IoT sorgt für eine erhöhte Nachfrage nach Interoperabilität

Durch die Verfügbarkeit von neuen Geräten aus dem Bereich des Internet der Dinge (IoT) wird der Mangel an verfügbaren IP-Adressen immer deutlicher.

Betrachtet man aufmerksam die Werbeprospekte der großen Elektronik-Supermärkte, dann wird man feststellen, dass ein Leben ohne intelligente Thermostaten, Kaffeemaschinen, Kühlschränke und sogar Glühbirnen nicht nur sinnlos, sondern auch unmöglich ist. Da die neuen Geräte zu der Kategorie der IoT-Geräte gehören, ist es selbstverständlich, dass diese die IP-Protokolle unterstützen und somit eine gültige IP-Adresse benötigen. Die Nutzer sollen über die IP-Adressen ihre neuen Geräte über das Internet – also aus der Ferne – von ihrem Android- oder IOS- Smartphone steuern.

Wenn wir IP-Adressen an alle neuen Geräte – von der elektrischen Zahnbürste bis hin zum Stromzähler – vergeben, wird sich auch der Mangel an verfügbaren IP-Adressen langsam aber sicher bemerkbar machen. Mit der IP-Version 4 sind 4.294.967.296 theoretisch mögliche IPv4-Adressen realisierbar. Dies klingt erst einmal nach einer großen Zahl, bedenkt man jedoch, dass wir in einer Welt leben, auf der mehr Handys als Menschen gibt, so relativiert sich die Anzahl der IP-Adressen sofort wieder. Hinzu kommt die Tatsache, dass der mobile Markt immer noch extrem hohe Wachstumszahlen aufweist. Betrachtet man diese Entwicklungen und stellt diese der Tatsache gegenüber, dass keine neuen IPv4-Adressen mehr zur Verfügung stehen, dann erkennt man, wir befinden uns auf einem Kollisionskurs mit den Gesetzen von Angebot und Nachfrage.

Da wir immer noch nicht gelernt haben, wie man aus Stroh Gold spinnt, so können wir immer noch nicht die IPv4-Adressen multiplizieren. Aus diesem Grund bleibt uns nur der Ausweg:

  • Das IPv4 hinter uns zu lassen und
  • für eine vollständige Einführung von IPv6 zu sorgen.

Ein Schritt nach dem anderen

Wer sich mit der IT-Branche für eine Weile befasst hat, ist mit Interoperabilitätsproblemen sehr vertraut. In der gleichen Weise, wie keine zwei Anbieter das Session-Initiation-Protocol (SIP) genau auf die gleiche Art und Weise implementieren, sind die Interpretationen der IPv6-Spezifikationen sehr vielfältig. Die daraus resultierenden Probleme können in der Kommunikationswelt zu katastrophalen Auswirkungen führen. Unterschiedliche Interpretationen bei der Umsetzung der IPv6-Mechanismen verhindern unter Umständen, dass zwei Geräte ihre SIP-Nachrichten bzw. ihre Media-Streams austauschen können.

Ein Team an der University of New Hampshire (UNH) erkannte diese IPv6-Interoperabilitätsprobleme und baut seit 1988 ein Interoperabilitätslabor (UNH-IOL) (www.iol.unh.edu) auf. In diesem Labor wird sichergestellt, dass das Produkt A friedlich mit den Produkten B bis Z koexistiert. In dem riesigen Labor (27.000 Quadratmeter) haben die Hersteller den Zugang zu Testausrüstungen und kommerziellen Produkten die viele Millionen Dollar wert sind. Daher ist es nicht verwunderlich, dass zu den Standardtests der Hersteller gehört, ihre neuesten Produkte gegen die Angebote ihrer Konkurrenten zu testen. Das sorgt dafür, dass die verkauften Produkte nicht nur in der Umgebung eines Herstellers, sondern auch in gemischten Umgebungen funktionieren und ihren Dienst tun.

Unter den mehr als 150 Mitgliedern des UNH-IOL befindet dich das Who is Who der Herstellerriege. Hierzu gehören beispielsweise: Alcatel-Lucent, ApplAvaya, AVM, BMW, Checkpoint, Cisco, Dell, Extreme Networks, F5 Networks, Fortinet, Hewlett Packard Enterprise, IBM, Intel, Microsoft, Palo Alto Networks, Polycom, Spirent Communications, VMware und noch eine Vielzahl an anderen Firmen.

Aus der Sicht von IPv6 können in diesem Labor eine Mischung aus Routern, Telefonen, Call-Servern und Wireless-Controllern getestet und sichergestellt werden, dass die unterschiedlichsten Produkte auch miteinander arbeiten.

