Maschine ruft Maschine an

Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur
Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur

Es besteht die Möglichkeit, dass das Internet der Dinge die menschliche Kommunikation durch maschinelle Zusammenarbeit verdrängen wird.

Die Frage lautet: Wie Beeinflusst das Internet of Things (IoT) die Welt der Unified-Communications oder der Zusammenarbeit zwischen Menschen untereinander? Natürlich fällt es schwer, die IoT-Vorteile oder sogar die Auswirkungen dieser Technologie zu prognostizieren. Man muss von der Annahme ausgehen, dass die „Dinge“ irgendwie ihre Arbeit autonom (ohne menschliches Eingreifen) verrichten. Wenn das der Fall ist, hat IoT das Potenzial, die menschliche Kommunikation in einigen Teilen der Arbeitswelt zu verdrängen.

In gewissem Sinne bietet IoT eine Strategie zur Erweiterung des Begriffs der autonomen Systeme. Dies sind softwaregesteuerte Systeme, die aufgrund bestimmter Bedingungen – ohne einen menschlichen Eingriff – angemessene Handlungen bzw. Antworten liefern können. Durch IoT wird die Autonomie nicht wieder neu erfunden, sondern in bestimmten Teilen erweitert. Wenn man mehr Voraussetzungen kreieren und die dadurch entstehenden Bedingungen sichtbar machen kann, dann kann eine Maschine automatische Reaktionen auf die geänderten Voraussetzungen vornehmen. Ein Beispiel für solch ein Verfahren sind die selbstfahrenden Autos.

Nimmt man die menschliche Entscheidungsfindung aus einem Prozess, dann extrahiert man gleichzeitig die Notwendigkeit einer menschlichen Kommunikation in diesem Prozess. Zwangsläufig reduzieren solche Techniken die Anzahl der Dinge, die Menschen ausführen können und verringern somit auch die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit zwischen Menschen. Aus den vielen Umfragen zum Thema Geschäftskommunikation geht hervorgeht, dass an der große Mehrheit der Geschäftskommunikation nur zwei Parteien beteiligt sind. Autonome Systeme würden in dem Maße, in dem sie selbst Entscheidungen treffen, den Bedarf an Menschen bei der Entscheidungsfindung drastisch reduzieren.

Die naheliegende Frage lautet deshalb, wie viele Entscheidungen autonom getroffen werden können? Wir sind bereits viele Schritte in diese Richtung in den Bereichen der Fabrikautomation, der Bestellung von Teilen, der Installation von Dingen und der Diagnose von Dingen unternommen. Im Laufe der vergangenen 20 Jahren lassen die Umfragen eine Verschiebung des menschlichen Kommunikationsverhaltens in diesen Bereichen nachweisen. Vor 20 Jahren erhöhte sich der Anteil der Arbeitskräfte um 10 Prozent was eine Erhöhung des Kommunikationsverhaltens von 11 Prozent nach sich zog. Heute erhöht ein Zuwachs der Mitarbeiter von 10 Prozent das Kommunikationsverhalten nur noch um 8 Prozent

Diese acht Prozent blieben in den letzten zehn Jahren jedoch ziemlich konstant. Dies legt nahe, dass eine simple Automatisierung das Kommunikationsverhalten nicht zwangsläufig reduziert. Interessanterweise versprechen immer noch viele Anbieter, dass wir durch den Kauf ihres Produkts (und nicht das Produkt dessen Wettbewerbers), die menschliche Kommunikation im Unternehmen noch weiter reduzieren könnten. Dies soll durch die Wunder von „Big Data“ und „Analytics“ geschehen. Wie die daraus entstehende Fragestellung beantwortet wird, ist sehr lehrreich. Würde man über eine Datenbank mit einer Historie an entsprechenden Verkaufstechniken und deren Ergebnisse zum Käuferverhalten verfügen, könnten man damit man einen optimalen Ansatz für das Verkaufsgeschäft finden. Wenn die Datenbank über genügend Informationen über die jeweilige Situation (beispielsweise Informationen zum Angebot der Wettbewerber, Informationen zur Neigung des Kunden das Produkt wechseln zu wollen und andere Faktoren) verfügen würde, könnte bei der Planung einer Strategie entsprechend bessere Antworten gefunden werden. Sicherlich könnte durch die Hilfe einer geeigneten Technik die Dauer der Diskussion um die richtige Entscheidung verkürzt werden.

