IoT in UC: eine irreführende Symbiose

Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur
Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur

Nennen Sie mich einen Spielverderber, aber ich erkenne (noch) nicht die besondere Aufgabenstellung der UC-Hersteller in der Internet of Things (IoT) Welt.

UC-Marketing-Leute lieben simple Schlagworte. Ich weiß, alle Marketing-Leute lieben Schlagworte und treiben diese mit viel Elan durch die digitalen Dörfer. UC-Marketing-Leute mögen die Schlagworte so sehr, dass sie sogar Begriffe aus anderen Technologiebereichen (mit denen sie nie etwas zu tun haben) nutzen, nur um noch mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen. Ich bin immer auf der Suche nach Hinweisen auf irrelevante Schlagworte und frage mich immer wieder, was UC-Hersteller mit dem IoT-Bereich gemeinsam haben?

Die IoT- Idee – also intelligenten Geräte, die über Kommunikationsverbindungen mit Überwachungssystemen zusammenarbeiten ist nicht neu und existiert schon lange. Meine erste Begegnung mit dieser Idee kam durch eine Arbeit mit Überwachungs- und Datenerfassungssystemen aus dem Supervisory Control and Data Acquisition (SCADA) Bereich. SCADA bezieht sich gewöhnlich auf zentrale/dezentrale Systeme, die die gesamte Installationen überwachen, visualisieren sowie steuern und regeln. Der größte Teil der Regelung wird automatisch durch Fernbedienungsterminals oder durch Speicherprogrammierbare-Steuerungen beziehungsweise Level-1-Automationen (prozessnahe Schicht) durchgeführt. Die Aufgabe der Level-2-Automation ist es, die Funktion der Level-1-Automation zu optimieren, sowie Stellgrößen und Sollwerte auszugeben. Die Level-3-Automation dient der Planung, der Qualitätssicherung und der Dokumentation.

Die Datenerfassung beginnt gewöhnlich mit dem Level 1 und enthält die Koppelung an Messgeräte und Statusinformationen wie Schalterstellungen, die von dem SCADA-System erfasst werden. Die Daten werden dann in einer benutzerfreundlichen Darstellung präsentiert und ermöglichen es, steuernd in den Prozess einzugreifen.

SCADA-Systeme implementieren typischerweise eine verteilte Datenbasis, die Datenpunkte beinhaltet. Ein Datenpunkt enthält einen Ein- oder Ausgangswert, der durch das System überwacht und gesteuert wird. Ein physikalischer Datenpunkt stellt einen Eingang oder Ausgang dar, während ein berechneter Punkt durch mathematische Operationen aus dem Zustand des Systems hervorgeht.

Die frühen SCADA-Systeme waren keine Hightech-Geräte und die Netze arbeiteten mit sehr niedrigen Geschwindigkeiten. Auch konnte man die SCADA-Komponenten nicht bewegen, weil diese über Drähte mit dem Gesamtsystem verbunden waren. Diese Art der Kommunikation war jedoch preiswerter, als einen Menschen in seinem PKW zu einer abgelegenen Pumpstation zu schicken, um einen Sensor zurückzusetzen oder ein Ventil zu schließen.

Inzwischen beschleunigen eine Reihe von Entwicklungen den gesamten IoT-Markt. Kostengünstige Prozessoren, die unterschiedlichsten Sensoren und GPS-Empfänger, deren Kosten durch die Smartphone-Revolution drastisch gedrückt wurden, spielen eine wichtige Rolle, aber der Schlüssel zur Erschließung des IoT-Potentials liegt in den funkbasierten Netzwerktechnologien. Dazu gehören bekannte Technologien wie 3G/4G Mobilfunk, Wi-Fi, Bluetooth oder ZigBee. Diese Aufzählungsliste wächst täglich. Zu den neuen Technologien gehören 5G (soll gegenüber 4G für eine 10-fache Erhöhung der Gerätedichte sorgen), Bluetooth Mesh, Wi-Fi HaLow und zellulärer Narrowband-IoT. Wir können auch Beacons und Indoor-Location-Funktionen wie Wi-Fi-Certified-Location hinzuzählen, durch die Standort-Funktionen in Access-Points integriert werden.

Jenseits aller technischen Elemente gibt es jedoch noch so etwas wie die Vorstellungskraft. Die Technologieenthusiasten erträumen sich Service und Fähigkeiten, die sie mit IoT verknüpfen. Dabei legen sie das Tempo zugrunde mit denen die mobilen Apps die Kommunikationsindustrie und die sozialen Medien – die Benutzer-Communities – erschlossen haben.

