Die Cloud ist nicht die Antwort auf alle Probleme

Sie haben wahrscheinlich bereits den Witz gehört, in dem ein Schüler der fünften Klasse bei einer Schularbeit die Note 6 bekommen hat, weil er als Antwort auf alle Fragen nur : Die Cloud“ geantwortet hat. Als der Lehrer den Schüler dazu befragte, antwortete das Kind, dass sein Vater ihm gesagt habe, die Cloud sei die Antwort auf alle Fragestellungen.

Natürlich wissen wir inzwischen auch, dass die Cloud einige Fragestellungen beantworten kann. Manchmal – wenn man die einschlägige Fachpresse studiert – kann man auch den Eindruck gewinnen, dass die Unified-Communications-Clouds bereits den Kampf gegen die klassischen Telefonlösungen gewonnen haben. Natürlich stimmt dieser Eindruck nicht. Dieses Bild spiegelt jedoch die sich positionierenden Marketing-Kräfte wider, denen es darum geht, möglichst viel Aufmerksamkeit zu gewinnen. Dieser Kampf der Ideen wird so lange fortbestehen, wie die Anbieter von ITK-Lösungen eine Auswahl an Produkten anbieten, die es den Unternehmensarchitekten ermöglicht, ihre individuellen Lösungen zu planen und zu implementieren.

Ich glaube nicht daran, dass die Cloud-basierten Lösungsansätze immer kosteneffektiver betrieben werden können und daher die optimale Lösung für jedes Unternehmen darstellen. Klassische Lösungen beziehungsweise private Clouds haben immer noch ihren festen Platz in vielen Unternehmen (Anmerkung: Ich definiere die „private Cloud“ als eine IT-Lösung, die vom IT-Personal des betreffenden Unternehmens betrieben und gepflegt wird.). In der Regel weisen die klassischen Systeme nachweislich die niedrigsten TCO-Werte (im Bereich der mittleren bis großen Unternehmen) auf. Darüber hinaus bieten Unternehmen, die über wenige große Standorte verfügen, die idealen Voraussetzungen für eine standortbasierte private-Cloud-Architektur. Die externen Cloud-Lösungen bieten dagegen erhebliche Vorteile bei kleineren und mittleren Unternehmen, die über keine interne IT-Unterstützung beziehungsweise knappe IT-Ressourcen verfügen und über mehrere geographisch Standorte verteilt sind.

Allerdings passen viele Unternehmen weder in ein reines On-Premise Modell noch in eine externe Cloud-Lösung. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein großes Unternehmen aus wenigen großen und viele kleinen Standorten besteht. Bei genauerer Analyse der Standorte wird man feststellen, dass einige Standorte den Aspekte einer On-Premise und einige Standorte den klassischen externen Cloud-Lösungen entsprechen. Ein solches Unternehmen könnte beispielsweise die großen Standorte mit einem privaten Cloud-System (kostengünstiger zu betreiben und besser zu skalieren) und an den kleinen Standorten die externe Cloud-Funktionalität  nutzen, an denen die Supportkosten zu teuer für standortbasierte Lösungen sind.
Ein weiterer Ansatz könnte darin bestehen, dass ein universeller Satz an Funktionalitäten (beispielsweise Sprache, Instant-Messaging, Präsenz) über ein zentrales standortbasiertes privates Cloud-System bereitgestellt wird, welches zusätzliche Funktionen (beispielsweise Video- und Webkonferenzen) über einen Cloud-Service zur Verfügung stellt.
In meiner Beratungspraxis stoße ich immer wieder auf Beispiele für eine nicht kosteneffektiven Umstieg auf Cloud-Lösungen. Diese könnten durch eine Aktualisierung der bestehenden Systeme und durch das Hinzufügen Cloud-basierender Dienste zu einer kostengünstigen Alternative werden.

Warum nicht das Beste aus beiden Welten?

Obwohl Hybrid-Cloud-Lösungen bereits seit einer Weile diskutiert werden, wurden erst vor kurzem brauchbare Hybrid-Produkte im Markt eingeführt. Ein Beispiel für eine geeignete Hybrid-Lösungen ist die von Shoretel, welche mit ihrer verbesserten Connect-Plattform den Unternehmen Möglichkeiten zur Bereitstellung der geforderten Funktionen entweder per Cloud oder als standortbasierte Lösung ermöglicht und deren Features fast identisch sind. Die jüngsten Verbesserungen ermöglichen eine Synchronisation der Verzeichnisdienste und der Wahlfunktionen, zwischen lokalen Installationen und den Cloud-Plattformen. Unify-Circuit ist ein weiteres Beispiel für eine Cloud-basierte Team-Collaboration/Workflow-Anwendung, mit der standortbasierte Angebote ergänzt und Telefonielösungen von Drittanbietern integriert werden können
Das Microsoft-Ökosystem verfügt inzwischen auch über eine Fülle von Hybrid-Optionen – sowohl von Microsoft selbst als auch von Drittanbietern (wie Audiocodes, Cloudbond-365, etc.). Diese Lösungen werden in Verbindung mit Skype-for-Business-Enterprise-VoIP in Office 365-Umgebungen genutzt und ermöglichen eine schnelle Implementierung und eine erhöhte Zuverlässigkeit.

Wohin geht der Markt?

Der UC/Voice-Markt wird auch weiterhin keine einheitliche Richtung einschlagen und weiterhin die unterschiedlichen Marktsegmente (On-Premise, Cloud und Hybrid) bedienen. Obwohl der Cloud-Technologie aufgrund der lauten Marketingtrommeln eine erhöhte Aufmerksamkeit zukommt, hinkt deren Marktbedeutung in vielen Anwendungsfällen noch der Realität hinterher. Durch die Verfügbarkeit von robusten Hybrid-Angeboten wird die Bedeutung reiner externer Cloud-Lösungen abnehmen und die Hybridtechnik zur marktbestimmenden Kommunikationstechnikarchitektur der kommenden Jahre werden. (mh)