Damit verfolgt das UNH-IOL die gleichen Ideen wie vor 30 Jahren die Interop. Inzwischen hat sich die Interop zu einem weltweiten Organisator (Mumbai;Indien, Tokio; Japan, London; UK und Las Vegas; USA) von IT-Messen gewandelt. Für jede US-Messe bauen Freiwilligen ein Netzwerk unter Verwendung von Tools von verschiedenen Anbietern (Internet genannt), um die neuesten Technologien und die Interoperabilitäten zu demonstrieren.

Im Gegensatz zur heutigen Interop verfolgt das UNH-IOL einen mehrgleisigen Ansatz. Neben den Arbeiten des Testens beteiligt sich das Labor auch an relevanten Normungsgremien. Hierbei werden Trainingsmöglichkeiten bereitgestellt und bei der Realisierung von Standards aktiv mitgearbeitet. Die Arbeiten des Labors werden von dem Gedanken getragen, dass die Tests nur einen kleinen (aber wichtigen) Beitrag zu einer funktionierenden IT-Welt beitragen. Aus diesem Grund hat das Labor nicht nur für die Hersteller geöffnet, sondern beteiligt sich auch an zahlreichen Industrieforen: National Institute of Standards and Technology, Open Alliance, IPv6 Forum, Ethernet Alliance, IEEE, SIP-Forum und der Internet Engineering Task Force.

Jenseits von IP

Ebenso wichtig wie die Transportprotokolle und die Adressierungsmechanismen ist das Internet der Dinge. IoT bedeutend mehr als nur eine reine Vermittlung von Nachrichten über drahtgebundene oder drahtlose LANs. Genau darin liegt die Stärke des UNH-IOL-Modells, denn es dient sowohl zur Evaluierung verschiedenster Technologien als auch als Zentrum zur Fortentwicklung der Geräte. Durch die Kombination eines umfassenden Wissenszentrums mit der Bereitstellung technischer Dienstleistungen ist das UNH-IOL in der Lage, bei einer beliebigen Anzahl von Interoperabilitätstests den Unternehmen zur Seite stehen zu können.

Da das Labor von der University of New Hampshire (UNH) betrieben wird, ist es selbstverständlich, dass der Großteil der Tests von den Studenten, unter Anleitung der jeweiligen Professoren, geplant und ausgeführt werden. Dies sorgt für einzigartige Studienbedingungen und stellt der Industrie praxisorientierte Universitätsabsolventen zur Verfügung.

Im deutschsprachigen Raum gibt es so ein Labor in den Dimensionen des UNH-IOL nicht. Wesentlich bescheidenere Ansätze verfolgen das EANTC in Berlin und das Steinbeis-Transferzentrum „Projektierung und Evaluierung von Netzwerken“ in Stralsund.

Das EANTC (www.eantc.de) wurde 1991 von Herbert Almus an der Technischen Universität Berlin im Forschungsschwerpunkt für Netzwerktechnologien und multimediale Anwendungen gegründet. Neben der Forschung und Entwicklung testete und zertifizierte das EANTC zunächst FDDI-Systeme (Fiber Distributed Data Interface). Später wurde das Testangebot auf ATM (Asynchronous Transfer Mode), Multi Protocol Label Switching (MPLS), IP (Internet Protocol)-Switching, Triple Play und Sprachübertragung über Internet (Voice over DSL und Voice over IP), sowie Mobilfunktechnolgien erweitert.

Das Steinbeis-Transferzentrum „Projektierung und Evaluierung von Netzwerken“ (www.stz-netze.de) wurde 1998 von Prof. Dr. Bernhard Stütz und Prof. Dr.-Ing. Bernd Zehner an der Fachhochschule Stralsund gegründet und hat sich zu einer der führenden Institutionen in Europa bei der messtechnischen Überprüfung von echtzeitfähigen Hochgeschwindigkeitsnetzwerken entwickelt.

Fazit

Wahrscheinlich wird sich die Anzahl der IoT-Geräte im kommenden Jahr wie die Kaninchen vermehren. Früher oder später werden wir diese Geräte auch in unserem Lebensumfeld wiederfinden. Damit diese Geräte ordnungsgemäß arbeiten und sicher kommunizieren, benötigt es Einrichtungen wie das UNH-IOL. Nur in Umgebungen mit einer Vielzahl von Produkten kann die Interoperabilität getestet werden, was sich im späteren Betrieb durch geringe Probleme widerspiegelt.