Natürlich erkenne ich die IoT-Potenziale für Netzdienstleister, Smartphone-Apps, IoT-Endgeräte und die Back-Office-Steuerungssysteme. Aber ich frage mich, was dies alles mit den UC-Herstellern zu tun hat? Ein Berater hat vor kurzem vorgeschlagen, dass ein IoT-Gebäude-Monitoringsystem entsprechende Telefonanrufe auslösen könnte, um das Sicherheits- bzw. Überwachungspersonal auf wichtige Bedingung aufmerksam zu machen. Dieses Argument leuchtet mir jedoch nicht ein, denn ein Text oder eine Warnung auf einem Dashbord wäre ein wahrscheinlicheres Szenario. Ich glaube auch nicht, dass die Überprüfung der Voicemail bei einem Feueralarm sehr produktiv wäre, denn niemand hört seine Voicemail ab, wenn bereits das Gebäude brennt.

Allerdings schreckte noch nie der Mangel an einem klaren Weg oder einem aussagekräftigen Produkt die UC-Marketing-Macher vor sinnentleerten Sprechblasen ab. Da „IoT“ derzeit eines der heißesten Akronyme im IT-Markt ist, muss dieser Begriff auch in die Unified-Communications-Logik integriert werden. Einzig Cisco verfügt zumindest über entsprechende WLAN-Produkte (zwei verschiedene Geschmacksrichtungen) und andere Hardware-Geräte, die sich im IoT-Umfeld tummeln können. Das Unternehmen kaufte auch im vergangenen Jahr das Unternehmen Jasper Technologies mit seiner IoT-Service-Plattform hinzu. Die entsprechenden Resultate sind bereits zu erkennen: In einigen der neueren Collaboration-Tools (Spark-Board) wurden bereits IoT-ähnliche Fähigkeiten integriert.

Ich bin mir jedoch nicht sicher, was der Rest der UC-Hersteller im Moment für den IoT-Markt beabsichtigt. IoT hat wirklich nicht viel mit Telefonen zu tun und da diese Geräte im Zentrum des UC-Universums stehen, muss man an so manchen UC-IoT-Aussagen zweifeln.

Wir haben etwas ähnliches bereits schon einmal durchgemacht. Aus diesem Grund sollten wir besonders kritisch auf Vermarktungsideen von Unternehmen reagieren, die mit dem eigentlichen Produkt eigentlich nichts zu tun haben. Ich spreche hier von einer Wiederholung des mobilen UC Marketingdesasters. Seit Jahren muss uns jeder UC-Sprecher erklären, wie großartig die Benutzerschnittstelle auf dem iPhone ist. Das entspricht sogar der Wahrheit, aber erklärt nicht, warum die UC-Hersteller noch immer keine vernünftigen (und in der Praxis brauchbaren) generischen mobilen UC-Apps auf den Markt bringen können.

Ironischerweise steht seit Mitte des vergangenen Jahrs den mobilen UC-Anbietern das „Apple-CallKit“ zur Verfügung. Dies ermöglicht den UC-Herstellern die Kombination einer anständigen Benutzeroberfläche mit dem nativen Dialer des iPhones. Man sollte meinen, dass ein solches Werkzeug die Entwicklung entsprechender Anwendungen beschleunigt. Jedoch weit gefehlt! Von den klassischen UC-Anbietern verfügen derzeit nur Cisco, Microsoft und Alcatel-Lucent Enterprise über Callkit-basierte mobile UC-Apps. Dafür arbeiten viele hungrige (neue) Unternehmen (beispielsweise Facebook und WhatsApp) auf Basis von Callkit und täglich kommen weitere neue Unternehmen hinzu.

Aber Callkit bringt uns vom eigentlichen Thema ab. Die klassischen UC-Anbieter benötigen kein Callkit, um auf den IoT-Zug aufzuspringen. Aber ein neuer Zug fährt seine eigenen Strecken und diese unterscheiden sich erheblich von den gewohnten Strukturen. Im Markt wurden bereits Millionen von IoT-Geräten installiert, die rein gar nichts mit UC zu tun haben. Daher zweifle ich daran, ob die klassischen UC-Hersteller in naher Zukunft ein sinnvolles Produkt für den IoT-Markt entwickeln können.