Video braucht Anwendungen, keinen Marketing-Hype

Wenn es um die Unified-Communications geht, ist es nicht immer einfach, die Realität vom Hype zu unterscheiden. Über viele Jahre habe ich gehört und gelesen, dass der Einsatz von Videokonferenzen sprunghaft wächst. Jeder, der Marktforschungszahlen las, hatte das Gefühl, er könne in ein typisches Büro  gehen und auf fast jedem Schreibtisch eine Videokonferenzanwendungen finden oder zumindest einen der vielen Konferenzräume besuchen. Die Kameras sind inzwischen in jedem modernen PC und Smartphone eingebaut und die zur Bedienung notwendige Video-Software wurde ebenfalls in den Produkte von der großen UC-Unternehmen (Cisco, Microsoft oder Avaya) integriert.

Die traurige Wahrheit lautet jedoch, dass ich im ganzen Land nur bei an einer Hand abzählbaren Unternehmen, moderne Videokonferenzen vorgefunden habe. Ich selbst nutze die Videofunktion nur bei Anrufen zu Familienmitgliedern. Ich könnte das Videocenferencing auch in der Geschäftswelt nutzen, wenn ich mit Video ausgestattete Kommunikationspartner hätte. So sitze ich auf meiner modernen Technik und diese wartet darauf, dass das Video in die Arbeitsabläufe der meisten Menschen integriert wird.

Ähnlich ergeht es den Communications-Enabled-Business-Processes (CEBP). Auch über CEBP wird seit Jahren euphorisch gesprochen und trotzdem ist in den Unternehmen keine Zunahme der Anwendungen zu erkennen. Wie beim Video hören die Menschen die Versprechungen der Marketingabteilungen, aber trotz CEBP arbeiten die Unternehmen immer noch mit klassischen Tischtelefonen.

Deshalb kann man sich meine Überraschung vorstellen, als ich bei einem Besuch in Amerika im Autoradio eine Reportage über CEBP hörte. Die Reportage war außerdem nicht von der IT-Industrie gekauft, denn diese wurde im National Public Radio ausgestrahlt. Zwar fiel das Schlagwort „CEBP“ während der gesamten Reportage nicht, trotzdem verstand jeder Experte, dass es sich um diese Technik handeln musste.

Wie jeder Angestellte im öffentlichen Bereich sind auch die US-Volksvertreter an einer Ausgabensenkung und der Erhöhung der Effizienz interessiert. Im Grunde geht es darum, mehr mit weniger mehr zu tun. Jeder Cent wird unter die Lupe genommen und der jährliche Rechenschaftsbericht wird akribisch von der Öffentlichkeit analysiert.

Der Bundesstaat Louisiana suchte einen Weg, um die Kosten für Kraftstoff, Wartung und Versicherung für vom Staat genutzte Autos deutlich senken. Zu diesem Zweck wurde jedes der 10.543 staatseigenen Fahrzeuge mit einem GPS-Tracking-Geräte aufgerüstet, um damit die Fahrmuster, den Kraftstoffverbrauch und die Fahrwege zu überwachen. Eine bereits früher im Bereich der Land- und Forstwirtschaft installiertes System lieferte hierfür die Grundlage: Im ersten Jahr sank der Kraftstoffverbrauch um 28 Prozent (von ca. 2 Millionen Liter im Jahr 2009 auf 1.44 Millionen Liter im Jahr 2010). Ohne die detaillierten Informationen der GPS-Geräte wäre solch eine Einsparung nicht möglich gewesen und deshalb rentierte sich das Projekt bereits vom ersten Jahr an.

Das genutzte Verfahren ist sehr einfach. Mit Hilfe der GPS-Geräte werden die Autos in Echtzeit überwacht und diese senden E-Mail-Alarme an die zuständige Aufsichtsbehörde, wenn ein Fahrer die Richtlinien (beispielsweise Geschwindigkeitsüberschreitung oder Nutzung der Fahrzeuge für private Zwecke) verletzt. Die GPS-Daten können auch dazu beitragen, dass ein Fahrer effizienter arbeitet. Weiß der Fahrer, dass er überwacht wird, dann wird dieser nicht mehr grundlos die geplante Fahrstrecke verlassen, unnötige Umwege werden vermieden und das System wird nicht mehr absichtlich missbraucht. Natürlich schwebt bei solchen Anwendungen und Einsatzbereichen immer etwas „Big Brother“ im Hintergrund mit. Wischt man diese Bedenken jedoch beiseite, dann überwiegen die Vorteile des Systems: Die genaue Überwachung der täglichen Aktivitäten führt zu verbesserte Leistungen, Kosteneinsparungen und optimierten Prozessen. Die Erwartungen sind, dass der Bundesstaat Louisiana in den kommenden fünf Jahren durch dieses Projekt ca. 30 Millionen Dollar einspart.

Für mich als Experten fällt es nicht schwer, mir weitere Verbesserungen der Louisiana-Lösung vorzustellen. Die Anrufe zu den Fahrern könnten beispielsweise mit Hilfe einer WebRTC Click-to-Call-Funktion initiiert werden. Man könnte auch den gesamten Prozess mit einem Integrated-Voice-Response- (IVR-)System automatisieren. Die Verbesserungsmöglichkeiten sind fast unendlich.

Der liebste Teil der vorangegangenen Geschichte war, dass diese CEBP-Anwendung nicht als solche gekennzeichnet war. Neue Technologien werden immer von Menschen mit Verstand eingesetzt und der Nutzen dieser Technologie wird weiter verbreitet. Gegen die Kraft des Faktischen verpuffen die meisten Marketingaktionen nutzlos. Die Menschen lernen von Menschen und der Nutzen von CEBP entsteht durch neue Kommunikationsmöglichkeiten und Geschäftsprozesse, welche sich in verbesserter Effizienz und Kosteneinsparungen ausdrückt.

Fazit

Diesen Artikel habe ich mit dem jämmerlichen Zustand der Videotechnologie in den Unternehmen begonnen. Ich bin sicher, dass mir viele Leute wiedersprechen und mir zu schreiben werden: „Ich verwende jeden Tag im Unternehmen die Videotechnologie!“ Das stimmt sicherlich, aber trotzdem ist die Videotechnologie noch immer nicht an dem Punkt, an dem diese sein sollte. Wir brauchen mehr Erfolgsgeschichten und Beispiele, wie die Video-Technologie nutzbringend anzuwenden ist. Wenn ich eines – hoffentlich nicht allzu fernen – Tages im Deutschlandfunk eine Reportage über ein mit H.264 bestücktes Feuerwehrauto hören werde, dann weiß ich, dass die Videotechnologie den endgültigen Durchbruch geschafft hat.