Hier kommt IoT ins Spiel und gleichzeitig stellen diese Anforderungen IoT vor große Herausforderungen. Der Einsatz von IoT würde es vermutlich den Unternehmen ermöglichen, viele Informationen über messbare Bedingungen zu sammeln. Diese Informationen, die in Analyse- und Messwerkzeuge einfließen, könnten die Möglichkeiten der autonomen Maschinen erweitern und gleichzeitig die Notwendigkeit menschlicher Kommunikation reduzieren. Zwei Dinge sind jedoch notwendig, um deren Wirkung zu optimieren:

  • Es müssen eine Vielzahl an Sensoren bereitgestellt werden und
  • es wird eine Korrelation zwischen den unterschiedlichen Bedingungen, Aktionen und Ergebnissen notwendig.

Die erste Bedingung kann IoT noch nicht oder nur mit sehr viel Aufwand liefern. Schlimmer ist jedoch, dass IoT die zweite Bedingung wahrscheinlich nie erfüllen wird.

Heute verfügen wir weltweit bereits über Milliarden von Sensoren. Aus diesem Grund benötigen wir über keine neuen Technologien, Budgets oder Datenschutzregeln um diese einzusetzen zu können. Das Problem besteht darin, dass wir die bereits vorhandenen Sensoren zu einem vernünftigen Ganzen zusammenschalten, ohne dabei die üblichen Kompromisse eingehen zu müssen. Wenn ein Unternehmen oder eine Privatperson über Bewegungssensoren außerhalb des Gebäudes verfügt, kann man überlegen, ob die erfassten Informationen einem gemeinschaftlichen Netzwerk zur Verfügung gestellt werden können. Würden man das auch mit Sensoren im Innenbereich der eigenen Gebäude machen? Wahrscheinlich nicht. Aus diesem Grund müssen wir und bei der IoT-Technik erst einmal darauf einigen, wie wir die bereits installierten Sensoren und deren Daten nutzen wollen.

Damit IoT-Systeme die menschliche Zusammenarbeit verdrängen können, benötigen wir komplizierte Regeln für den IoT-Einsatz. Wir verfügen bereits über Haussicherheitssysteme, die die Polizei ohne menschliches Eingreifen ruft. Den Schlüssel zur Realisierung einer IoT-gesteuerten Autonomie bildet die Rückkopplung zwischen den Bedingungen, den Aktionen und den Ergebnissen. Die Sensoren stellen uns nicht die gewünschten Informationen zur Verfügung. Wir benötigen entweder vorverarbeitete Informationen aus autonomen Systemen oder eine durch zusätzliche Informationen gesteuerte Maßnahmen.

Fazit

Die derzeitige Realität lautet: Wir verfügen über eine Vielzahl von Technologie-Initiativen, die darauf abzielen, die menschliche Interaktion – dadurch auch die durch den Menschen verursachten Kosten – aus Geschäftsprozessen zu entfernen. Analytics und IoT sind nur Beispiele für diesen Trend. In dem Maße, wie zukünftige technologische Innovationen vom Kostenmanagement und von Effizienzziele getrieben werden, müssen wir notgedrungen eine Verringerung der menschlichen Interaktion akzeptieren. Dies sorgt auch dafür, dass die Notwendigkeit der menschlichen Kommunikation und der menschlichen Zusammenarbeit reduziert wird. Als Resultat erhalten wir eine sogenannte „Machine Collaboration“, die mittelfristig den Menschen aus vielen Arbeitsbereichen verdrängen könnte.

#Netzpalaver