Wir sollten keine Wunder von Chatbots erwarten

Trotz allem Hypes und allen Marketingtrommeln ist blinder Eifer kontraproduktiv und es muss noch viel mehr geforscht werden, bis wir mit der Entwicklung wirklich nützlicher Chatbots beginnen können.

Es gibt wieder ein neues Spielzeug, welches durch das Consumer-Dorf getrieben wird. Wer die Tages- und die Fachpressen verfolgt, der wird schnell erkennen, dass Chatbots inzwischen eines der heißesten IT-Themen sind. Chatbots oder kurz Bots sind textbasierte Dialogsysteme und bestehen aus einer Texteingabemaske und Textausgabemaske, über die sich in natürlicher Sprache mit dem dahinterstehenden System kommunizieren lässt. Chatbots sollen daher zukünftig die Contaktcenter-Agenten ersetzen und bieten ungeheuer viel Potenzial. Aus diesem Grund muss sich jedes Unternehmen jetzt einen Chatbot besorgen.

Ich will nicht immer der Nörgler bzw. Spielverderber sein, aber ich verstehe die Ephorien in Sachen Bots nicht.

Bots von heute sind wie Kleinkinder in einer Welt von lauter Erwachsenen: Bots machen lustige Dinge und sind unterhaltsam und niedlich, aber wenig nützlich und effizient. Um zu verstehen, was ich meine, brauchen Sie sich nur die nachfolgenden Video ansehen um zu verstehen, das die Amazon-Echo und Google-Home Geräte noch sehr beschränkt sind, um es politisch einigermaßen korrekt auszudrücken.

Video 1: https://www.youtube.com/watch?v=qoFRPlWEb5w

Video 2: https://www.youtube.com/watch?v=LEz9AU9c2qQ

Jeder der irgendwie technisch geschickt ist, kann inzwischen Chatbots auf den Markt bringen. Diese können unsere finanziellen Probleme lösen, unseren Urlaub buchen, uns vor Gericht vertreten oder Pizzas mit unseren bevorzugten Zutaten einkaufen. Aber lassen wir die Werbung und das Marketing einmal beiseite und versuchen erst einmal zu verstehen, was uns am Markt im Chatbot-Bereich überhaupt zur Verfügung steht.

Um einen erstklassigen Chatbot zu bauen, benötigen wir vier Zutaten:

  1. Eine hervorragende Sprache-zu-Text-Engine. Diese ist notwendig, damit wir mit dem Gerät eine natürliche Konversation beginnen können. Die Engine muss in der Lage sein, selbständig kontextbezogene Korrekturen durchführen zu können und sollte idealerweise auch mehrere Sprachen unterstützen.
  2. Die Engine sollte auch sprachliche Abweichungen (Dialekte), Redewendungen verstehen und den Sinn einer Anweisung aus dem Verständnis erschließen.
  3. Die Engine muss die Fähigkeit besitzen, im gesprochenen Satz den entsprechenden Kontext zu erkennen.
  • Die Engine muss zwischen unterschiedlichen Nachrichten innerhalb einer Konversation unterscheiden können.
  • Die Engine sollte erkennen, wo sich der Nutzer gerade befindet.
  • Was der Benutzer gerade macht.
  • Ob sich die angeforderte Aktion auf etwas im Kalender des Benutzers bezieht.
  • Ob der Benutzer die Engine etwas in Bezug auf eine vorherige Interaktion gefragt hat.
  • Ob sich die Anfrage auf einen speziellen Tag, Moment oder ein Ereignis bezieht.
  1. Die Engine muss flexibel sein und neue Dinge automatisch lernen
  • Unsere Dienstleistungen und Webseiten ändern sich ständig. Daher müssen Chat-Bots sich dynamisch an diese Änderungen anpassen. Da sich viele Anfragen an den Chatbot gleichen werden, muss das Gerät in der Lage sein, viel schneller zu reagieren und dafür sorgen, dass die Menschen nicht immer mit den ewig gleichen Problemen im Kreis laufen.

Jeder dieser vier Grundbausteine erfordert jedoch hervorragende Fähigkeiten in Sachen Analytik und jede Menge künstliche Intelligenz. Wir kratzen in diesen Bereichen noch immer nur an der Oberfläche und verstehen noch immer nicht richtig deren volle Tragweite.

Woher weiß ich, dass die heute verfügbaren Chatbots noch keine wirkliche Marktreife erlangt haben. Durch die vorher dargestellten Videos. Die virtuellen Assistenten von Amazon und Google laufen in einer Endlosschleife und beantworten sich gegenseitig die gleiche dumme Frage nach dem Kalendereintrag, indem das andere Gerät aufgefordert wird,  das gleiche zu tun. Es fehlt diesen Geräten an Gehirnschmalz, um die Endlosschleife zu durchbrechen und das Gespräch weiter zu bringen.

Aber wir können sicher sein, dass Google und Amazon dieses kindische Verhalten ihrer Geräte in den nächsten Wochen oder Monaten abstellen werden. Leider wird dies nur auf Basis weiterer if / then / else-Funktionen geschehen und nichts an der grundsätzlichen Dummheit der Geräte ändern. Technisch gesehen sind heutige Chatbots näher mit einer Volltextsuchmaschine verwandt als mit künstlicher oder gar natürlicher Intelligenz. Mit der steigenden Computerleistung können Chatbot-Systeme allerdings immer schneller auf immer umfangreichere Datenbestände zugreifen und daher auch intelligente Dialoge für den Nutzer bieten. Solche Systeme werden auch als virtuelle persönliche Assistenten bezeichnet.

Chatbots lassen sich jedoch prima für stupide Aufgaben nutzen. Beispielsweise für immer wiederkehrende Aufgaben. Da die Geräte über keine Intelligenz verfügen, dürfen die Aufgaben jedoch nicht allzu weit vom vorgegebenen Pfad abweichen, sonst ist das Ergebnis nicht mehr zu gebrauchen.

Wird die Lücke zur menschlichen Intelligenz jemals geschlossen werden? Google führt die Chatbot-Herstellerschar inzwischen an und verfügt im Bereich der künstlichen Intelligenz über sehr viel Know-how. Aber die Produkte „Google Now“, „Allo „und „Google Home“ haben immer noch ihre eigenen Probleme beim Verständnis und dem Kontext.

Trotz aller Entwicklungsschritte in Richtung künstlicher Intelligenz steht der Chatbot-Markt zum jetzigen Zeitpunkt immer noch am Anfang und es muss noch viel Forschung und Entwicklung investiert werden, bis nützliche Produkte auf den Markt kommen. Die Internet-Giganten (Google, Apple, Facebook, Microsoft, etc.) werden wohl den Chatbot-Markt zukünftig dominieren und diese werden sich die innovativen Startups –inklusive der von ihnen entwickelten neuen Technologien – einverleiben, bevor diese die Produkte auf dem Markt lancieren können.

Fazit

Chatbots sind heute noch nette (meist unausgereifte) Spielzeuge. Daher glaube ich auch nicht die Ankündigungen, dass Chatbots das Potentzal haben, die derzeit verfügbaren Apps zu ersetzen. Hierzu müssen die Geräte viel intelligenter werden und das wird weder kurz noch mittelfristig geschehen.