Warum die Netzwerker immer mehr an Bedeutung verlieren

Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur
Mathias Hein, Consultant, Buchautor, Redakteur

Warum die Netzwerker immer mehr an Bedeutung verlieren, darauf weisen internationale Umfragen mit drei Hauptfaktoren hin und sogar auf eine mögliche Lösung des Problems.

Wenn Sie denken, dass die Unternehmen ihre IT-Abteilungen nicht würdigen, dann haben Sie noch nicht die Kellerkinder der Werteskala – die Netzwerker. Vor einem Jahrzehnt gaben noch 18 Prozent der Unternehmensleiter an, dass die Netzwerkerei die zentrale Komponente in ihren IT-Pläne bilden. Darüber hinaus sagten 37 Prozent der Befragten aus, die Netzwerke hätten das gleiche Gewicht wie der Rest der IT. In diesem Jahr bezeichneten nur noch 12 Prozent der Teilnehmer an der Umfrage die Vernetzung als ihre zentrale Komponente und nur noch 30 Prozent sagten, sie habe die gleiche Bedeutung wie alle anderen IT-Disziplinen. Das ist ein ziemlich erstaunlicher Bedeutungsrückgang.

Die erste Ursache ist sicherlich politisch und hat mit dem Aufstieg des CIO (Computer and Information Officer) zu tun. Noch vor zehn Jahren haben die Unternehmen die Vernetzung und das Computing unter einem einzigen Manager miteinander verknüpft. Da seitdem für das Computing der größte Teil des Budgets ausgegeben wurde, ist es nicht verwunderlich, dass die CIOs sich nur noch für den unmittelbaren Geschäftsbetrieb verantwortlich fühlen. Frühere CIOs verfügten in der Regel über gleichberechtigte Computer- und Netzwerkmanager. Diese Gleichbehandlung der beiden IT-Disziplinen war jedoch bereits im Jahr 2010 weitgehend verschwunden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass etwa 90 Prozent der CIOs ihren Sprung ins derzeitige Amt, von der Position des verantwortlichen Computermanagers aus vollzogen.

Es gibt Modell die besagen, dass bis zum Jahr 2020 die Netzwerkerei nur noch für 11 Prozent der Manager wichtig sein wird. Von nur noch 28 Prozent der Manager wird zukünftig dem Bereich der Vernetzung das gleiche Gewicht bei der Budgetplanung eingeräumt.

Die zweite Ursache für den Bedeutungsverlust der Vernetzung ist in der Verschiebung der IT von der reinen Informationsverteilung zu einem Informationskreierungsmodell zu suchen. Denken Sie dara, dass sich das Computing zunächst auf die Schaffung von massiven Speicher- und Rechnerressourcen für die vorhandenen Informationen konzentrierte. Es galt das Beste aus diesen Informationen zu machen und diese den Nutzern schnell und unkompliziert zu Verfügung zu stellen. Hierzu mussten die Computer miteinander vernetzt werden. Die für die Verknüpfung der Nutzer mit den Daten bzw. den Anwendungen war die so genannte Middleware zuständige. Dieses System wurde in der IBM-Welt als „Customer Information Control System (CICS)“ bezeichnet. In einer Umfrage vor 20 Jahren kannte fast die Hälfte der Nutzer den Begriff „CICS“. Heute kann kein Nutzer (und oftmals auch nicht das IT-Personal) mehr die Verknüpfungstechnologie zwischen Anwendungen und Nutzern mehr benennen.

Das Internet ist der Haupttreiber dieser Tendenz. Die Web-Frontends für die jeweiligen Geschäftsanwendungen haben die spezifischen Informationssteuersysteme ersetzt. Für die Benutzer kommen die Daten irgendwie aus dem Internet und die eigentliche Bereitstellungstechnologie ist für sie unsichtbar. Diese Verschiebung der Netzwerkerei ins Unsichtbare ist eine der wesentlichen Ursachen für deren Bedeutungsverlust. Die seit einigen Jahren genutzte kostenorientierte Planung wirkt sich bei der Vernetzung negativ aus und stellt diese immer als zusätzliche Belastung des Gesamtbudgets dar. Den heute genutzten Anwendungen schreibt man viele zusätzliche Eigenschaften zu, denn diese beeinflussen unseren Alltag und steuern die Projekte in den Unternehmen.

Und die Vernetzung? Die Netze schieben die Bits transparent von einem Ende zum anderen, und haben für den Ablauf im Unternehmen eine untergeordnete Bedeutung. In der Regel sind die einzigen sichtbaren Merkmale von Netzwerken deren Kosten. Jeder IT-Verantwortliche weiß, was ein Netzwerk-Upgrade kostet, aber kann selten dessen Nutzen erklären. Am liebsten wäre es vielen Manager, wenn man die Netzwerke als Dienst einkaufen könnte.

Die reine Fokussierung auf die Kosten der IT-Services brachte die Buchhalter und Erbsenzähler in den Unternehmen in Position. In deren Vorstellung durfte ein transparentes Ding (wie es das Netzwerk ist) nichts kosten und aufgrund der kontinuierlichen Investitionen in die Netzwerke wurden diese zum Ärgernis. Da die meisten Unternehmen die Netzwerkkosten nicht direkt den Anwendungen zuschlagen, erscheinen diese in der IT-Rechnung immer als Extraposten. Da die Benutzer nicht wissen, welche Dienste sie nur noch über das Netzwerk erhalten, hat das Netzwerk eine schlechte Reputation. Man nimmt das Netzwerk nur noch wahr, wenn es nicht mehr richtig funktioniert.

Die große Ironie der Technologiepolitik besteht darin, dass ausgerechnet in solchen Unternehmen, die Netzwerke wertgeschätzt werden, bei denen die jeweiligen Fachabteilungen für den Zukauf der benötigten Netzwerkdienste zuständig sind. In diesen Unternehmen wissen die meisten Administratoren über die unterschiedlichen Netzwerkeigenschaften (VLAN, QoS, Paketdurchsätze, PoE, etc.) und ihre Auswirkungen Bescheid. In klassischen Unternehmen, in denen die Kosten für die Netzwerke einfach nur anteilig auf die Fachabteilungen verteilt werden, haben nur 8 Prozent der Manager eine Vorstellung davon, was sie für ihr Geld bekommen. Sorgt eine Fachabteilung selbst für die entsprechenden Netzwerkdienste (entweder über die interne Netzwerkorganisation oder einen externen Dienstleister) wissen die zuständigen Manager sehr genau, welche Netzleistungen sie einkaufen müssen.

Der interessanteste Punkt bei diesem Kostenbewusstsein besteht darin, dass es keinen signifikanten Unterschied gibt, ob die Fachabteilung ihre Netzwerk-Services direkt von einem externen Netzbetreiber oder von der internen IT-Abteilung kommt.

Fazit

Die Netzwerke sind in den Unternehmen von einem wünschenswerten zukunftsorientierten Dienst zur reinen Transparenz verkommen. An der Transparenz lassen sich jedoch die Kosten der Vernetzung nicht darstellen. Vielleicht müssen noch mehr Fachabteilungen ihre Netzdienste wieder selbstständig zukaufen, damit die Reputation der Netze und dessen Wert wieder steigt.