedoch keine Werbeeinnahmen generiert. Vielmehr plant Facebook, dass die Unternehmen für ihre WhatsApp-Kommunikation mit den Verbrauchern bezahlen.

Was kommt jetzt auf uns zu?

Zur Beantwortung der Kundenfragen, zum Versenden von Werbeinformationen oder zur Aktualisierung von Statusinformationen können kleine Unternehmen weiterhin die kostenlose Version von WhatsApp nutzen. Beispielsweise kann ein lokales Möbelhaus auf Basis von WhatsApp seinem Kunden darüber informieren, dass der Fahrer unterwegs ist und beim Kunden in 15 Minuten eintreffen wird.

Größere Unternehmen können direkt mit der WhatsApp-Plattform und anderen anderen Business-Systemen integrieren. Beispiel kündigte die holländische Fluglinie KLM Anfang dieser Woche an, dass diese als erste Fluggesellschaft die WhatsApp nutzt. Dies geschieht jedoch nicht zufällig, da KLM auch die erste Airline war, die den Facebook-Messenger nutzte. Die Kunden können jetzt direkt mit einem KLM-Agenten über WhatsApp interagieren, um Dinge wie Updates der Kontaktinformationen vorzunehmen, die individuelle Bordkarte und Flugstatusinformationen zu erhalten.

WhatsApp hat jetzt ein „verified accounts Programm freigegeben“ mit dessen Hilfe die Unternehmen von den Benutzern unterschieden werden. Dieses Verfahren sorgt dafür, dass die Kunden tatsächlich mit richtigen Unternehmen und nicht mit Betrügern kommunizieren. Die Unternehmen können nicht unkontrolliert mit den Kunden in Kontakt treten. Eine Kontaktaufnahme durch ein Unternehmen erfordert ein explizites Einverständnis des Kunden. Dieser kann auch jederzeit den Zugang eines Unternehmens zu seinem Konto sperren.

Im Moment ist diese Funktionalität noch kostenlos, aber Facebook hat erklärt, dass es in Zukunft mit der Abrechnung der Dienste bei Unternehmen anfangen will. Wie die Abrechnungsmodalitäten aussehen werden ist derzeit noch unklar.

Als Facebook seinerzeit WhatsApp erworben hat, verkündete das Unternehmen, dass es keine Anzeigen in der App schalten würde. Die derzeitigen Neuerungen kommerzialisieren WhatsApp auf eine indirekte Weise. Facebook wird zukünftig die den WhatsApp-Dienst nutzende Unternehmen dafür bezahlen lassen, dass diese ihre eigenen Anzeigen an Kunden senden. Beispiel könnte KLM seinen Kunden eine Nachricht über einen speziellen Preis für ein Flugticket zukommen lassen, wenn der darin beworbene Flug bis zu einem bestimmten Datum gebucht wird.

Facebook könnte zukünftig auch die Lern-, Such-, Bots- oder E-Commerce-Funktionen monetarisieren. Mit der Basis von Millionen WhatsApp-Usern bieten sich für Facebook unzählige Wege zusätzliches Geld zu verdienen. Damit könnte Facebook die Verlangsamung des Umsatzwachstums aus seinen Newsfeeds ausgleichen.

Lernen von KLM

Wie ich aus vielen Diskussionen mit der Industrie über die Verwendung von Messaging-Diensten als Kundendienst-Tool gelernt habe, werden diese Werkzeuge von den Nutzern bereits heute für die mobile Kommunikation genutzt. Da diese Kommunikationspfade vom Kunden zum Unternehmen bereits heute ganz gut funktionieren, stellt sich natürlich die Frage, warum WhatsApp oder der Facebook-Messenger für den Kundendienst genutzt werden sollen? Der Kunde will und hat die Wahl. Aus diesem Grund müssen Unternehmen, die ihre Kunden glücklich machen wollen, Wege finden, um mit diesen auf vielfältige Art und Weise zu interagieren. Aus diesem Grund unterstützt KLM neben dem Facebook-Messenger und WhatsApp auch Twitter und WeChat.

Der weiterer wichtiger Aspekt in der Kundeninteraktion ist die Bereitstellung eines Omnichannel-Erlebnisses. Ein Kunde beginnt die Interaktion mit einem Unternehmen auf Basis von WhatsApp und wechselt anschließend auf eine mobile App oder das Telefon. Dabei ist wichtig, dass die betreffende Konversation nahtlos beibehalten wird. Nichts ist für einen Kunden frustrierender als die Wiederholung von bereits ausgetauschten Informationen, Daher ist bei der Kommunikation über mehre Kanäle darauf zu achten, dass die Konversation immer über mehrere Medien hinweg repliziert wird.

Fazit

Die Öffnung von WhatApp durch Facebook für die Industrie kommt nicht unerwartet – und ist bereits seit längerer Zeit überfällig. WhatsApp wird sicherlich nicht der letzte soziale Kanal sein, der für die Werbung im Bereich des B2C und B2B-Markts genutzt wird. Die Unternehmen müssen ihre Kundenstrategien überdenken und sicherstellen, dass ihre Kommunikationsplattform zu ihren Kunden einfach und preiswert zu realisieren ist. Gelingt ihnen das nicht, bleiben ihnen viele lukrative Verkaufskanäle verschlossen.